Traumberuf Medizinjournalist


 
[Journalismus]
Autor: hockeystick   2008-06-26   Link   (8 KommentareIhr Kommentar  



 

Ein ahnungsloser Journalist und fünf Todesfälle

Die Nachrichtenagenturen Reuters und AFP verbreiten aktuell die Meldung, dass in Großbritannien mittlerweile fünf Todesfälle im Zusammenhang mit der Einnahme der Abspeckpille Acomplia® gemeldet wurden.

Nicht vorstellen kann sich der Autor der AFP-Meldung, dass genau dieses Medikament in den USA, anders als in Europa, gar nicht erst zugelassen wurde. Es müsse sich dabei ja wohl um ein anderes Mittel gehandelt haben:
Einem ähnlichen Abspeckmittel, das Sanofi-Aventis auf den USA-Markt bringen wollte, verweigerte die Gesundheitsbehörde FDA im vergangenen Jahr die Zulassung.

 
[Journalismus]
Autor: hockeystick   2008-06-04   Link   (6 KommentareIhr Kommentar  



 

Qualität medizinischer Themen in Publikumsmedien

Publikumsmedien klären bei Medizinthemen zu wenig über die Risiken auf, hinfragen zu selten die Kosten, vergessen oft Behandlungsalternativen zu nennen - alles bekannt würde man sagen. Gary Schwitzer von der University of Minnesota hat sich in einem Forschungsprojekt die Mühe gemacht, 500 Artikel und TV-Beiträge zu Medizinthemen in den USA der letzten 22 Monate nach folgenden Kriterien zu bewerten:
  • Angemessene Diskussion der Kosten
  • Quantifizierung des Nutzens
  • Angemessene Erklärung und Quantifizierung der möglichen Nebenwirkungen
  • Vergleich der des neuen Ansatzes mit verfügbaren Alternativen
  • Auswahl von unabhängigen Quellen und Transparenz von potentiellen Interessenskonflikten
  • Vermeidung von "disease mongering" (Deklarieren normaler
  • Lebensabläufe oder individueller Mängel als therapiebedürftige Krankheiten)
  • Überprüfung der Studienmethodik und der Evidenz
  • Ermitteln der wahren Neuigkeit das Ansatzes
  • Ermitteln der Verfügbarkeit der Produktes oder der Therapie
  • Nicht alleiniges oder hauptsächliches Vertrauen auf einer Pressemitteilung
Anspruchsvolle Kriterien. Die Ergebnisse:
Beispielsweise wurde nur in einem Drittel der Meldungen über Nebenwirkungen berichtet und 38% hatten den Gegenstand der Berichterstattung angemessen in Bezug zu existierenden Alternativen gesetzt.

Wie hätte das Ergebnis bei der Bewertung deutschsprachiger Medien ausgesehen? Also: "How Do German Journalists Cover Treatments, Tests, Products, and Procedures"? Ich bin mir sicher: deprimierend. Dagegen wären die US-Medien, würde man die Studienresultate vergleichen, echte Qualitätserzeugnisse.

Der Autor sieht die Studie als Start zu einer breiten Diskussion über die vertrauenswürdige Kommunikation von medizinischen Themen.
We think that our project's findings should be a cause for reflection by all parties involved in the dissemination of news and information to journalists covering health and medicine—including medical journals, government agencies, industry, academic medical centers, and individual clinicians and researchers.

Journalisten lässt Gary Schwitzer da aussen vor - möglicherweise ist er als Journalismus-Professor nicht ganz frei von "conflict of interests". In Deutschland sehe ich jedoch bei der Qualität und Ausbildung der Medizinjournalisten die Hauptschuld an der dominierenden unkritischen, sensationsheischenden Hurra-Berichterstattung über neue Therapien und Forschungsergebnisse.

--
Garry Schwitzer bloggt auch.
 
