Mother's baby, father's maybe

Der Bundestag hat eine Neuregelung zur Feststellung der Vaterschaft beschlossen.

Wieder einmal ein Stopfen von Löchern und Reaktion auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts und die Verfügbarkeit von preiswerten Gentests. Der überfällige grossen Wurf, ein umfassendes Gendiagnostik-Gesetz, steht immer noch aus. In ihm sollte der Umgang mit Gentests geregelt werden. Denn genetischen Analysen betreffen nicht nur Abstammungstests, sondern auch die Diagnose von genetische Veranlagungen, die Krankheitsrisiken erhöhen können. Wer darf diese Tests durchführen, welche Qualitätskriterien werden angelegt und wie wird der Schutz dieser personenbezogener Informationen z.B. gegenüber Versicherungen oder Arbeitgebern gewährleistet?

Das Gesetz war schon 2000 angekündigt worden, als Referentenentwurf vorgestellt und bis 2005 verschleppt worden. Dann kam die grosse Koalition und das Thema geriet in Vergessenheit. Vor fünf Jahren hätte es den Markt der diagnostischen Methoden und die gesellschaftliche Diskussion über ethische und datenschutzrechtliche Gefahren gestaltet. Wenn der nächste Bundestag ab 2009 sich an die Arbeit macht, kann ein solches Gesetz nur den dynamischen Entwicklungen der Genmedizin hinterherlaufen und die gröbsten unerwünschten Nebenwirkungen, die aus dem Fortschritt bei der humangenetischen Forschung und der Fülle neuer diagnostischer und therapeutischer Möglichkeiten resultieren, auffangen. Unternehmen wie 23andMe oder deCODEme stehen am Start mit der klaren Zielsetzung, ihre Vorstellungen von der "Brave New Geneworld" zum ethischen Standard zu machen.

Die Bundestagsfraktion der Grünen hatte im Mai 2007 einen eigenen pdf-DateiGesetzentwurf zu einem Gendiagnostikgesetz in den Bundestag eingebracht, der in Grundzügen auf dem Referentenentwurf aus der rot-grünen Koalition basiert. Das pdf-DateiProtokoll (ab Seite 10153) der Bundestagssitzung dokumentiert die Kluft zwischen der in allen Parteien akzeptierten Notwendigkeit gesetzlicher Regelungen und der fehlenden Einsicht in die gesellschaftliche Relevanz, die dafür sorgt, dass die Verabschiedung eines Gesetzes noch lange auf sich warten lässt - zum Nachteil aller Bürgerinnen und Bürger.
"Weil sich die Wissenschaft so nahe an den Menschen herantastet, sie also sozusagen eine Art Persönlichkeitsprofil bzw. Schicksalsprofil entwerfen will, bedarf es ganz besonders des Schutzes durch den Gesetzgeber."
Konrad Schily (FDP), Arzt und ehemaliger Präsident der Universität Witten/Herdecke in der Debatte.
 
[Politik]
Autor: strappato   2008-02-22   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Lauterbach beklagt Ungerechtigkeit bei Organvergabe

Die Statisiken der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), die Transplantationen in Deutschland organisiert, haben mit Verspätung auch Karl Lauterbach auf die Idee gebracht, dass Privatpatienten bevorzugt werden.

Der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wodarg hatte vor zwei Wochen auf die vermeintliche Bevorzung von Privatversicherten bei der Vergabe von Spenderorganen hingwiesen. Das gipfelte in der Forderung, Kassenpatienten die Möglichkeit zu geben, zu verfügen, dass im Falle einer Transplantation von ihren Organen keine privatversicherten Patienten profitieren.

Soweit geht Lauterbach nicht. Denn der SPD-Gesundheitsexperte ist nicht als Politiker unterwegs. Er hat sich dafür den Talar des Leiters des Institut für Gesundheitsökonomie der Universität Köln angezogen - pdf-DateiStruktur der Transplantationen in Deutschland in den Jahren 2004 und 2005. Wo der umtriebige Bundestagsabgeordnete Lauterbach übrigens zum Bedauern seiner Mitarbeiter und der Universitätsleitung sonst zu selten gesehen wird.

