Traumberuf Medizinjournalist (VI)

Focus online bringt mal wieder sein Lieblingsthema "Abnehmen". Neuer Wirkstoff hilft abnehmen. "... doppelt so effektiv wie die bereits zugelassenen Schlankpillen mit den Wirkstoffen Sibutramin oder Rimonabant". Vor lauter Begeisterung kein Hinweis darauf, dass
  • es eine Phase II-Studie war und bis zur Zulassung noch ein langer Weg ist.
  • die Studie vom Hersteller "NeuroSearch" bezahlt worden ist.
  • die geringen Nebenwirkungen auch auf die Auswahl der Studienteilnehmer zurückzuführen sind (z.B. wurden Patienten mit psychischen Erkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes ausgeschlossen).
  • der Wirkungsmechanismus über den Noradrenalin-, Serotonin- und Dopamin-Haushalt kein nebenwirkungsarmes Medikament erwarten lässt.
  • Sibutramin (Reductil®) in Deutschland aufgrund starker unerwünschter Nebenwirkungen als bedenklich im Sinne des Arzneimittelgesetzes eingestuft und nur in stark begrenzten Dosierungen als Arzneimittel zugelassen ist.
  • Rimonabant (Acomplia®) in den USA wegen des erhöhten Suizidrisikos nicht zugelassen ist.
  • in Europa die Zulassung von Rimonabant ohne eingehende Prüfung möglicher Risiken erfolgte und eine Warnung vor der Behandlung von depressiven Patienten ausgesprochen wurde und Patienten mit anderen unbehandelten psychiatrischen Erkrankungen die Einnahme nicht empfohlen wird.
Update: Auf Druck der europäischen Arzneimittelbehörde Emea muss der französische Pharmakonzern Sanofi-Aventis sein Schlankheits-Medikament Acomplia vom Markt nehmen.

Ein schönes Beispiel des Sensationsjournalismus bei Medizinthemen, der sachliche und vor allem fachlich korrekte Berichterstattung vermissen lässt. Unkritische Wissenschaftsgläubigkeit und grenzenlose Industriefreundlichkeit sind Paradedisziplinen der Branche.

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Abstract der Veröffentlichung
Studie bei ClinicalTrials.gov

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Noch ein Update (wird langsam unübersichtlich):
Focus online und ander erwähnen auch nicht, dass Astrup, der Studienleiter, Anteile des Tesofensin-Herstellers NeuroSearch hält.
 
[Journalismus]
Autor: strappato   2008-10-23   Link   (5 KommentareIhr Kommentar  



 

SPON entdeckt Ärztefortbildungen im Internet

Spiegel online hat die von der Pharmaindustrie finanzierten Fortbildungen im Internet als Thema entdeckt.

Danach will das Bundeskartellamt "wahrscheinlich exemplarisch gegen eine der Landesärztekammern vor Gericht ziehen", da diese die Fortbildungsportale zertifizieren.

Eigentlich nur das, was die Süddeustche Zeitung schon im Juli geschrieben hatte. Wenn das "wahrscheinlich" nicht wäre, hätte der Artikel sogar Neuigkeitswert.
 
[Journalismus]
Autor: strappato   2008-10-15   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  



 

(Auch) Süddeutsche Zeitung kritisiert Bankhofer

"Das Kräutermännlein aus dem Gesundheitsstadl" titelt die Süddeutsche Zeitung in ihrer Printausgabe den Artikel zum Rauswurf des Gesundheits-Papstes Hademar Bankhofer beim WDR. Danach haben nicht Blogs "Mr. Gesundheit" auf dem Gewissen, sondern der Leiter des deutschen Cochrane-Zentrums, Dr. Gerd Antes, hat die Affäre ins Rollen gebracht.

Antes hätte 2006 und 2008 sich bei der ARD, dem WDR und dem Landesrechnungshof NRW beschwert, da Bankhofer "in verantwortungsloser Weise scheinbares Expertenwissen verkündet, das keiner kritischen Überprüfung standhält". Zudem sei Schleichwerbung anzunehmen. Einige von Bankhofers Tipps hält Antes für gefährlich.

In dem Artikel zitiert SZ-Journalist Werner Bartens den Chefarzt der Inneren Medizin an der LMU München mit den Worten: "In der Fachwelt ist Bankhofer unbekannt oder wird nicht ernstgenommen". Das Gegenteil zu den immer wieder aufgestellten Behauptungen:
Aufgrund seiner engen Zusammenarbeit mit medizinischen Koryphäen ist er stets auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft und genießt so Anerkennung nicht nur bei einem breiten Publikum, sondern auch in medizinischen Fachkreisen.

