Wer Quote bringt, hat Recht

In der Süddeutschen Zeitung kriegen die Medien im Fall Bankhofer von Dr. Gerd Antes, dem Leiter des Deutschen Cochrane-Zentrums, ihr Fett weg.
Der ganze Vorgang ist sicherlich eine Fundgrube für Psychologen, Soziologen und Gesellschaftswissenschaftler. Denn er zeigt, wie die geschickte Ausnutzung eines Medien-Hypes sowie die regelmässige Huldigung durch die Grössen der Talkshow-Szene auch bei seriösen Redaktionen zu kollektiver Kritiklosigkeit und Schlafmützigkeit führen.
Dabei meint er jedoch nicht die Vorwürfe bezüglich möglicher Schleichwerbung und der von Bankhofer verschwiegene Beratervertrag mit einem Pharmaunternehmen, die den WDR zum Rauswurf des "Mr. Gesundheit" veranlasst haben. Antes kritisiert die seiner Meinung nach auf fragwürdigen wissenschaftlichen Grundlagen beruhenden Ratschläge.

In der Erklärung -
Gerd Antes löste vergangene Woche die Trennung der ARD von Hademar Bankhofer aus
- schwingt der Traum mit, dass Journalisten und Wissenschaft unangefochtene Kontrollinstanzen sind, als wenn es das Internet nicht gäbe.

Antes wird sich in seinem Beruf oft das Paracelsus zugeschriebene Zitat: "Wer heilt, hat Recht" anhören müssen. Aus dem Fall wird er eine neue Erkenntnis gezogen haben: Wer Quote bringt, hat Recht. Das sollte Anlass geben, darüber nachzudenken, wie das Konzept der Evidenz, bei der patientenorientierte Entscheidungen ausdrücklich auf der Grundlage von nachgewiesener Wirksamkeit getroffen werden, den Patienten näher gebracht werden kann. Dies wäre als Schutz vor "Medizin-Gurus", auch im Sinne der verstärkt geforderten Eigenverantwortung des Patienten, nachhaltiger, als der Verweis auf die Verantwortung von Redakteuren.
 
[ARD-Schleichwerbung]
Autor: strappato   2008-08-01   Link   (2 KommentareIhr Kommentar  



 

Doch keine Klostermelisse in Bottrop

Wenn ich vor Jahren bei unserem Bericht von den deutschen Apothekergärten von einem, den ich nicht einmal selbst ausgesucht habe, live berichtet habe, dabei vor den Beschreibungstafeln der Kräuter stehe und bei einem Kraut “Klostermelisse” lese, die es wirklich als Zucht gibt, und ich sage das Wort “Klostermelisse” ist es an den Haaren herbeigezogen, hier Schleichwerbung vorzuwerfen.
Hademar Bankhofer in seiner Stellungnahme gegenüber dem Handelsblatt-Journalisten Thomas Knüwer.

Bei uns gibt es keine Klostermelisse - und die hat es bei uns auch vor drei Jahren nicht gegeben.
Horst Stadtmann von der Alten Apotheke in Bottrop, der den Garten betreibt, in dem das besagte Morgenmagazin-Interview aufgezeichnet wurde, gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger.

Der WDR bestätigte der Zeitung, dass Bankhofer auch dem Sender gesagt habe, in dem Garten wachse die "Klostermelisse".
 
[ARD-Schleichwerbung]
Autor: hockeystick   2008-07-28   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  



 

Plazeboalarm in der Apotheke

Nette Idee. Hier der Höhepunkt des dramatischen Selbstversuchs:

Plazeboalarm: Ich hätte gerne ein Mittel mit Klostermelisse?

Apothekerin 1: Äh, gegen was wollen Sie die denn?

PA: Gegen Sommergrippe. Das stand im Sächsischen Boten, dass das helfen kann. Der Hademar Bankhofer hat das empfohlen, dieser Gesundheitsexperte aus dem Fernsehen.

A1: Äh, ja, also das wäre glaube ich Klosterfrau Melissengeist, dass soll bei Erkältung helfen.

PA: Ja, gibt´s nicht noch andere Mittel mit diese Klostermelisse?

A1: Äh, nein ich glaube nicht. Es gibt noch andere Mittel mit Melisse. Aber Klostermelisse? Moment ich schau mal nach.

(schaut in dem Computer)

A1: Nein, mit Klostermelisse ist hier nur Klosterfrau Melissengeist aufgeführt.

