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![]() Tief durchatmen Warum immer nur die Pharmaindustrie? Boocompany zeigt, dass auch bei manchen Ärzten die Monetik vor der Ethik kommt. [Ethik & Monetik]
Ausbildungsdefizite Zum unethischen Verhalten gehören immer zwei: Einer der es an den Tag legt und ein anderer, der es hinnimmt. Das kann auch aus Unkenntnis resultieren. Idealerweise gehören Informationen über die Methoden der Pharmaindustrie schon in den Lehrstoff des Studiums. Peter Mansfield ist Gründer von Healthy Skepticism Inc, einer Organisation, deren Ziel es ist, die Gesundheit zu verbessern, in dem Schäden durch irreführendes Pharmamarketing verringert werden. In einem aktuellen Artikel schlägt er zusammen mit anderen Autoren vier Ziele vor, die in der Ausbildung für einen aufgeklärten Umgang mit den Versprechungen der Pharmaindustrie sorgen sollen: Four Objectives for Education about Pharmaceutical and Device Promotion All health professionals should be aided in the following ways:
Mansfield PR, Lexchin J, Wen LS, Grandori L, McCoy CP, et al. Educating Health Professionals about Drug and Device Promotion: Advocates' Recommendations. PLoS Med 2006;3(11):e451. Dazu auch eine Veröffentlichung aus den References zu dem Artikel von Mansfields et al.: Norris P, Herxheimer A, Lexchin J, Mansfield P. Drug promotion: What we know, what we have yet to learn. Geneva: World Health Organization 2005. Available: http://www.who.int/entity/medicines/areas/rational_use/drugPromodhai.pdf. [Ethik & Monetik]
Ethics that makes the Difference Die sechs Probanden, die im März bei einer Phase-I-Studie eines monoklonalen Antikörpers lebensbedrohliche erkrankten, nachdem ihnen der Wirkstoff TGN1412 der deutschen Pharmafirma TeGenero aus Würzburg verabreicht worden war, kämpfen noch um ihre Entschädigung. Derweil geht es dem Unternehmen Parexel, das die Studie durchgeführt hat, blendend. Der Leiter und Gründer der Firma, Josef von Rickenbach, hat sich dieser Tage eine Sonderzahlung von $ 286.157 in bar und Aktienoptionen im Wert von $ 1.469.490 für dieses Jahr auszahlen lassen. Nach Angaben der Anwaltskanzlei, die vier der 6 Geschädigten vertritt, addiere sich das zusammen mit dem Grundgehalt zu einem Gesamtpaket von $ 2.221.397. Parexel weigert sich dennoch, den Probanden eine Entschädigung zu zahlen. Wie lautet der geschützte claim von Parexel: [Ethik & Monetik]
Ethikregeln machen keinen Spass Wie schwer es ist, den Sumpf aus Interessen und Zuwendungen der Pharmaindustrie trocken zu legen, muss derzeit das amerikanische ![]() Nach einigen Skandalen wegen Nebeneinkünften hatte das NIH im August 2005 neue Ethik-Richtlinien beschlossen, die z.B. die Annahme von Zuwendungen von Pharmakonzernen für Vorträge oder Beraterverträge faktisch ausschliessen. Damit sollen potentielle conflicts of interest gar nicht erst auftreten. Nach einem Jahr wurde nun mit einer Umfrage die Zufriedenheit mit den neuen Regeln evaluiert. Das Ergebnis ist deprimierend. Trotz der Skandale, die auch in der amerikanischen Öffentlichkeit das Image der NIH-Forscher beschädigt haben, waren nur zwei Drittel der Befragten der Meinung, dass es notwendig war, die Regeln zur Veröffenlichung der conflict of interest zu verschärfen. Von den wissenschaftlichen Angestellten waren sogar fast 60% der Meinung, dass die Ethikregeln zu restriktiv sind. Ein Viertel von ihnen fühlt sich persönlich negativ betroffen. Am meisten besorgt sind die Mitarbeiter, dass sie nicht mehr im Spiel mit Big Pharma mitspielen können: Bei den "outside activities" wird am häufigsten eine negative Wirkung gesehen. Immerhin 17,8% sehen negative Auswirkungen auf ihre finanzielle Situation. Die entsprechenden Zahlen für die wissenschaftlichen Mitarbeiter werden in der Präsentation gar nicht erst erwähnt. Fast 40% der Wissenschaftler suchen einen neuen Job. Das könnte die Arbeitsfähigkeit der