Erfolgsbeteiligung

Bisher kannte man dies nur von Managern oder anderen verantwortlichen Arbeitnehmern in der freien Wirtschaft: Erfolgsabhängige Honorierung. In der Medizin gab es das in früheren Zeiten, wenn Leibärzte der Könige und Herrscher im Erfolgsfall mit Gold überhäuft wurden, aber auch bei Misserfolg buchstäblich den Kopf hinhalten mussten. Die Frage, ob Ärzten für ihre Tätigkeit eine Entlohnung zusteht, war nie eindeutig. Plinius der Ältere berichtet aus dem antiken Rom, dass es ihn abstösst, wenn jemand aus der Erhaltung des Lebens Gewinn ziehe. Dies sei mit römischer gravitas, römischer Würde, unvereinbar. Aber Grund war sicher auch, dass sich im frühkaiserlichen Rom besonders viele Scharlatane und Hochstapler aus Griechenland tummelten.

Zurück zur Gegenwart. In der (Muster-) Berufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte wird die Frage der erfolgsabhängigen Entlohnung nicht behandelt. Lediglich auf die Angemessenheit der Honorarforderung wird hingewiesen und darauf, dass Ärzte bei Honorarvereinbarungen auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der oder des Zahlungspflichtigen Rücksicht zu nehmen haben. Dass dies in diesem ethisch sehr anspruchsvollen Beruf kein Gegenstand der Berufsordnung ist, verwundert ein wenig, wenn man bedenkt, dass beispielsweise die Deutschen Public Relations Gesellschaft, der Verband der PR-Berater - ein Berufstand, der nicht gerade für seine Moral berühmt ist - erst vor wenigen Jahren nach langer Diskussion erfolgsabhängige Honorare offiziell zugelassen hat.

Nun könnte auch bei den Ärzten dies zum Diskussionsthema werden. Im Südwesten haben Ärzte (zusammen mit einem Beratungsunternehmen) das Unternehmen Gesundes Kinzigtal GmbH gegründet und mit der AOK Baden-Württemberg einen umfassenden Vertrag zur sogenannten "Integrierten Vollversorgung" abgeschlossen. Anders als in der bisherigen Vergütung wird durch diesen neuartigen Vertrag vor allem der erzielte Gesundheitserfolg belohnt. AOK Baden-Württemberg und Gesundes Kinzigtal GmbH haben ein Modell entwickelt, das den Gesundheitsgewinn für die Versicherten im Kinzigtal im Vergleich zur Gesamtbevölkerung Deutschlands misst und die beteiligten Ärzte danach honoriert.

Die AOK scheint sich einiges davon zu vesprechen und leistet in der ersten Stufe bis zum 31.12.2006 eine Anschubfinanzierung in Höhe von ca. 1,7 Millionen Euro.

Um mal was Ketzerisches zu schreiben: Werden jetzt die Patienten mit "so schlimm ist es doch gar nicht" vom Arzt begrüsst?
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Weitere Informationen zu dem Modell.
 
[Ethik & Monetik]
Autor: strappato   2006-02-02   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Mangelhafte Mängelbesitigung

Einzelheiten der geplanten Liberalisierung des Vertragsarztrechts sind bekannt geworden. Damit soll dem Arztmangel im Osten und im ländlichen Raum abgeholfen werden.

Meine persönliche Einschätzung ist, dass die Wirkung kaum sichtbar sein wird. Zwei grundsätzliche Probleme sind nicht lösbar: Zum einen die unattraktive Infrastruktur besonders im Osten. Kulturangebot, Schulen, Einkaufsmöglichkeiten, aber auch DSL-Anschluss - ein echter Rückschritt für die Ärzte, die jetzt in den Städten sitzen und in die unterversorgten Regionen gelockt werden sollen. Zum anderen die schlechte Honorarperspektive. Kaum Privatpatienten und Möglichkeiten durch Selbstzahler-Angebote (IGeL) die Einnahmen aufzubessern, aber lange Wege und häufige Notdienste. An diesen Faktoren ändern auch Zweigpraxen oder Teilzeit-Niederlassungen nichts.

Das Druckmittel der Entziehung des Sicherstellungsauftrags ist auch ein stumpfes Schwert, da die Kassen auch nichts zu verschenken haben und sich die KVen nicht ohne weiteres Folgekosten aufs Auge drücken lassen. Die Möglichkeiten, den Ärzten mit Garantieeinkommen unter die Arme zu greifen sind begrenzt, und auch begrenzt wirksam, wie Erfahrungen es zeigten.

Und die medizinischen Versorgungszentren (MVZ)? Siehe oben. Wo das Einkommen kaum für einen Arzt langt, werden wohl keine MVZs entstehen. Dass diese nun als GmbH den Vertrag mit der KV bekommen, hilft, die finanziellen Risiken im Konkursfall zu begrenzen. Aber die Banken werden eh' nicht in ein MVZ investieren, ohne die Gesellschafter persönlich in die Haftung zu nehmen. Zudem sind MVZ kein Mittel gegen den Hausärztemangel.