Ich erzähle, dass ich herausfinden wollte, was mir alles angeboten wird, wenn ich gezielt nach Klostermelisse frage. Ich sei Medizinjournalist und interessiere mich für solche Sachen. Dann will ich noch etwas wissen.

PA: Und was geben Sie mir, wenn ich etwas mit Königsartischocke möchte?

Apothekerin 2 (antwortet sofort): Hepar SL bei Verdauungsbeschwerden.

Ich frage beide, ob sie sich vorstellen können, dass Firmen gezielt diese Begriffe in der Öffentlichkeit verbreiten (durch Gesundheitsexperten etwa), damit die Menschen dann genau danach in der Apotheke fragen. Sie können es sich beide gut vorstellen.

Ergänzende Anmerkung :

Wenn der Begriff Klostermelisse auch nicht auf der Verpackung oder im Beipackzettel zu finden ist, so ist der Zusammenhang dennoch auch außerhalb der Fachkreise und Apothekencomputer ein eher offenes Geheimnis.



Hier noch ein ähnlich gearteter Bankhofer-Artikel über die "Klostermelisse" in der bereits in der Vergangenheit wegen Schleichwerbung für angebliche Heilmittel aufgefallenen Fernsehbeilage "rtv" (Ausgabe 26/2008):


Ulkig hier Bankhofers Verweis auf den "Spezialextrakt (Apotheke)".
 
[ARD-Schleichwerbung]
Autor: hockeystick   2008-07-24   Link   (9 KommentareIhr Kommentar  



 

Mr. Schleichwerbung? (Update)

Im Auftrag der Boocompany habe ich mir den Gesundheitsexperten der ARD - für die Stammleser dieses Blogs kein Unbekannter - ein wenig näher angesehen:

Video hier.


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Update (strappato)
In den Medien ist zu lesen, dass der WDR den Vorwurf der Schleichwerbung zurückweist. Es sei nicht erwiesen, aber dem WDR reiche Anschein, hat der Sender, der sich von Bankhofer getrennt hat, mitgeteilt und will den Sachverhalt im einzelnen noch aufklären. Bankhofer hatte einen Vertrag mit "Klosterfrau" eingeräumt, der lediglich Beratung in Gesundheitsthemen, Naturstoffe, Vitalstoffe, prophylaktische Maßnahmen und Studien umfassen, und PR und Werbung ausschliessen würde. Der Vertrag war dem WDR nicht bekannt. Bankhofer erklärte, die "Klostermelisse" im Jahr 2005 erwähnt zu haben - wie im Video dokumentiert. Der Vertrag mit Klosterfrau Melissengeist sei aber 2006 zustande gekommen. Das Video zeigt auch andere TV-Auftritte, etwa in der Sendung "Die gesunde halbe Stunde" auf dem österreichischen Spartensender TW1. TW1 ist Teil des öffentlich-rechtlichen ORF, hat als kommerzieller Spartenkanal aber eine besondere Regelung, die Sponsoring erlaubt, wenn die Geldgeber im Abspann offengelegt werden.
 
[ARD-Schleichwerbung]
Autor: hockeystick   2008-07-21   Link   (19 KommentareIhr Kommentar  



 

Nachaufregung über ARD-Schleichwerbung

Stefan Niggemeier kommentiert die Reaktion der ARD auf die Kritik und den offenen Brief des "PR-Rats" (DRPR) im Zusammenhang mit der wiederholten Ausstrahlung der mit Pharma-Schleichwerbung durchsetzten Krankenhausserie "In aller Freundschaft":
Anstelle von Raff antwortete dem DRPR der MDR-Fernsehdirektor Wolfgang Vietze. Laut epd-Medien vom 21. Juni erklärte er, die schon erfolgte Bearbeitung sei intensiv gewesen: „Das ging von der Retusche bis hin zu Neusynchronisierung — ein arbeitsintensiver, teurer und aufwendiger Vorgang.” Das halte ich an sich schon für einen Skandal: Dass die ARD Rundfunkgebühren dafür ausgibt, in einem „teuren” Verfahren eine Billigserie oberflächlich von den Schleichwerbespuren zu beseitigen, anstatt den Müll einfach wegzuwerfen. Aber die Argumentation ist vor allem entlarvend: Das war teuer, was wir gemacht haben, also muss es auch gut gewesen sein und jetzt gefälligst reichen.

[...]

Die ARD beharrt auf ihrem Recht, teuer und schlecht überarbeitete, acht Jahre alte Folgen einer Serie auszustrahlen, deren Drehbücher die Pharmaindustrie bezahlt oder geschrieben hat und wundert sich, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland Legitimationsprobleme hat.

