Verträge und Kosten - ohne Blick auf den Patienten

Ein paar Splitter aus dem deutschen Gesundheitswesen.

Die FAZ berichtet über den "im Moment kreativsten Pharmamarkt der Welt" und wie die Pharmaunternehmen versuchen trotz Kostendruck die Preise hoch zu halten. Ein interessanter Blick auf die Komplexität unseres Gesundheitssystems. In dem Artikel geht es nur um die Versorgung mit Medikamenten, mit 3596 Rabattvertägen zwischen einzelnen Krankenkassen und Herstellern, mit Cost-Sharing- und Risk-Sharing-Verträgen. Was die Rabattverträge an Einsparungen bringen ist unbekannt, da es an Transparenz fehlt. Dem Patienten bleibt nur die Verunsicherung.

Neben den Rabattverträgen gibt es 5500 Pojekte der Integrierten Versorgung. Die gesonderte finanzielle Förderung dieser Verträge läuft 2008 aus. Wie es weiter geht, ist offen. Nach einer kürzlich pdf-Dateiveröffentlichten Kleinen Anfrage der Bundestagsfraktion von der Grünen erwartet das Bundesgesundheitsministerium bestenfalls Kostensenkungen.
Entscheidungen über die Weiterführung oder Beendigung von Verträgen werden u. a. davon abhängen, ob Verträge die Wirtschaftlichkeit erhöht, die Qualität gesteigert und/oder die Versichertenbindung an die jeweilige Krankenkasse gefestigt haben bzw. zu erwarten ist, dass solche positiven Effekte in einer vertretbaren Laufzeit der Verträge eintreten.
Der Nutzen für die Patienten, womöglich sogar wissenschaftlich evaluiert, - Begründung für die Einführung - spielt keine Rolle mehr.

Für die stationäre Versorgung haben die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der Verband der privaten Krankenversicherung (PKV) den Fallpauschalen-Katalog für 2009 verabschiedet. Er enthält nun 1192 Fallpauschalen (DRGs) nach denen die Patienten anhand der Diagnosen und der durchgeführten Behandlungen in Fallgruppen klassifiziert werden. 55 mehr als 2008. Der Trend ist ungebrochen.

Viel Arbeit für die Krankenhäuser und für die Regressfahnder in den Krankenkassen, die nach Verkodungsfehler suchen. Der Patient profitiert von der immer ausgefeilteren Klassifizierung nicht.

Noch im Programm: Eine dreistellige Anzahl von Disease Management Programmen (DMPs), die von den Patienten gut angenommen worden sind. Für Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 und 2, Koronare Herzkrankheiten, Asthma bronchiale, COPD und Brustkrebs erhielten die Krankenkassen Zuschläge aus dem Risikostrukturausgleich, wenn diese chronisch Kranken an einem DMP teilnehmen. Mit dem Gesundheitsfonds und der Änderung des Risikostrukturausgleichs fallen die besonderen finanziellen Anreize bis auf eine Programmpauschale von 180 Euro pro Patient weg. Die 5 Millionen teilnehmenden Patienten werden sich auf eine Verschlechterung der Versorgung einstellen müssen.
 
[Politik]
Autor: strappato   2008-09-29   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Nachwehen einer Ausschussreise

Der Spiegel-Artikel über eine Reise des Bundestagsgesundheitsausschuss nach Kalifornien hat für mächtig Wirbel gesorgt. Nur ein Beispiel: Handelsblattblogger Thomas Knüwer hat den Tenor des Spiegels aufgenommen und die Reisegruppe mit einem Kegelclub auf Jahresausflug verglichen.

Einem Journalisten wie Knüwer sollte eigentlich in den Kopf kommen, ob die Darstellung des Spiegel stimmt und was wohl der Anlass der Dienstreise gewesen war. Stattdessen wird über Shopping und Freizeit spekuliert. Als Fachblogger hat mich der Fall interessiert und ich habe recherchiert.

Zum einen der Wahrheitsgehalt des Artikels. Da verschaffen die Ruhr-Nachrichten ein wenig Einblick mit den Stellungnahmen des Bundestagsabgeordneten Hubert Hüppe.

Zum Vorwurf "First Class":
Hüppe verwies auf seine Miles&More-Abrechnung: "San Francisco - Frankfurt, Business Class". Nein, First Class sei er nicht geflogen, musste Hüppe am Montag des Öfteren erklären.
Im Westfälischen Anzeiger erklärt Hüppe, er habe sogar angeboten Economy zu fliegen, weil nicht für alle Plätze da gewesen wären.