Behörde und damit sogar die Gesundheit der US-Amerikaner beeinrächtigen. Arthur Caplan, Lehrstuhlinhaber für Medizinethik an der University of Pennsylvania plädiert daher für eine Lockerung: The leaders of the NIH and in Congress have to think a bit harder about giving a tiny bit of breathing room so that NIH scientists are not sent into a monastery from which they can't ever come out in the name of scientific integrity. Als nächstes sollen in einem Telefoninterview Mitarbeiter, die das NIH verlassen haben, über ihre Beweggründe und die Rolle der neuen Ethikregeln befragt werden. Ausserdem potentielle neue Mitarbeiter, ob durch die Regeln das NIH als Arbeitgeber an Attraktivität verloren hat. [Ethik & Monetik]
Praktische Ethik Es ist ja nicht so, dass es keine rechtlichen bzw. standesrechtlichen Regelungen oder andere kodifizierte Verhaltensempfehlungen für die Beziehungen der am Gesundheitswesen Beteiligten - z.B. Ärzte, Mitarbeiter von Pharmaunternehmen, andere Dienstleister - gibt. Ein paar Beispiele:
Am Ende dreht sich alles um das Wohl des Patienten. Dabei haben die meisten Beteiligten nur indirekt Kontakt zum Patienten. Mittler ist oft der Arzt. Es lohnt daher, das ethische Konzept des Arztes in die eigenen Handlungen mit einzubeziehen. Allgemein anerkannt sind vier ethische Grundsätze einer professionellen ärztlichen Arbeit, die nicht durch Beziehungen zur Industrie verletzt werden dürfen:
Wenn man sich diese 4 Grundsätze vor Augen hält, dann sind viele Marketing-Praktiken, besonders im Pharmaaussendienst, unethisch. Zuwendungen für Ärzte, die Patienten auf neue Präparate umgestellt haben (oft in Form von Honoraren für Anwendungsbeobachtungen), stossen auf die Frage der Interesssen des Patienten und des aufgeklärten Konsenes. Ebenso bedeutet das aggresive Vermarkten eines teuren Medikaments - ohne spezielle Indikation - unter den Bedingungen der Arzneimittelrichtgrössen, dass der Arzt andere Patienten aus Kostengründen nicht die benötigten Medikamente verschreiben kann. Noch ein paar praxisnahe Literaturtipps für diejenigen, die sich mit dem Thema befassen wollen - oder beruflich befasst sind: Schabbeck J, Graf V. Drittmittel im klinischen Alltag - Über den richtigen Umgang mit Förderungen aus der Wirtschaft. f&w 2004;21:298-303. Fenger H, Göben H (Hrsg). Sponsoring im Gesundheitswesen - Zulässige Formen der Kooperation zwischen medizinischen Einrichtungen und der Industrie. München: Verlag C.H. Beck 2004. Karsten K. Sponsoring oder Bestechung - Die Grenzen der Zusammenarbeit zwischen der pharmazeutischen Industrie und leitenden Krankenhausmitarbeitern. f&w 2003;20:612-619. Wager E. How to dance with porcupines: rules and guidelines on doctors' relations with drug companies. BMJ 2003;326:1196-1198. Coyle SL. Physician–Industry Relations. Part 1: Individual Physicians. Ann Intern Med 2002;136:396-402. Coyle SL. Physician–Industry Relations. Part 2: Organizational Issues. Ann Intern Med 2002;136:403-406. Snyder L, Leffler C, for the Ethics and Human Rights Committee, American College of Physicians. Ethics Manual Fifth Edition. Ann Intern Med 2005;142:560-582. [Ethik & Monetik]
Markt und Moral Corporate Social Responsibility (CSR), die Unternehmensethik, wird im Wettbewerb immer wichtiger. Konsumenten achten zunehmend auf die Art und Weise, wie Unternehmen produzieren, mit Geschäftspartnern und Mitarbeitern umgehen, den Umweltschutz beachten und nicht zuletzt ob Ziele und Werte mit dem Handeln übereinstimmen und dies transparent kommuniziert wird. Blogs spielen als Wächter eine nicht zu unterschätzende Rolle, was man an den aktuellen Fällen mit Edelmann und Germanblogs erleben kann. Man mag einwenden, dass in der Praxis das Konsumentenverhalten nicht immer mit den ethischen Forderungen übereinstimmt. Laut des vom OECD in einem Entwurf vorgelegten Papiers zum Thema "Informing Consumers of CSR in International Trade" ist