 
[ARD-Schleichwerbung]
Autor: hockeystick   2008-07-09   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

PR-Rat beschwert sich bei ARD-Vorsitzendem

In einem offenen Brief wendet sich der "PR-Rat" in dem aktuellen Fall von Pharma-Schleichwerbung an den Vorsitzenden der ARD, Fritz Raff vom Saarländischen Rundfunk:
Sehr geehrter Herr Raff,

in den Jahren 2006 bis 2008 hat der Deutsche Rat für Public Relations mehrere Fälle von Schleichwerbung in ARD-Serien ("Marienhof", "Tatort") verfolgt und die entsprechenden Firmen als Auftraggeber, bzw. Vermittler von Schleichwerbung öffentlich gerügt. Zuletzt wurden sieben Pharmaunternehmen für die Platzierung verdeckter Werbebotschaften in der ARD-Serie "In aller Freundschaft" gerügt. [...]

Durch Zuschauer Ihrer Programme sind wir jetzt darauf aufmerksam gemacht worden, dass die fraglichen Sendungen in den dritten Programmen der ARD fast unverändert wiederholt werden. [...]

Wir bitten Sie daher hiermit Ihrer besonderen Verantwortung als öffentlich- rechtliche Sendeanstalten nachzukommen und alle Serien, in denen gemäß den Listen der ARD-Clearingstelle Schleichwerbung festgestellt wurde, vor einer erneuten Ausstrahlung zu prüfen und entsprechende Passagen zu schneiden, vollständig zu überblenden, für die Zuschauer als Werbebotschaft eindeutig kenntlich zu machen oder die Folgen nicht mehr auszustrahlen. Wir weisen darauf hin, dass wir die Presse mittels der beigefügten Presseinformation heute über unsere Bitte an Sie unterrichtet haben.

Mit freundlichen Grüßen

Matthias Rosenthal
Stellvertretender Vorsitzender
Vorsitzender der Beschwerdekammer III

--
Der Branchendienst DWDL.de berichtet aktuell über das Thema.
 
[ARD-Schleichwerbung]
Autor: hockeystick   2008-06-20   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

DRPR kritisiert Recycling von Pharma-Schleichwerbung (Update)

Matthias Rosenthal, der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Rats für Public Relations (DRPR) und Vorsitzende der Beschwerdekammer für TV-Schleichwerbung, schaltet sich in die Debatte um die erneute Ausstrahlung der mit Pharma-Schleichwerbung durchsetzten ARD-Serie "In aller Freundschaft" ein:
Es wurde nur ein bisschen Kosmetik betrieben. Die Namen der Medikamente werden zwar nicht mehr erwähnt. Aber gerade das kann sogar noch werbewirksamer sein. [...]
Das macht uns ärgerlich. Denn im medizinischen Bereich ist Schleichwerbung besonders eklatant.

Nachdem wir über die erneute Ausstrahlung von mutmaßlicher Schleichwerbung für den COX-2-Hemmer Vioxx® berichtet hatten, hatte zunächst Medienjournalist Stefan Niggemeier weiter recherchiert. Auch Spiegel Online hatte das Thema (natürlich ohne Quellenangabe) aufgegriffen.

--
Zum Statement der MDR-Pressesprecherin erübrigt sich jeder Kommentar.

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Update:

Jetzt berichtet auch Süddeutsche.de:
Klar ist: Nachdem deutlich geworden war, wie stark "In aller Freundschaft" durch Schleichwerbung infiziert war, hätte das Öffentlich-Rechtliche wohl besser daran getan, dem Patienten gestrenge Bettruhe zu verordnen.

 
[ARD-Schleichwerbung]
Autor: hockeystick   2008-06-16   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  



 

COX-2 heißt jetzt RAK-2 (Update 2)

Medienjournalist Stefan Niggemeier hat unseren Artikel über die mutmaßliche Vioxx®-Schleichwerbung in den zur Zeit vom NDR wiederholten Folgen der ARD-Serie "In aller Freundschaft" zum Anlass genommen, beim NDR nachzufragen. Das Ergebnis seiner Recherche ist ebenso lesenswert, wie die von ihm zusammengestellten Ausschnitte aus der Sendung erschütternd sind:

Link: sevenload.com

Sein Fazit:
Erstaunlich daran ist — abgesehen davon, wie penetrant und plump die Botschaft in der Serie untergebracht wurde und wie willen- oder skrupellos die Fernsehleute gewesen sein müssen — dass Vioxx und die Pharmafirma MSD Sharp & Dohme (Merck) bislang noch gar nicht öffentlich im Zusammenhang mit dem ARD-Schleichwerbeskandal genannt wurden (auch nicht in der Rüge des PR-Rates).