Der Chefarzt fragt sich, welche Motivation dahinter stecke - in diesem Bereich würde viel Geld umgesetzt.
 
[Journalismus]
Autor: strappato   2008-07-25   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Traumberuf Medizinjournalist (V)

Wer glaubt, dass er alleine durch harte Arbeit ein erfolgreicher Medizinjournalist werden kann, liegt möglicherweise falsch:

Medienbüro Irene Scharditzky

Die Agentur, die Prof. Hademar Bankhofer über Österreich hinaus bekannt und beliebt gemacht hat!

Wir sind eine kleine aber "feine" PR-Agentur mit Full Service, die fit und erfahren in Marketing, Imageaufbau und Produkt PR ist, mit besten Kontakten zu auflagenstarken Printmedien, TV-Sendern und Hörfunk in Deutschland.

Wir beraten Sie kompetent in allen PR-Fragen und entwickeln erfolgreiche Strategien, Kampagnen und Konzepte.

[...]

Referenzen:

* Spitzner Arzneimittel (u.a. PR für Umckaloabo)
* EPI-Healthcare
* als Projektmanager 16 Jahre bei Ferenczy Publicity mit PR für Lichtwer Pharma, Schwarzwald Sanatorium oder Klosterfrau

 
[Journalismus]
Autor: hockeystick   2008-07-24   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Traumberuf Medizinjournalist (IV)

Der Stammzellpionier Professor Hans Schöler aus Münster hat vertrauliche Foren für Forscher vorgeschlagen, um den fachlichen Austausch zu fördern. Wer als Journalist an solchen Konferenzen teilnehmen wolle, sollte sich ebenso zur Vertraulichkeit verpflichten wie alle anwesenden Forscher. Die TAZ nennt das Maulkorb für Journalisten.

Bei der Stammzellforschung geht es um viel Geld und Ruhm. Fachzeitschriften lehnen Veröffentlichungen ab, wenn die Ergebnisse vorher schon in anderen Medien zirkulieren. Vor der Verschwiegendheitserklärung von Journalisten müsste eigentlich die Quelle trocken gelegt werden. Plappern gehört auch in der Wissenschaft zum Handwerk.

In einem Interview begründet Hans Schöler seine Forderung mit dem Sensationsjournalismus, der sachliche und vor allem fachlich korrekte Berichterstattung vermissen lässt. Bevor nun die Medizinjournalisten sich über den "Maulkorb" aufregen, wäre eine Reflektion der eigenen Tätigkeit angebracht.

Medizinjournalisten sollte es nicht schwerfallen, derartigen Ansprüchen für eine gesteuerte Berichterstattung gerecht zu werden. Unkritische Wissenschaftsgläubigkeit und grenzenlose Industriefreundlichkeit sind Paradedisziplinen der Branche.
 
[Journalismus]
Autor: strappato   2008-07-21   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Traumberuf Medizinjournalist (III)

Recherche steht in dem Ruf, eine ebenso lästige wie zeitfressende Randerscheinung des Journalistenberufes zu sein. Doch Recherche muss nicht beschwerlich sein. Denn hilfreiche Dienstleister haben nicht nur vorproduzierte Artikel und Beiträge im Angebot, sondern helfen den ehrgeizigeren Kollegen auch bei der Recherche:
Die Deutschen Journalisten Dienste GmbH (djd) starten am 3. Mai im Hamburg einen „Recherchetag Gesundheit“. Ein neues PR-Konzept: An nur einem Tag werden zehn verbrauchernahe Themen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung unter Beteiligung einer ansehnlichen Zahl von Gesundheitsexperten interessierten Journalisten präsentiert.

In lockerer Runde werden Gesundheitsthemen produktunabhängig diskutiert. Anschließend bleibt die Zeit für knallhartes Nachfragen bei ausgewiesenen Experten.

Eine runde Sache. Das findet auch der Veranstalter:
Wir sind zwar nicht unabhängig, aber trotzdem stolz darauf, seit über 15 Jahren gute Tipps, Texte und Themen für die Medien zu liefern.