die Informationslücke zwischen dem Unternehmen und dem Konsumenten in Sachen CSR ein möglicher Grund dafür. Ethisches Handeln hat im Gesundheitswesen traditionell einen hohen Stellenwert. Consumers International, eine Art Weltverband der Verbraucherorganisationen hat in einer Studie CSR in Europa bei den 20 grössten Pharmaunternehmen untersucht und beim Marketing gravierende Verstösse gefunden. Big Pharma love to tell anyone who'll listen just how socially responsible they are. Yet when it comes to access to information about their marketing policies, the door slams shut. Die in den Unternehmensprofilen aufgeführten Beispiele gleichen einer Anleitung, wie man es nicht machen soll. Zusammenfassend:
[Ethik & Monetik]
Ohne Worte Ich habe hier einen Antrag auf dem Tisch, der selbst mir den Atem verschlägt. Da will ein Hersteller für einen monoklonalen Antikörper der nächstes Jahr auf dem Markt kommt 350.000 Euro (in Worten dreihundertfünzigtausend) für die Jahrestherapie haben. Der Patient muss natürlich dauerhaft therapiert werden. [Ethik & Monetik]
Adäquat Der Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute hat zusammen mit anderen Verbänden eine Richtlinie für Befragungen von Ärzten zu Zwecken der Markt- und Sozialforschung (pdf) herausgegeben. Das ist ehrenwert aber angesichts des mittlerweile fast 2,5 Jahre bestehenden Kodex der Mitglieder des Vereins Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie für die Zusammenarbeit der Pharmazeutischen Industrie mit Ärzten ein wenig spät. Wie weit diese Richtlinie an der Wirklichkeit vorbeigeht zeigt sich an ein paar Punkten, die mir besonders aufgefallen sind:
Bei der Terminvereinbarung für die Interviews sollen das die Befragung durchführende Forschungsinstitut bzw. die in seinem Auftrag tätigen Interviewer Termine außerhalb der Dienstzeit der zu befragenden Ärzte vereinbaren. Darüber hinaus sollen bei Befragungen von angestellten Ärzten die Interviews außerhalb der Räumlichkeiten des Arbeitgebers oder Dienstherren, in denen sie gewöhnlich ihre Leistungen erbringen, durchgeführt werden.
Das gleicht ja fast konspirativen Treffen. Keinen Arzt wird man dazu bringen, extra für ein Interview z.B. von einer Stunde auch noch eine Fahrt auf sich zu nehmen. Die Frage der Telefoninterviews oder auch online-/e-mail-Befragungen bleibt offen. Soll der Interviewer die Dienstzeit kontrollieren?Incentives sind lediglich ein Stimulus und „Dankeschön“ für die Teilnahme und dürfen nicht ein zentrales Motiv für die Teilnahme darstellen. Bei Befragungen von Ärzten sollen Incentives vorzugsweise in Form eines Geldbetrages gewährt werden.
Das zentrale Motiv ist immer, gerade bei niedergelassenen Ärzten oder privat liquidierenden Chefärzten, dass sie die Mindereinnahmen durch die Zeit des Interviews wieder wettmachen. Interviewfragen zu beantworten gehört auch nicht zur primären Motivation für den Arztberuf. Besonders, wenn die Fragen ziemlich bescheuert sind. Da darf es ruhig auch ein Schmerzensgeldzuschlag sein. Incentives müssen als Stimulus und „Dankeschön“ untersuchungs- und zielgruppenspezifisch neutral sein. Deshalb ist ihre Höhe sozial adäquat so zu gestalten, dass durch die Gewährung weder die Stichprobe verzerrt noch das Antwortverhalten der Befragten beeinflusst wird. Als diesbezüglicher Orientierungsrahmen soll vorzugsweise die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) herangezogen werden.
Hier wären wir wieder beim obigen Punkt. Wie hoch ist adäquat und wann wird ein zentrales Motiv daraus? Die GOÄ hat keinen Abrechungspunkt: Interview. Daher bestimmt am Ende doch der Markt das Honorar. Diese Forderung ist ein Feigenblatt ohne klare Beträge und Spielräume. Incentives dürfen nur vom die Befragung durchführenden Forschungsinstitut gewährt werden, nicht aber vom Auftraggeber der Befragung. Die Gewährung von Incentives ist auf geeignete Weise zu dokumentieren.