[Journalismus]
Autor: strappato   2008-05-29   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  



 

Amstetten und die Photomedizin

Die ZEIT wird ihrem Image als das deutsche Blatt für die akademische Elite gerecht und widmet sich umfängliche der Frage nach den physiologisch-gesundheitlichen Folgen eines 24-jährigen Kelleraufenthalts.

Da könnte man sich übergeben.
 
[Journalismus]
Autor: strappato   2008-05-03   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

dpa schreibt Bio-Lehrpläne neu

Bislang gingen Wissenschaftler davon aus, dass das Geschlecht ausschließlich genetisch durch das Spermium bestimmt werde, das in die Eizelle eindringt.
(aus einer dpa-Meldung, die heute in verschiedenen Tageszeitungen und Online-Medien erschienen ist)
 
[Journalismus]
Autor: hockeystick   2008-04-23   Link   (4 KommentareIhr Kommentar  



 

ORF schweigt und startet Cholesterin-Kampagne

Nach der öffentlichen Ankündigung von Becel-Schleichwerbung, die in der ORF-Sendung "Winterzeit" ausgestrahlt werden sollte, gab es bereits vor zwei Wochen ein wenig Bewegung. Die Zeitung "Der Standard" fragte beim ORF sowie bei den zuständigen Agenturen WWP (Werbung) und alphaaffairs (PR) nach. Es handele sich alles nur um ein Missverständnis, jedenfalls sei die Reihenfolge anders herum gewesen:
Dienstag rief der Kreativdirektor von WWP zurück: "medianet" habe "falsch interpretiert". "Winterzeit" habe das Thema beschlossen, Eberharter und Diätologin eingeladen, dann hätte die ORF-Werbung die Patronanz gekeilt.

[...]

Peter Sitte von alphaaffairs, "alphaaffairs-Leistungen für die 'Initiative Herzgesundheit' betreffen ausschließlich redaktionelle PR für Print und Online Fach- und Tagesmedien sowie spezielle Aktionen in ausgewählten Fitness-Studios, kein TV-Themenplacement von Stefan Eberharter oder der Diätologin der Firma Unilever/Becel". Sitte weiter: "alphaaffairs kennt die Gesetzeslage und wir achten die Mediengesetze."

Das ORF und die Sendung "Winterzeit" antworteten nicht auf die Anfrage von "der Standard". Statt dessen startet das ORF ab heute einen neuen Themenschwerpunkt "Bewusst gesund - unser Herz". Kern der Kampagne ist offenbar die Falschinformation
Der wichtigste Risikofaktor bei diesen Erkrankungen ist das Cholesterin.

 
[Journalismus]
Autor: hockeystick   2008-02-28   Link   (5 KommentareIhr Kommentar  



 

Churnalisten


Die Journalisten seien im „professionellen Käfig“ ihrer „Nachrichtenfabriken“ gefangen und zu „Churnalisten“ verkommen (nach „to churn out“: auswerfen).

Die FAZ stellt Flat Earth News vor, ein Buch des Journalisten Nick Davies vor, das mit der britischen Qualitätspresse abrechnet.

"Ich war gezwungen, mir einzugestehen, dass ich in einer korrumpierten Profession arbeite", lautet Davies’ Fazit. Er sehe in der Qualitätspresse – aber auch im Rundfunk – Nachrichten, die vom gleichen Kaliber seien wie die, dass die Erde eine Scheibe sei.

Trifft wohl nicht nur auf die Medien im Vereinigten Königreich zu.
 
[Journalismus]
Autor: strappato   2008-02-10   Link   (5 KommentareIhr Kommentar  



 

Brisante Themen zu kompliziert für Journalisten

Die Initiative Nachrichtenaufklärung identifiziert jedes Jahr die Top 10 der gesellschaftlich brisanten Themen, die die deutschsprachigen Medien unter den Tisch fallen lassen:
Ein Hauptgrund für die Vernachlässigung relevanter oder brisanter Themen sei, dass sie zu kompliziert sind und nicht in kurzer Zeit recherchiert und in kurzer Form verständlich dargestellt werden können, sagte Jury-Mitglied Peter Ludes von der Jacobs University Bremen. "Das ist eine Kosten-Nutzen-Analyse." Journalisten stünden unter enormem Zeitdruck. Gleichzeitig litten sie unter dem Druck von Anzeigenkunden oder auch von Unternehmen und Lobbyisten, die die Berichterstattung über heikle Nachrichten mit Prozessandrohungen verhinderten.