Selbst akademische Weihen machen die Zahlen, die ohne Prüfung von den Kliniken übernommen werden, qualitativ nicht besser. Zwar ist die Organisation der Transplantationen in Deutschland ein typisches Beispiel für Intransparenz und mangelnde Verantwortung. Doch muss sich Lauterbach angesichts der dürftigen Datenlage fragen lassen, ob er das Institut, dessen Renommee gerne betont wird, nicht vor seinen politischen Karren spannt.
 
[Politik]
Autor: strappato   2007-12-15   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  



 

Ich bremse nur für GKV-Versicherte

Beim Vorschlag des Bundestagsabgeordneten Wolfgang Wodarg, nur Kassenpatienten bei der Transplantation Organe von Kassenpatienten zugänglich zu machen, staunt man über die mangelnde medizinische Ethik von Gesundheitspolitikern. Im Grunde unterscheidet sich diese Forderung in ihrer moralischen Fragwürdigkeit nicht von Ideen seiner Politkollegen. Dass Wodarg im von Beruf Arzt ist, tritt verschärfend hinzu, verstösst es doch gegen jegliche Grundlagen ärztlicher Ethik und ärztlichen Handelns. Hoffentlich erinnern sich die Mediziner daran, wenn die Ärzte Zeitung oder andere Standesblätter das nächste Mal einen "Kollegen" feiern, der ein politisches Mandat oder Amt errungen hat.

Kann der Organspender auch angeben, dass sein Organ nicht an Politiker geht?

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Zur Ergänzung: Von 2002 bis 2005 war Wodarg Sprecher der SPD-Fraktion in der Enquête-Kommission "Ethik und Recht der modernen Medizin". Noch Fragen zur Gesundheitspolitik?
 
[Politik]
Autor: strappato   2007-11-29   Link   (2 KommentareIhr Kommentar  



 

Pharmaindustrie-Lobby in den USA

Die FAZ beschäftigt sich mit dem Stellenwert der Gesundheitsversorgung als Thema im US-Vorwahlkampf. Der Bericht des Washingtoner Korrespondenten mündet in einem Kommentar, der Wettbewerb und Eigenverantwortung, die Grundpfeiler der USA in Gefahr sieht.
Statt nur am Symptom der hohen Zahl von Nichtversicherten herumzukurieren, muss die Ursache der hohen Kosten beseitigt werden. Nicht weniger, sondern mehr Wettbewerb im amerikanischen Gesundheitswesen ist hierzu notwendig. Das gilt mit Blick auf Ärzte und Krankenhäuser ebenso wie für die Pharmaindustrie und für Versicherungen. Ein schärferer Konkurrenzdruck und mündige, aufgeklärte Verbraucher bieten die besten Chancen, dass erstklassige Gesundheitsdienstleistungen und wirksame Medikamente zu bezahlbaren Preisen zu haben sind.

Da kann man anderer Meinung sein. Nur ist diese Einschätzung meilenweit entfernt von der Wahlkampfrealität. Pharmakonzerne, Versicherungen, Krankenhäuser, Ärzte - keiner will den Wettbewerb mit Konkurrenzdruck. Dafür wird im Wahlkampf einiges eingesetzt. In der Vergangenheit hat sich die Medizinindustrie als ergiebige Quelle für Wahlkampfspenden und Lobbyistenzuwendungen erwiesen.

Ein aktuelles Beispiel, wie Meinung gemacht wird: In der sonst seriös-liberalen NY Times durfte Peter Pitts, Vice-Präsident einer PR-Agentur, die Pharmakonzerne zu ihren Kunden zählt, die Meinung seiner Auftraggeber in der op-ed Kolumne verkünden. Aufgetreten ist er jedoch als Präsident des Center for Medicine in the Public Interest, a nonprofit organization that receives financing from the pharmaceutical industry. Einer Astroturfing-Organisation der Pharmaindustrie.

Bewertung des Nutzens von Arzneimitteln in direktem Vergleich, wie es IQWiG, NICE und Institutionen in anderen Ländern machen und deren Ergebnisse als Entscheidungsgrundlage für die Erstattung dienen, ist für Pitts Teufelszeug. Was nun nicht verwundert.

Neben Pitts im Center for Medicine in the Public Interest: Robert Goldberg, ehemaliger Direktor des Manhattan Institutes, das auch den republikanischen Kandidaten und Pharmalobbyisten Rudy Giuliani mit fragwürdigen Argumenten versorgt.