Zur "Englisch-Schwäche":
Um den Wagen zum Flughafen habe er in der Tat gebeten und auch um die sprachliche Unterstützung beim Einchecken. Den Steuerzahler sei das aber sicher nicht teurer gekommen, als wenn man ein Taxi genommen hätte.

Was bei aller Empörung über die Reise ausgespart bleibt, sind der Anlass und die Termine. Nach meinem Informationen ging es zum grossen Teil um Stammzellenforschung. Wir erinnern uns noch an die erbitterte Diskussion um die Novellierung des Stammzellgesetzes im Frühjahr. Der Bundestag hat am Ende eine einmalige Verschiebung des Stichtags beschlossen. Forscher dürfen damit künftig embryonale Stammzellen aus dem Ausland einführen, die vor dem 1. Mai 2007 entstanden sind. Am Montag dieser Woche hat der Bundespräsident das Gesetz unterzeichnet. Damit ist das Thema nicht gelöst, sondern nur verschoben. Grund genug für die Bundestagsabgeordneten, sich in den USA direkt bei Wissenschaftlern und Unternehmen zu informieren, könnte man meinen.

Ein Ziel war das California Institute for Regenerative Medicine. Die vom Staat Kalifornien ins Leben gerufene und mit 3 Milliarden Dollar für 10 Jahre ausgestatte Einrichtung ist der weltweit grösste Einzelförderer für Stammzellenforschung. Das dort verfolgte Förderkonzept hat grossen Einfluss auf zukünftige Entwicklung der Stammzellenforschung und Ansätze zur Heilung von Krankheiten.

In der deutschen Diskussion ist immer wieder auf die aktuellen ersten Erfolge der Wissenschaftler mit induzierte pluripotente Stammzellen (iPS) verwiesen worden. Körperzellen erwachsener Menschen werden zu iPS umgewandelt, aus denen z. B. Herzmuskel- und Nervenzellen, herangezüchtet werden sollen. Was einige Fachleute darin bestärkt hat, dass die Forschung mit embryonale Stammzellen (ES) einen Irrweg darstelle. Davon ist auch das CIRM betroffen, da die Förderbedingungen einseitig auf die Forschung mit Embryonen ausgerichtet ist.

Weitere Stationen waren u.a. die Bayer AG in Berkeley, die in den dortigen Laboren an einer Behandlung für Parkinson-Patienten aus der Netzhaut toter Neugeborener forscht. Ausserdem ging es auch um die In-vitro-Fertilisation (IVF), die durch die Problematik der Erzeugung überzähliger Embryonen eng mit der Stammzellenforschung verknüpft ist.

Wenn es Gelegenheit gibt, dass sich Fachpolitiker mit den international führenden Wissenschaftlern und Wissenschaftsmanagern auf dem Gebiet austauschen, ist dies meiner Meinung bei einem so wichtigen und umstrittenen Thema zu begrüssen.

Nicht von der Hand zu weisen ist der dem Spiegel zugespielte Brief des deutschen Generalkonsuls in San Francisco. Stellungnahmen der Betroffenen zu dem Spiegel-Bericht konnte ich nur von Hubert Hüppe finden. Die Leiterin der Reisegruppe, die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Annette Widmann-Mauz, schweigt.

Heute hat der Bundestagspräsident erklärt, er wolle die Vorwürfe wegen der USA-Reise des Gesundheitsausschusses im vergangenen Frühjahr aufklären. Vielleicht hilft die Presse und der Spiegel tatkräftig mit und beweist, dass sie mehr können als Vorurteile zu bedienen.
 
[Politik]
Autor: strappato   2008-08-20   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  



 

Gesundheitsausschuss on Tour

Vor Reiseantritt habe Krüger "wiederholt" darauf hingewiesen, "dass das Programm bitte nicht mit inhaltlichen Terminen zu überfrachten sei und genug Zeit zur freien Verfügung bleiben möge", notierte Generalkonsul Schütte.
Der Spiegel berichtet über eine Dienstreise des Bundestags-Gesundheitsausschusses nach Kalifornien.

Wer sich mit Gesundheitspolitik und Ulla Schmidt rumschlägt, hat auch Erholung verdient. Wie wäre es mit Charterflüge für Ärzte auf Staatskosten?

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Update:
Ich habe eine Nachricht über das Ziel der Ausschussreise bekommen. Das Thema war u.a. induzierte pluripotente Stammzellen (iPS) und das California Institute for Regenerative Medicine, der weltweit grösste Einzelförderer für Stammzellenforschung, was auch der Spiegel gewusst haben soll. Dazu ein Report in Nature.
 
