Merz betreibt illegale Laienwerbung für Alzheimer-Medikament (Update) Die Firma Merz zeigt seit vielen Jahren, wie man erfolgreich ein verschreibungspflichtiges Medikament mit fraglicher Wirksamkeit auf dem Markt positionieren kann, ohne sich dabei in seiner Kreativität von ethischen Zwängen einengen zu lassen. Auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen scheinen für Merz von untergeordneter Bedeutung zu sein, wenn es um die Vermarktung des Alzheimer-Medikaments Axura® geht. Dessen Wirkstoff Memantin (engl. Memantine) wurde von Merz in der Vergangenheit unter dem Namen Akatinol Memantine® vertrieben. Im Zuge einer drastischen Preiserhöhung wurde das Medikament im Jahr 2002 in Axura® umgetauft. Die Firma Merz ist hier im Blog schon durch ihre offenbar ausgezeichneten Beziehungen zur umtriebigen Bonner PR-Maschinerie "Deutsche Seniorenliga (DSL)"/MedCom International GmbH aufgefallen. Die "Deutsche Seniorenliga" wirbt im Verbund mit der PR-Agentur seit vielen Jahren dreist und ohne Benennung eines Auftraggebers für den Wirkstoff Memantin zur Alzheimer-Behandlung. Der marktführende Anbieter dieses Wirkstoffs, Merz, fand sich vor unserem entsprechenden Artikel noch ganz offen in den Referenzen der mit der "Seniorenliga" eng verbandelten PR-Agentur MedCom International GmbH. In Österreich scheint den PR-Strategen von Merz dagegen keine Tarnkappe notwendig, um gegenüber Laien mit z.T. dreisten und unbelegten Behauptungen offen für das Medikament zu werben. Natürlich ist das wie in Deutschland auch in Österreich verboten. Über die Homepage von Merz Pharma Austria gelangt jedermann mit wenigen Klicks bequem auf die entsprechenden Seiten. Von der Login-Möglichkeit für Fachkreise am rechten Rand des Bildschirms braucht man sich dabei nicht irritieren zu lassen. Noch einfacher finden Interessierte die Seiten mit Google. Die von Merz offen dargebotenen Werbeaussagen erscheinen selbst dann noch krass überzogen und unbelegt, wenn man vergleichbare Ergüsse von Werbetextern aus Internetangeboten gewohnt ist, die Fachkreisen vorbehalten sind: Kaum zu glauben, aber die Autoren des Arznei-Telegramms sprechen in der Tat vom gleichen Wirkstoff, wenn sie schreiben: Die Datenlage zur Wirksamkeit von Memantin (AXURA, EBIXA) bei moderater bis schwerer ALZHEIMER-Demenz ist auf der Basis der veröffentlichten Studien dürftig. Die gemessenen Effekte werden als "gering" eingestuft.
--Keine der Studien, in denen sich ein Nutzen nicht nachweisen lässt, ist publiziert. Die drei Negativstudien umfassen mehr als die Hälfte der Patienten aus Studien im zugelassenen Indikationsgebiet. Unterdrückung von Negativdaten ist bei psychiatrischen Arzneimitteln verbreitet: Nicht einmal die Hälfte, durchschnittlich eher nur ein Drittel der klinischen Studien wird veröffentlicht. Eine seriöse Bewertung auf der Basis nur der veröffentlichten Daten ist nicht möglich. Auch das IQWiG zeigt sich sehr skeptisch: Es liegt kein Nutzenbeleg für die Behandlung von moderater bis schwerer Alzheimer Demenz (AD) mit Memantin vor. Für Patienten mit mittelschwerer Alzheimer Demenz gibt es jedoch für einzelne Endpunkte Hinweise auf einen Nutzen. Die Aussagen stehen jedoch unter dem Vorbehalt, dass ein großer Teil der erhobenen Daten nicht in die Bewertung einfließen konnte, da sie nicht oder nur unvollständig zur Verfügung standen. -- Update 17.3. Merz Pharma Austria hat die Seiten nun mit einem Zugangsschutz für Fachkreise versehen. [Pharmamarketing]
Wenig klar mit Klära Novartis-Chef Daniel Vasella wurde vom Vatikan ausgeladen weil sein Unternehmen orale Kontrazeptiva herstellt. Ähnliches könnte Bild-Chef Kai Diekmann passieren, wenn der Papst von der redaktionell getarnten Werbung für eine neue Antibabypille in "Bild der Frau" erfährt. Im Heft 8/2009 vom 14. Februar berichtet die von Diekmann herausgegebene Frauenzeitschrift begeistert von einer neuen Pille "mit natürlichen Hormonen". Qlaira® (gesprochen "Klära") heisst das Produkt von Bayer Schering Pharma, das im Januar zugelassen worden ist und demnächst auf den Markt kommen wird. Die neue Pille ist eine kleine Revolution: Sie enthält - wie viele Pillen - die Hormone Östrogen und Gestagen. Doch ihr Östrogen ist erstmals ein natürliches und nicht mehr - wie bei allen Pillen seit über 50 Jahren - ein künstliches. Der interviewte Frauenarzt erklärt in dem Artikel die Vorteile der neuen Pille und lässt Aussagen einfliessen, die durch Studien oder Erfahrungen nicht gedeckt sind.