Nur eine Reform der Honorierung könnte die in den nächsten Jahren weiter zunehmende Unterversorgung lindern. Aber das hat Ulla Schmidt ja erst mal auf die lange Bank geschoben.
 
[Reform]
Autor: strappato   2006-02-02   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Rationierung

Achtung Feinbild wird wieder aus der Kiste geholt: Pharmavertretern muss der Besuch in Arztpraxen verboten werden, fordert der Geschäftsführer der KV Bayern. Was die eigentliche Stossrichtung ist, wird aus einem anderen Statement von ihm deutlich: Man muss sich davon verabschieden, dass die Ärzte alles verordnen können, was auf dem Markt ist. Also der der Einstieg in die offene Rationierung von Leistungen - die im übrigen schon verdeckt heute alltäglich ist, wenn man sich die Unterversorgung in vielen Bereichen ansieht.

Dies sind nicht nur Gedankenspiele: Die Krankenkassen wollen im Vertragsgeschäft mit Ärzten und anderen Leistungserbringern mehr Einfluss auf die Versorgung nehmen - was auch auf eine Beschränkung bei der Erstattung von Therapien und Medikamenten hinausläuft.

Und nebenbei empfiehlt der Geschäftsführer die bei Direktverträgen von Kassen mit Leistungserbringern eigentlich überflüssig werdende KV für eine neue Aufgabe: Die Vertragsärzte auf Linie zu bringen und die Mengensteuerung noch rigoroser zu kontrollieren. Eine Dienstleistung, die die Krankenkassen sicher goutieren.

Eigentlich ein Armutszeugnis für die zögerliche Politik. Wenn es die Politik nicht schafft, Ziele für die Zukunft der gesetzlichen Krankenversicherung und der Gesundheitsversorgung zu entwickeln, werden Krankenkassen und Ärzteverbände diesen Leerraum mit Ideen füllen. Ob das immer Interesse der Patienten ist?
 
[Arzneimittel]
Autor: strappato   2006-02-01   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Tamiflu™ und Vogelgrippe

In einem Artikel im Journal "The Lancet" wird die Wirksamkeit von antiviralen Medikamenten bei der Virusgrippe untersucht: Antivirals for influenza in healthy adults: systematic review

Das Ergebnis müsste die Verantwortlichen im Hinblick auf eine Pandemie durch einen mutierten Vogelgrippe-Virus beunruhigen. Die Autoren gehen daher davon aus, dass der alleinige Einsatz von Neuraminidasehemmern (wie Tamiflu™) in einer Pandemie aufgrund der in einer solchen Situation sehr viel höheren Viruslast nicht ausreichend ist, um eine Ausbreitung zu kontrollieren. Vielmehr könnte eine zu optimistische Einschätzung der Wirksamkeit von Neuraminidasehemmern zu einem erhoehten Risikoverhalten und somit sogar zu einer Förderung der Virusausbreitung führen. Der Einsatz von Neuraminidasehemmern während einer Influenza-Epidemie ist somit nur bei zusätzlichen Schutzmassnahmen wie Isolation oder Schutzkleidung Erfolg versprechend. Der routinemässige Einsatz von Neuraminidasehemmern in üblichen Grippewellen wird aufgrund der fehlenden Wirkung bei den grippeähnlichen Erkrankungen nicht empfohlen.

Aber dies wird den Aktienkurs des Tamiflu-Herstellers nicht beeindrucken: Roche hat die Gewinnerwartungen der Analysten deutlich übertroffen. Das Geschäft mit der Angst war immer schon lukrativ.
 
[Public Health]
Autor: strappato   2006-02-01   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Stottern des Reformmotors

Die Reduzierung der Zahl der Krankenkassen (zur Zeit rund 260) ist ja ein Herzenswunsch von Ulla Schmidt. Die grosse Koalition stösst damit auf unerwartenden Wiederstand: Die Länder wollen mit einem eigenen Gesetzentwurf Kassenfusionen erschweren.

Die Kassen sollten deshalb in Zukunft für einen Fusionsantrag ein detailliertes Organisations-, Personal- und Finanzkonzept vorlegen müssen. Darin müsse auch aufgeführt werden, wie sich die Beiträge nach einer Fusion voraussichtlich entwickeln. Außerdem fordern die Länder, auch über Fusionen von den Kassen entscheiden zu dürfen, die eigentlich nicht in ihren Aufsichtsbereich fallen. Das betrifft besonders Betriebs- und Innungskassen. Wenn eine Fusion über Ländergrenzen hinweg stattfindet, wollen die Landesregierungen per Staatsvertrag zustimmen.

Diese Forderungen sind ein Schlag ins Kontor für alle Reform-Bemühungen und es ist zu befürchten, dass die "grosse" Gesundheitsreform wieder durch Grabenkämpfe aufgerieben wird. Dazu passen auch die Meldungen, dass die schwierigen Teile wie die Reform des ärztlichen Honorars und des Risikostrukturausgleichs erst einmal auf die lange Bank geschoben werden.
 
[Reform]
Autor: strappato   2006-01-31   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 



Stationäre Aufnahme












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