Indirekt zahlt es natürlich doch der Auftraggeber, da die Kosten Teil des Projektbudgets sind. Jedem Arzt ist klar, dass hinter einer Befragung oder einem Interview ein Auftraggeber aus der Pharma- oder Medizintechnikindustrie steckt. Die Gretchenfrage, die sich hinter dieser Forderung versteckt ist, ob der Auftraggeber genannt werden soll oder nicht. Methodisch sauber ist, wenn der Aufraggeber nicht genannt wird. Oftmals ist aber das Unternehmen oder Produkt aus den Fragen nachvollziehbar, gerade wenn es um Experteninterviews und neue Präparate oder Produkte geht. Denn: Der Experte zeichnet sich ja auch darin aus, dass er das Feld kennt und weiss, welche Studien laufen und was in der Pipeline der Industrie in seinem Fachgebiet ist. Wenn er nicht eh schon als Studienzentrum an den klinischen Studien für das neue Produkt teilnimmt.Die privatwirtschaftlichen Markt- und Sozialforschungsinstitute sowie die in gleicher Weise tätigen öffentlichen und privaten Forschungseinrichtungen sehen es als Teil ihrer gesellschaftlichen Verantwortung im Rahmen der Arzneimittelsicherheit, bei Befragungen von Ärzten vorsorglich auf die gemäß Arzneimittelgesetz bestehenden ärztlichen Meldepflichten von unerwünschten Arzneimittelwirkungen an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hinzuweisen. Dazu ist bei persönlich-mündlichen, schriftlichen oder online durchgeführten Interviews den befragten Ärzten am Ende des Interviews der dieser Richtlinie als Anlage 1 beigefügte Standardtext in Form eines Merkblattes zu übergeben bzw. vorzulegen. Bei telefonischen Interviews ist am Ende des Interviews der als Anlage 2 beigefügte Standardtext vorzulesen.
Vorsorglich. Aha. Da machen sich die Forschungsinstitute zu Hilfstruppen der Behörden und Verbänden. Wenn es die Ärzteschaft und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nicht schaffen, die ärztliche Meldepflicht zu etablieren - welchen Erfolg wird denn ein Interviewer wohl dann haben? Ich stelle mir im übrigen gerade vor, wie Edelmann oder andere PR-Agenturen sich der gesellschaftlichen Verantwortung im Rahmen der Arzneimittelsicherheit stellen. Bizarr.Grundsätzlich: Der Markt ist versaut. Die relevanten Experten werden mit Anfragen zu Interviews und Stellungnahmen überhäuft. Dazu kommen noch die Arbeitsbedingungen in der Klinik oder Praxis, die wenig Luft für solche Anfragen lassen. Ein klassicher Verkäufermarkt. Echte Reichtümer kann ein Arzt zwar mit solchen Honoraren nicht anhäufen - dafür müsste sowas sein Hauptberuf werden, aber die Stundensätze lassen oft genug selbst Berater von internationalen Unternehmensberatungen erblassen. [Ethik & Monetik]
Tagungsethik Die evangelische Akademie Loccum veranstaltet vom 6. bis 8. November 2006 eine Tagung zum Thema: Ethik (in) der pharmazeutischen Industrie. Welchen Interessen dient die Arzneimittelforschung? Wieder einmal wird hauptsächlich über die Pharmaindustrie gesprochen, aber nicht mit der Pharmaindustrie. Ethisches Handeln ist auch, den Anspruch des Tagungstitels einzulösen und mit relevanten Meinungsbildner aus der Pharmaindustrie zu diskutieren. Bei solch einer bunten Schar von Referenten, von BfArM über Ärzte ohne Grenzen, BUKO, ESIP, NAKOS, WIdO, Verbraucherzentrale bis zu universitärer Forschung, wird die Zahl der Teilnehmer von den Pharmaunternehmen klein sein. Sich vor einer pharmakritischen Kulisse wie dort als Unternehmensvertreter zu outen, ist eine Strafe, die sich niemand zumuten wird. Immerhin ist die Veranstaltung von der der Ärztekammer Niedersachsen als Fortbildungsmassnahme anerkannt und wird mit einem Punktwert 3 + 1 angerechnet. Man darf auf ein paar Ärzte hoffen. [Ethik & Monetik]
Who pays for the pizza? Das ist der Titel eines Aufsatzes im BMJ, der die Methoden der Einflussnahme der Pharmaindustrie auf die Ärzte beschreibt. Sozusagen Grundkurs in Pharmamarketing.
Die ganze Ausgabe des BMJ war diesem Thema gewidmet. [Ethik & Monetik]
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