Der aktuelle Skandal ist für mich aber ein anderer: Die ARD hat sich also, nachdem die Schleichwerbegeschäfte ihrer Tochtergesellschaften aufgeflogen waren, dafür entschieden, die alten Folgen durchzugucken und mühsam einzelne Sätze mit Markennamen nachzuvertonen? Sie hat sich nicht daran gestört, dass die Dramaturgie ganzer Handlungsstränge nicht durch die inneren Gesetze einer Seifenoper bestimmt sind, sondern allein durch die (überholten) Werbebotschaften Dritter? Sie hat sich nach der notwendigen Ansicht der Folgen nicht dafür entschieden, diesen Schrott einfach nie wieder auszustrahlen, sondern füllt mit ihm die Lücken zwischen „Sturm der Liebe” und „Meerschweinchen, Nacktnasenwombat & Co.”?

(Den Begriff "COX-2-Blocker" hat der NDR übrigens mittlerweile in seinem Web-Auftritt aus der Inhaltsangabe von Folge 82 der Serie entfernt. Beim MDR, bekannt für seinen unverkrampften Umgang mit Schleichwerbung, bislang noch nicht.)

Update, 12.6.:
Der MDR hat die Seite jetzt vollständig getilgt.

Update 2, 17.6.:
Die Seite ist wieder da, der kritische Absatz ist ersatzlos verschwunden.
 
[ARD-Schleichwerbung]
Autor: hockeystick   2008-06-12   Link   (2 KommentareIhr Kommentar  



 

NDR strahlt Pharma-Schleichwerbung weiter aus (Update)

Seit Monaten ist bekannt, dass Pharmakonzerne für einen fünfstelligen Euro-Betrag bei der Gestaltung der Drehbücher der ARD-Serie "In aller Freundschaft" mitwirken durften. Erst in der vergangenen Woche gab es dafür Rügen des "PR-Rats".

Für den NDR kein Grund, auf die Ausstrahlung der Schleichwerbung zu verzichten. Kostprobe:
In der Sachsenklinik herrscht Hochstimmung. Die Forschungsergebnisse für COX-2-Blocker, die bei Arthrose helfen sollen, sind so vielversprechend, dass das Medikament bald zugelassen werden kann. Doch Simoni bittet die Mitarbeiter noch um Stillschweigen - schließlich geht es auch um viel Geld.

Sendetermin: NDR Fernsehen, heute, Donnerstag, 5. Juni 2008 um 12:15 Uhr (bis 13:00 Uhr)

Kleines Quiz für unsere Leser: Wer hat das Drehbuch dieser Folge wohl bezahlt?

Update 11.6.: Hier geht die Tragikomödie weiter.
 
[ARD-Schleichwerbung]
Autor: hockeystick   2008-06-05   Link   (3 KommentareIhr Kommentar  



 

PR-Rat rügt Pharma-Schleichwerbung

Im März hatte der "Deutsche PR-Rat" angekündigt, sich mit der vom Magazin Stern aufgedeckten Schleichwerbung in der ARD-Serie "In aller Frendschaft" zu befassen. Jetzt hat er sein Urteil gesprochen:
Wegen Schleichwerbung in der ARD-Serie "In aller Freundschaft" hat der Deutsche Rat für Public Relations sieben in Deutschland tätige Pharmafirmen gerügt. Eine weitere wurde ermahnt, eventuell angebahnte Geschäftskontakte nicht weiter zu verfolgen.

Der PR-Rat hob bei seiner Urteilsbegründung die Ernsthaftigkeit hervor, mit der die Mehrzahl der angeschuldigten Pharmafirmen die vom Rat erhobenen Vorwürfe bearbeitet haben. Eine Antwort schuldig blieben die Merz-Pharma AG, Sanofi Aventis Deutschland GmbH und H. Lundbeck A/S (Dänemark).

[...]

Gerügt wurden Merz-Pharma AG, Sanofi Aventis Deutschland GmbH, AstraZeneca GmbH, Genzyme GmbH, UCB GmbH, Novartis Deutschland GmbH und Janssen-Cilag GmbH. Ermahnt wurde die Firma H. Lundbeck A/S, Dänemark. Die Münchener PR-Agentur K+W von Andreas Schnoor wurde in diesem Zusammenhang zum wiederholten Male gerügt.

 
[ARD-Schleichwerbung]
Autor: hockeystick   2008-05-29   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  



 



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