[Politik]
Autor: strappato   2008-08-18   Link   (2 KommentareIhr Kommentar  



 

Verheugen kämpft für die Patientenrechte

Die Pharmaindustrie hat in dem EU-Kommissar Günter Verheugen einen echten Freund gefunden.
"Ich bin der Meinung, dass der Patient das Recht hat, zu erfahren, was es an Angeboten gibt, die ihm helfen können, und auch darüber mitzureden, was für ihn das Beste ist", sagte Verheugen auf der Hauptversammlung des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI) in Berlin. Niemand habe das Recht, den Bürgern gerade in so einem zentralen Lebensbereich wie der Gesundheit Informationen vorzuenthalten.

Eine Argumentationslinie wird sichtbar: Die für die Gesundheitspolitk Verantwortlichen hätten Angst, informierte Patienten würden sich nicht mit dem zufrieden geben, was die Gesundheitssysteme ihnen zubilligen. Dabei vergisst der Industrie-Kämpfer für die Patientenrechte, dass sich in der Ablehnung seiner Pläne zur Aufweichung des Werbeverbots für Arzneimittel europaweit auch pdf-DateiVerbraucherschutzorganisationen, Patienverbände oder Ärztekammern einig sind.

Für die Annahme, dass die Pharmaunternehmen "mit ihren Informationen die Leute betrügen wollen" gibt es ja mehr als genug Gründe, was hier im Blog auch immer wieder deutlich wird.
 
[Politik]
Autor: strappato   2008-06-26   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  



 

Eingeschränkter Kampf gegen Keime

Journalismus in Deutschland: Kampf gegen Keime titelte gestern die Kölnische Rundschau und kündet von den Taten des NRW-Gesundheitsministers Laumann bei der Prävention von multiresistenten Erregern (MRSA) im Krankenhaus:
In einem Erlass hat NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) die Kliniken dazu verpflichtet, die strenge Hygiene-Richtlinie des Robert-Koch-Instituts gegen multiresistente Keime (MRSA) einzuhalten. Dazu gehört auch ein wenige Euro teurer Test aller neu eingelieferten Patienten per Nasenvorhof-Abstrich.

An dieser Kernaussage des Artikels stimmt nichts. Was sich hier im blog schon Mitte März andeutete. Das Dokument liegt mir seit einigen Tagen nun vor.
  • Die Aktualität: Der Erlass des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) ging am 20 März, also vor fast 2 Monaten raus.
  • Der Empfänger: Der Erlass richtet sich an die untere Gesundheitsbehörden, also die Gesundheitsämter - nicht die Kliniken.
  • Die Massnahmen: Das Robert-Koch-Instituts (RKI) empfiehlt, Personen mit besonderem Risiko (beispielweise mit bekannter MRSA-Anamnese) zu testen, und nicht alle neu aufgenommenen Patienten. Eine möglicherweise angemessene, aber im Vergleich zu anderen Ländern nicht besonders "strenge" Richtlinie.
  • Die Kosten: Der Preis ist von der Art des Tests und des Vertrags mit dem Anbieter inkl. Geräte und Wartung abhängig. Aber mit "wenigen Euro" wird man nicht auskommen. Kulturbasierte Schnelltests sind unter 10 Euro nicht zu machen, als molekularbiologischer MRSA-Direktnachweis über PCR kann man locker das doppelte und mehr ansetzen.
Das RKI in der der pdf-Dateiaktuellen Stellungnahme von 2005 zum Management des MRSA-Screenings:
Das RKI hat kürzlich gemeinsam mit der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention die Empfehlungen für das MRSA-Screening hinsichtlich der bei der stationären Aufnahme einzubeziehenden Patientengruppen konkretisiert. Danach sind besonders Patienten mit bekannter MRSA-Anamnese, Patienten, die aus Regionen bzw. inrichtungen mit bekannt hoher MRSA-Prävalenz verlegt werden, Kontaktpatienten von MRSA-Trägern, aber auch Patienten mit chronischer Pflegebedürftigkeit, liegenden Kathetern, Dialysepflichtigkeit, Hautläsionen chronischen Wunden und Brandverletzungen als Risikopatienten anzusehen.