Themen wie der jüngst von den deutschen Medien ignorierte Zyprexa-Skandal mit Tausenden von Opfern und Schadenersatzzahlungen in Milliardenhöhe sind offenbar so kompliziert, dass sie auch von der Initiative Nachrichtenaufklärung nicht in kurzer Zeit recherchiert werden konnten. Das Thema "Gesundheitlicher Verbraucherschutz und Patientenrechte" schaffte es zuletzt 1998 in die Top 10 der vernachlässigten Themen.
 
[Journalismus]
Autor: hockeystick   2008-02-08   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Becel-Schleichwerbung im ORF

Becel (Unilever) startete gemeinsam mit dem ehemaligen Skiprofi Stephan Eberharter und dem Sozialmediziner Michael Kunze sowie mit der Diätologin Andrea Hofbauer vom Becel-Institut eine Initiative für die Herzgesundheit. Die Werbekampagne dazu wurde von der Agentur WWP Weirather-Wenzel & Partner gestaltet und umgesetzt – für sämtliche PR-Agenden zeichnet die PR-Agentur alphaaffairs verantwortlich.

[...]

„Außerdem wurde eine Kooperation mit ‚ORF‘-Winterzeit abgeschlossen, bei der das Thema Cholesterin über den Zeitraum von drei Wochen immer wieder redaktionell vorkommt und neben Stephan Eberharter auch die Diätologin vom Becel-Institut als Studiogäste über das Thema Herzgesundheit & Cholesterin aufklären werden“, erläutert Martin Grüner.

[...]

In diesen drei Wochen übernimmt Becel auch die Patronanz für ‚ORF Winterzeit‘ mit Presenting-Trailern vor und nach der Sendung, geht Grüner weiter ins Detail. Auch die ‚ORF Nachlese‘ hat sich dem Thema Cholesterin verschrieben: in Form von Bewegungstipps sowie eines redaktionellen Berichts. Auf diese Weise sollen die Konsumenten aufgerufen werden, „mit Becel pro-activ und dem Know-how von Stephan Eberharter in puncto gesunder und ausgewogener Ernährung sowie einem einfachen Bewegungsprogramm in nur drei Wochen nachweislich den Cholesterinspiegel zu senken“, so Grüner.
(Quelle)
 
[Journalismus]
Autor: hockeystick   2008-01-29   Link   (7 KommentareIhr Kommentar  



 

„Qualitätsstandards sind gefragt“

Bei der gestrigen Diskussionsrunde in Berlin hat sich Hans-Ulrich Jörges vom Stern dafür stark gemacht, dass journalistische Onlineprodukte in Zukunft definierte Qualitätsstandards einhalten möchten.

Bei der Ausformulierung könnte ihm ein Fallbeispiel aus dem eigenen Hause behilflich sein. Dieses habe ich schon in den Kommentaren zur Sprache gebracht, möchte es aber auf besonderen Wunsch noch einmal in angemessener Weise würdigen.

1. Der Marktführer für Schönheitsoperationen in Deutschland ist die Klinikkette Mang Medical One AG, durch Fusion aus der Klinikkette Medical One AG und der "Bodenseeklinik" des selbst weniger schönen Schönheitschirurgen und dennoch im Fernsehen omnipräsenten HNO-Arztes Werner Mang hervorgegangen. Die Kette gibt laut einem Spiegel-Bericht 28/2007 enorme Summen für Marketing und PR aus und sei nicht zuletzt deshalb hochdefizitär.