Ein Problem der Amerikaner? Nicht alleine. Mit dabei ist auch Jacob Arfwedson. Ein Schwede, mit besten Beziehungen zu neoliberalen, von der Pharmaindustrie finanzierten europäischen Thinktanks, wie das Centre for the New Europe, Stockholm Network, Timbro, Institut Euro 92.

Die in der FAZ beschworene ausgezeichnete Qualität des amerikanischen Gesundheitswesens offenbart sich besonders bei der Einflussnahme auf die Politik. Weltklasse. Doch Europa holt auf.
 
[Politik]
Autor: strappato   2007-11-04   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  



 

Ulla Schmidts Anbaupläne

Das Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler listet insgesamt 107 Beispielfälle auf, bei denen die gesetzlich verankerten Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit missachtet wurden. Darunter Fall 15 - das Bundesgesundheitsministerium.

Während alle Verbände und Organisationen der Selbstverwaltung, wie Kassenärztliche Bundesvereinigung, Bundesärztekammer, AOK-Bundesverband, Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Bundeszahnärztekammer, Deutsche Krankenhausgesellschaft und die Verbände und Lobbyisten der Pharmakonzerne nach Berlin gezogen sind, harren 400 der 650 Beamten und Angestellten von Ulla Schmidt in Bonn aus. In informellen Gesprächen habe ich von Mitarbeitern erfahren, dass diese sich in Bonn abgeschoben vorkommen. Die Dienstherrin lässt sich nur selten blicken. Die Kommunikation ist teilweise holprig. 2004 musste der komplette Gesundheitsausschuss des Bundestags unverrichteter Dinge auseinander gehen, weil die benötigten Akten aus Bonn nicht vorlagen.

In Bonn werden derweil mit einem Neubau Fakten zementiert. Erst ab 2015 wird mit diesem Gebäude Geld gespart, da eine Anmietung dann teurer kommen würde. Ob jedoch in 8 Jahren das Gesundheitsministerium noch in Bonn einen Dienstsitz hat, ist ungewiss. Gerüchten zufolge soll in Berlin schon der Umzug des Ministeriums vorbereitet sein.

Der Bericht des Steuerzahlerbunds setzt dem noch die Krone auf: Danach stellt sich der Neubau als zu klein heraus. Anstatt dies für eine weitere Verlagerung von Aufgaben nach Berlin zu nutzen, dort ist der Büroimmobilienmarkt eher entspannt, wird ein Anbau geplant. Symbolische Politik in Beton gegossen auf Kosten der Bürger.

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Update
Das Gesundheitsministerium empfindet die Vorwürfe als Miesmacherei.
 
[Politik]
Autor: strappato   2007-09-27   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Vorgekaute PR

Nicht nur Familienministerin Röschen von der Leyen bringt ihre frohe Botschaft per vorgefertigte PR-Radiobeiträge ans Volk. Das Gesundheitsministerium steht da nicht nach. Alexander Svensson von Wortfeld hat vier Clips gefunden, in denen die Wohltaten der Gesundheitsreform journalistisch verbrämt die Radiohörer begeistern sollen.
 
[Politik]
Autor: strappato   2007-08-29   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

EU-Kommission lädt zu Konsultation ein

Die Europäische Kommission, Ressort Unternehmen und Industrie, lädt zum Diskussion über die Zukunft der Arzneimittel ein. Dazu ist ein pdf-DateiPapier veröffentlicht worden und alle Beteiligten im Gesundheitswesen, beispielsweise Patientenorganisationen, Industrieverbände oder Einzelpersonen sind aufgerufen, die Ausgangsannahmen zu kommentieren. Ganz grob:
  • Europa muss wieder zur Apotheke der Welt werden
  • Abbau von unnötigen Regulationen, die besonders die Wettbewerbsfähigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen behindern
  • Harmonisierung des Arzneimittelmarktes
  • Vereinheitlichung der Pharmakovigilanz
  • Massnahmen für die Patientensicherheit und gegen Arzneimittelfälschungen im Hinblick auf Parallelhandel
  • Besserer Zugang für Patienten zu Arzneimittelinformationen
  • Berücksichtigung neuer Entwicklungen wie Gentherapie, Stammzellentherapie, Nanomedizin bei den Rahmenbedingungen
Alles sehr industriefreundlich formuliert. Etwas anderes hätte man von einer EU-Kommission nicht erwartet, die sich ihren Bericht zur Zukunft der Finanzierung des Gesundheitswesens von Pfizer finanzieren und gegenlesen lässt.
 