(Teil 1, Teil 2)
 
[Journalismus]
Autor: hockeystick   2008-07-17   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  



 

Drei Jahre Haft für Medizinjournalisten

Urteil im Galavit-Prozess:
* Falko D., der 64-jährige Hauptangeklagte und Drahtzieher des Galavit-Imports, bekam sieben Jahre und drei Monate.
* Der Arzt Dr. Eike R. (67), der in der Bad Karlshafener Privatklinik "Carolinum" die Spritzen setzte, wurde zu fünf Jahren und acht Monaten verurteilt. Er wurde wegen Fluchtgefahr noch im Gerichtssaal in Untersuchungshaft genommen.
* Theodor von K.(59), Journalist und Reklamemann für das Russen-Pulver, hat drei [Jahre] abzusitzen.

Der Medizinjournalist hatte augenscheinlich in der Vergangenheit für den Stern und das ARD-Magazin Panorama kritisch über "dubiose Mediziner berichtet, die mit Krebskranken und ihrer Angst ein Millionengeschäft" machten und wurde dann offenbar selber Teil des Systems.
 
[Journalismus]
Autor: hockeystick   2008-07-15   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  



 

Vaginaverengungsschleichwerbung

Das Bildblog hat aufgeschrieben, wie sich die BILD-Zeitung in bemerkenswerter Weise für die kommerziellen Belange der Münchner Klinik "Sensualmedics" von Prof. Stefan Gress einsetzt.
 
[Journalismus]
Autor: hockeystick   2008-07-02   Link   (3 KommentareIhr Kommentar  



 

Deutsches Ärzteblatt verschweigt den Fall Eberhard S.

Der unrühmliche Abgang des deutschen Diabetes-Papstes Professor Eberhard S. ist kein Thema für das Deutsche Ärzteblatt. Auch in der Ausgabe vom 27.6. findet sich kein Wort zu den Vorgängen.

Bislang war die Beziehung zwischen dem industriefreundlichen Professor und der offiziellen Publikation der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung weniger distanziert. Eberhard S. ist in den vergangenen Jahren rund 15 Mal im Deutschen Ärzteblatt zu Wort gekommen. Auch seine Wahl zum Präsidenten der Deutschen Diabetes Union (DDU) war dem Blatt noch eine Meldung wert.

So nimmt das Ärzteblatt seinen Lesern allerdings auch die Möglichkeit, sich nötigenfalls selbst noch rechtzeitig mit einem Rechtsbeistand in Verbindung zu setzen.
 
[Journalismus]
Autor: hockeystick   2008-07-02   Link   (3 KommentareIhr Kommentar  



 

Traumberuf Medizinjournalist (II) (Update)

Im Prozess um den Millionenbetrug mit dem angeblichen Krebsheilmittel Galavit hat die Staatsanwaltschaft hohe Haftstrafen gefordert:
Für einen 59-jährigen Journalisten, der das vorgebliche Wundermittel unter anderem mit einer frei erfundenen Geschichte über die plötzliche Heilung des Schauspielers Ivan Desny beworben hatte, verlangte der Staatsanwalt dreieinhalb Jahre Haft.

Der Medizinjournalist Theodor (Theo) von K. hatte (offenbar im Jahr 1999 oder 2000) in SAT1 über das Mittel berichtet. Für jeden Galavit-Patienten soll von K. 500 Mark in bar kassiert haben. Im Jahr 2001 war der Skandal aufgeflogen.

Mir ist ein pikantes Detail aufgefallen: Ein Medizinjournalist gleichen Namens kam im Jahr 1998 im ARD-Magazin Panorama zu einem ähnlichen Thema zu Wort, allerdings aus einer deutlich anderen Perspektive:
Mein Kollege Theodor von K. [Name von mir abgekürzt] berichtet über Amigo-Wirtschaft und einen dubiosen Mediziner, der mit Krebskranken und ihrer Angst ein Millionengeschäft macht. Die Patienten, die Menschen, sind allen Beteiligten da offensichtlich so gut wie gleichgültig, Hauptsache, sie zahlen.

(Teil 1)

_
Update, 2.7.:

Offenbar hat Theodor von K. auch mehrfach für den Stern kritisch über den umstrittenen Münchner Mediziner Dr. Klehr berichtet. Dr. Klehr gehört wie der Angeklagte Dr. R. zu den Ärzten, die später in den Galavit-Skandal verstrickt waren. Beide Mediziner haben gemeinsam publiziert:
R., E., Mahl, A., Nasif, W., Klehr, N.W.: Anwendung von Eigenblut-Zytokinen in der Behandlung des fernmetastasierten Pankreaskarzinornes. Klinitschna Chirurgija (Zeitschr. Klinische Chirurgie) 8, 1996, 21-23
 
[Journalismus]
Autor: hockeystick   2008-07-01   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 



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