2. Die Medical One AG findet sich in den Referenzen der MCG Medical Consulting Group, einer "Unternehmensberatung für Kommunikation mit Sitz in Düsseldorf, deren Kunden aus dem Medizin- und Pharmamarkt stammen" (wer behauptet, die MCG sei eine Düsseldorfer Marketingagentur für Medizinprodukte, muss mit anwaltlichem Widerspruch rechnen). Die MCG war oder ist daneben auch über personelle Verflechtungen mit der Klinikkette verbunden; MCG-Geschäftsführer Guido M. wurde vom Handelsregister als einer der Hauptaktionäre der Medical One AG ausgewiesen. Teil des Leistungsumfangs:
In Kooperation mit einem unserer Netzwerk-Partner haben wir ergänzend eine Vermarktungsstrategie entwickelt, die den Kontakt mit den Usern im Internet genau dort herstellt, wo nach Informationen rund um die Leistungsspektren der Medical One AG gesucht wird. Eine Vier-Flanken-Strategie bestehend aus Key-Word-Targeting, Pop-Up-Kampagne, Online-Kooperationen und einer cross-medialen-Verkoppelung stellt sicher, dass sich ein Interessent und damit ein potentieller Patient zwangsläufig irgendwann auf der Internetplattform der Medical One AG wiederfindet.

3. Der "Informationsanbieter für Medizin, Gesundheit und Wellness" BertelsmannSpringer Medizin Online (BSMO) [Edit: firmiert mittlerweile als BSMO Business Solutions Medicine Online] zählt neben unzähligen Pharmafirmen auch die Medical Consulting Group zu seinen Kunden. Die Mission von BSMO ist klar:
Gemeinsam entwickeln wir mit Ihnen Konzepte und die dahinter stehenden Lösungen, die Ihre Produkte erfolgreich bei Ihrer Zielgruppe positionieren.

4. Stern.de wird von BSMO mit "medizinischen Inhalten" versorgt:.
Wir freuen uns, die User von stern.de ab sofort mit weiteren aufschlussreichen Beiträgen und nützlichen Ratschlägen rund um Ernährung, Wellness und Medizin zu versorgen.

5. Bei stern.de (und auch im gedruckten Stern) gibt es immer wieder wohlwollende Berichte und Serien über Schönheitsoperationen. Unter der Überschrift "Dünner, hübscher, jugendlicher" ist beispielsweise zu lesen:
Jürgen Tacke, Plastischer Chirurg an der Hamburger Medical-One-Klinik, hat kurz vor dem Eingriff die Problemzonen an Manuela Ehlers Bauch mit einem Spezialstift markiert. Jetzt schneidet er an den blauen Linien mit einem Skalpell in die Haut.
Tenor des Artikels: Schönheitsoperationen liegen voll im Trend, sollten aber von qualifizierten Kräften durchgeführt werden:
Dass keineswegs nur seriöse Körper-Künstler am Werk sind, zeigt auch der Fall eines Chirurgen, der im vergangenen Jahr vom Hamburger Landgericht wegen 15 verpfuschter Operationen verurteilt wurde. Er hatte beim Fettabsaugen in seiner Privatpraxis "Face Aesthetik" Dellen und Krater an Beinen, Bauch und Gesicht fabriziert und unterschiedlich große Brüste modelliert.
Das passt ganz hervorragend zum zentralen Claim der Medical One AG:
Nach dem Grundsatz "Sicher zum gewünschten Ziel" arbeiten die Kliniken der Medical One AG bundesweit nach den gleichen Standards: die Leitung der Häuser liegt ausschließlich in den Händen von plastischen Chirurgen mit Spezialisierung auf den Ästhetischen Bereich, alle Kliniken sind staatlich konzessioniert, Produkte und Materialien sind zertifiziert und die Behandlungsqualität wird intern durch eine Qualitätskommission und extern durch ein unabhängiges Gremium kontrolliert.

Win-Win-Win-Win-Journalismus.

_

Dass die BSMO an der Seite der MCG in Sachen Schönheitsoperationen unterwegs war, kann man übrigens auch hier nachlesen.
 
[Journalismus]
Autor: hockeystick   2008-01-11   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  



 



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