[Politik]
Autor: strappato   2007-08-13   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Auftrags-Lobbyisten

Dass "Leiharbeiter" aus Verbänden und der Industrie in Bundesministerien tätig sind, ist schon länger bekannt. Nun hat Lobby Control eine neue Liste veröffentlicht. Ergebnis: Nichts Neues im Gesundheitsminsiterium (BMG). Die Allgemeine Ortskrankenkassen (AOK), die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK), die Techniker Krankenkasse (TKK), die Werbe- und Vertriebsgesellschaft Deutsche Apotheker, alles bekannt. Für Irritationen sorgte das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), aus dem mehrere Mitarbeiter mindestens bis Mai 2007 abgeordnet waren. Aus der Beschreibung bei Lobby Control wird der Leser auch nicht schlau. Will Bundesministerin Schmidt die Pharmaindustrie auf den Mond schiessen?

Wollen wir mal ein wenig helfen: Das DLR ist Projekträger für die Forschungsförderung des Bundesministerium für Gesundheit. Das heisst, diese DLR-Mitarbeiter sind im Auftrag des Ministeriums tätig. Warum sollen dann nicht ein paar davon ihren Schreibtisch nicht im Ministerium haben? Das erleichtert die Zusammenarbeit mit den zuständigen Abteilungen ungemein. Jeder, der schon einmal ein Projekt für das BMG mit der DLR als Projektträger durchgeführt hat, weiss, wie schnell man zwischen die bürokratischen Mühlsteine von Ministerium und Projektträger geraten kann. Würde mich wundern, wenn im Bundesforschungsministerium keine DLR-Mitarbeiter zu finden wären.

Das BMG beschäftigt also selbst beauftragte Lobbyisten in seinen Räumen. Hoffentlich ist der Rest der Lobby Control-Liste besser recherchiert.
 
[Politik]
Autor: strappato   2007-07-27   Link   (2 KommentareIhr Kommentar  



 

Das hier ist kein Politikblog - jetzt amtlich!

"Demokratie24" hat mein blog ohne Erklärung aus den Politikblogs rausgeschmissen. Anscheinend zu unpolitisch hier. Jetzt sind fast nur noch blogs von Parteien, Lobbygruppen, Mandatsträgern und ein paar Medien in der Übersicht.

Politischer geht es da z.B. bei Alexander Sempf zu, der als Politblogger in dem Portal geführt wird. Untertauchen ist ja eine politische Disziplin, die dem Politnachwuchs bei der weiteren Karriere noch helfen könnte. Das beherrscht auch Anna Lührmann: Das "moblog" der Vorzeige-Jungpolitikerin hat dieses Jahr erst 2 Einträge zu verzeichnen.
 
[Politik]
Autor: strappato   2007-05-22   Link   (8 KommentareIhr Kommentar  



 

Freibier

Kein Freibier, aber Frei-Medikamente - so ähnlich muss es in der Haftanstalt Berlin-Moabit zugegangen sein. Die taz berichtet über den Schlagabtausch im Rechtsausschuss und zeichnet den Weg des "Pillenhandels ohne jede Kontrolle" auf.

Im Artikel wird der Leiter der Untersuchungskommission zitiert:
Jeder vom medizinischen Personal habe ungehinderten Zugang zu den Medikamenten, auch zu den Betäubungsmitteln. Es werde keine Dokumentation über die Vorratshaltung geführt. Jeder Pfleger habe Medikamente bestellen können. Selbst auf Bestellungen ohne Unterschrift hat die auswärtige Apotheke geliefert. Ein Vergleich zwischen Bestellung und Lieferung fand nicht statt. Der Vertrag mit der Zulieferer-Apotheke erfolgte ohne öffentliche Ausschreibung. Seit 2003 mahnt der Rechnungshofs, die Ausschreibung nachzuholen - ohne Reaktion.

 
[Politik]
Autor: strappato   2007-05-18   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 



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