Nach dem Erlass sollen die Gesundheitsämter gezielt darauf hinwirken, dass die Krankenhäuser in NRW konsequent ihr Präventions-Management fortführen beziehungsweise intensivieren.
Insbesondere ist sicherzustellen, dass bei der inhaltlichen Umsetzung der o.g. Empfehlungen folgende grundlegenden Strategien zur Prävention der Weiterverbreitung von MRSA beachtet bzw. umgesetzt werden:
- Identifizierung, Erfassung und Bewertung von MRSA (Surveillance nach § 23 Abs. 1 IfSG) und Untersuchung von Risikopatienten auf MRSA bei der Aufnahme ins Krankenhaus,
- strikte Umsetzung geeigneter Hygienemaßnahmen,
- Sanierung von MRSA-Trägern (auch bei medizinischem Personal),
- kontrollierter Einsatz von Antibiotika zur Vermeidung eines die Verbreitung von MRSA fördernden Selektionsdrucks und
- Sicherstellung eines angemessenen Verlegungs- und Entlassmanagements.

Keine Testung aller Patienten, keine direkte Anweisung an die Kliniken und keine Empfehlungen, die über die des RKI hinausgehen. Meilenweit von der vollmundigen Ankündigung im Januar entfernt.

Eines muss man Minister Laumann lassen. Eine gute Presse hat er in seinem Bundesland. "Der Westen" hat die Meldung auch übernommen, die Westfälischen Nachrichten in ähnlicher Weise.

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Anmerkung:
Dem Erlass ist ein Anhang mit der Auswertung einer Befragung von Kliniken in NRW beigefügt. Danach gaben die Kliniken im Mittel 1,9 MRSA-Fälle pro 1000 Patiententage an. Fast die Hälfte der antwortenden Krankenhäuser (46%) machte zu Nasenabstrichen auf 1000 Aufnahmen keine Angaben. 38% gaben zwischen 1 und 45 Nasenabstriche auf 1000 Aufnahmen an. Der Mittelwert lag bei 62,3 pro 1000 Aufnahmen - weil es einige Kliniken gab, die relativ viele Tests durchführten. In einer Region in NRW läuft das MRSA-net EUREGIO-Projekt, das von den teilnehmenden Kliniken ein intensives Screening fordert. In Düsseldorf gibt es ebenfalls Krankenhäuser, die jeden Patienten testen. In der Analyse des Ministeriums wird die Einschätzung der Gesundheitsämter, dass 57% der Krankenhäuser die RKI-Richtlinie umsetzen kritisch hinterfragt, weil von einer kompletten Umsetzung aller Empfehlungen nicht auszugehen sei, vor allem bestünden Lücken bei kostenintensiven Massnahmen wie Screening und Isolierung.

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Die Westdeutsche Zeitung hat das mit den Risikopatienten verstanden, aber der Erlass richtet sich für die Journalistin wieder an die Kliniken.
 
[Politik]
Autor: strappato   2008-05-15   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Ulla Schmidts Haupt(stadt)büro

Die Wirtschaftswoche verschafft regelmässig in einer Kolumne Einblick in die Büros von Entscheidungsträgern und Managern. Aktuell sieht man Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt gut gelaunt an ihrem Schreibtisch. Vielleicht weil am Hauptdienstsitz des Bundesministeriums für Gesundheit in Bonn Ende letzten Jahres ein schicker Neubau für das Ministerium eingeweiht worden ist?



Eher nicht. Das Foto wurde im Büro von Ulla Schmidt im zweiten Dienstsitz in Berlin aufgenommen. In der Hauptstadt residieren auch alle relevanten Verbände und Lobbyisten im Gesundheitssektor. Für die abgeschobenen Mitarbeiter am Hauptsitz bleibt wenigstens ein "zukunftsfähiges Bürogebäude von hoher gestalterischer und architektonischer Qualität" - und sie wissen nun, wie es bei der Dienstherrin in Berlin aussieht.
 
[Politik]
Autor: strappato   2008-04-26   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Transparenz der Spender im US-Wahlkampf

Wer spendet im US-Wahlkampf für wen? Dies beantwortet FundRace 2008, ein Service des Blogs "Huffington Post". Der interessierte Wähler kann nach Spendern und Unternehmen suchen - und überprüfen, ob bei bekannten Personen, deren Aussagen in der Öffentlichkeit mit einer Spende an die richtige Seite unterstützt werden. Durch google Maps-API auch in der eigenen Nachbarschaft.

Transparenz bei der Wahlkampffinanzierung auf amerikanisch. Sowas für den nächsten Bundestagswahlkampf...
 
[Politik]
Autor: strappato   2008-03-24   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Hillary Clintons Fehlgriff



Das kleine Kind in dem "3 A.M." Spot von Hillary Clinton fühlt sich nicht bedroht und engagiert sich "im richtigen Leben" ehrenamtlich für den Wahlkampf von Barack Obama.
 
[Politik]
Autor: strappato   2008-03-22   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  



 

Multiresistente Erreger können aufatmen


Alle neuen Patienten werden bald getestet.
Das war Ende Januar in der WAZ zu lesen. Eindeutiger geht es kaum noch - kein wenn und aber. Begrüssenswert, da multiple-resistente Keime (MRSA) im Krankenhaus das Thema des Artikels war. Das TV-Magazin Panorama hatte eine Woche zuvor über die erschreckende hygienische Situation in den Klinken berichtet. Nach Erhebungen der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) infizieren sich jedes Jahr bis zu 800.000 Patienten in Deutschland mit Krankenhauskeimen. Bis zu 1500 Patienten sterben an den Folgen einer MRSA-Infektion.

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann zeigte sich als Mann der Tat. In dem WAZ-Artikel wird verkündet, dass Laumann die Klinikchefs angewiesen hätte, ab Mitte Februar die empfohlenen Massnahmen des Robert-Koch-Instituts (RKI) gegen MRSA strikt zu befolgen.

Unklar ist, wie der Zusatz"dazu gehört auch ein zwischen 5 bis 20 Euro teurer Test per Nasenvorhof-Abstrich aller neu eingelieferten Patienten" in den Artikel kam und die Headline lieferte. Denn nach den RKI-Empfehlungen ist ein routinemässige Untersuchung von Patienten oder vom medizinischen Personal nicht notwendig. Lediglich bei Patienten mit bekannter MRSA-Anamnese oder bei Aufnahme und Verlegung aus Einrichtungen mit bekannten endemischen MRSA-Vorkommen, soll danach ein Test durchgeführt werden.

Eine Anweisung an die Klinikchefs ist rechtlich eigentlich nicht möglich, da ministerielle Erlasse nur Anordnungen einer Behörde an eine untergeordnete Behörde betreffen. Die Empfehlungen des RKI bleiben unverbindlich, solange das Infektionsschutzgesetz nicht anderes festlegt. Was hat nun Minister Laumann wirklich getan?

Nach meinen Informationen hat das Ministerium auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes einen Erlass zum MRSA-Management in den Krankenhäusern in NRW erarbeitet. Mitte Februar? Da hat sich Laumann zu sehr aus dem Fenster gelehnt, denn der Erlass muss noch abgestimmt werden. Der kommende Erlass zur Prävention und Kontrolle von MRSA richtet sich an die Gesundheits­ämter. Diese sind für die infektionshygienische Überwachung zuständig und sollen im Rahmen ihrer Tätigkeit gezielt darauf hinwirken, dass die grundlegenden Strategien zur Prävention der Weiterverbreitung von MRSA auf der Grundlage der aktuellen Richtlinie des RKI berücksichtigt werden.

Die Gesundheitsämter sollen besser hinsehen, im Rahmen ihrer Tätigkeit. Jedoch nur hinwirken, die Sanktionsmöglichkeiten sind nämlich beschränkt. Das ist alles. Darüber hinaus wird es im Erlass keine Empfehlungen geben, wie z.B. die Testung aller neu aufgenommenen Patienten, die in einigen EU-Ländern praktiziert wird, und wie der WAZ-Artikel es suggeriert.

Im Grunde ändert sich nichts. Aber die Patienten fühlen sich nach der Lektüre des WAZ-Berichts ein wenig sicherer. Minister Laumann hat ja alles im Griff.

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Update


Das Foto zeigt eine Ansammlung von Methicillin-Resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) Bakterien im Elektronenmikroskop. © Wellcome Images
 
[Politik]
Autor: strappato   2008-03-19   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Politikerträume

Die Bundeswissenschaftsministerin Annette Schavan will Deutschland wieder zur "Apotheke der Welt" machen. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung beklagte sie fehlende übergreifende Kooperationen zwischen Forschungsinstituten, Pharmakonzernen sowie kleinen und mittelständischen Firmen, die gemeinsam Medikamente entwickeln.
SZ: Die Ergebnisse in der Biotechnologie sind aber tatsächlich bescheiden: Von den zukunftsträchtigen gentechnischen Arzneien stammt nur gut eine Handvoll aus Deutschland.

Schavan: Deswegen brauchen wir ja die millionenschweren öffentlichen Investitionen als Mutmacher. Und wir brauchen einen langen Atem. Die Wirkung der Förderungen wird sich nicht in Tagen oder Wochen entwickeln.

Wer den Pharmamarkt kennt, weiss, dass dies illusorisch ist. Aber für ein paar Fördermillionen bestärkt jedes Unternehmen die Politik im Glauben, es wäre was zu reissen.
 
[Politik]
Autor: strappato   2008-03-03   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 



Stationäre Aufnahme












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