Das künstliche Östrogen kann bei vielen Frauen unangenehme Nebenwirkungen hervorrufen: Kopfschmerzen, Migräne, Übelkeit, Wassereinlagerungen im Gewebe, Gewichtszunahme, starke Blutungen, Brustspannen, Wadenkrämpfe. Es kann außerdem Krampfadern und Thrombosen fördern, den Blutdruck erhöhen und das Wachstum von Myomen - gutartigen Gebärmuttergeschwulsten - fördern. Bei der neuen Pille ist das Risiko für solche Nebenwirkungen viel niedriger. ... Die Blutung wird dadurch vergleichsweise kurz und schwach (3 Tage statt 5 bis 6). Und es ist zu erwarten, dass weniger Periodenschmerzen auftreten - die Studien dazu sind aber noch nicht abgeschlossen. Im blau abgesetzten Kasten werden Ausagen aus einer Pressemitteilung von Bayer fast wörtlich wiederholt. In einer großen Untersuchung im Jahr 2006 wurden 11.490 europäische Frauen danach gefragt, welche Anforderungen sie an ein Verhütungsmittel stellen. 70% der Befragten gaben an, dass es für sie sehr wichtig sei, dass das Mittel Hormone enthält, die auch natürlicherweise im Körper vorkommen. Mit dem Unterschied, dass im Original es den Befragten "sehr wichtig oder wichtig" war, in der Bild-Erfolgsmeldung die Frauen es allesamt "sehr wichtig" finden. Bayer hat auch mit einem Foto für den Artikel ausgeholfen und wirbt für Tabletten gegen Vaginalpilz prominent auf der rechten Halbseite des doppelseitigen Artikels. Der Fall könnte als klassischer Verstoss gegen das Heilmittelwerbegesetz gewertet werden, nach dem Werbung auch das Ankündigen oder Anbieten von Werbeaussagen ist. Bleibt die Frage: Nur schlechter Journalismus oder verdeckte vom Unternehmen geförderte Produktwerbung? Die Indizien für das letztere sind vielfältig. Jedoch ist die neue Pille für Bayer ein wichtiges Produkt, mit Umsatzerwartungen von bis zu 500 Millionen Euro jährlich. Eine solche Markteinführung wird üblicherweise von einer umfangreichen Kampagne begleitet. Davon ist bei einer google-Suche nach Qlaira® noch nichts zu sehen. Dazu sind einige Antworten des Frauenarztes sicher nicht im Sinne des Hersteller, wie der Hinweis, dass es in "Testreihen vorher häufig zu Zwischenblutungen" mit dem Estradiol kam. Oder die eher abschreckend komplizierte Beschreibung der Einnahme und Wirkung. Es ahmt weitgehend den natürlichen Zyklus mit seinen Hormonschwankungen nach: Zu Beginn dominiert das Östrogen, dann kommt das Gestagen hinzu, übernimmt für zweieinhalb Wochen die Hauptrolle, am Ende dominiert wieder das Östrogen. Sichtbar sind diese Schwankungen daran, dass die Pillen in der Packung fünf verschiedene Farben haben. Zuletzt nimmt man sogar zwei Pillen, die keine Hormone enthalten.
Dass der Experte bisher nicht besonders aufgefallen ist, weder medial, noch fachlich, spricht auch nicht für eine vom Unternehmen lancierte Berichterstattung.In jedem Fall fragwürdiger Journalismus. Alles andere wird wahrscheinlich das Marketing von Bayer für die Pille in den nächsten Monaten zeigen. [Klaera]
Nachhaltigkeit & Ethik à la Novartis Unser nachhaltiger wirtschaftlicher Erfolg ist Voraussetzung dafür, dass wir uns überhaupt und so stark im Bereich der sozialen Unternehmensverantwortung engagieren können.
Novartis-Chef Daniel Vasella in einem Interview mit der schweizer Zeitung Blick.Alles eine Frage der Sichtweise. Man könnte auch argumentieren, dass erst die Preispolitik der Pharmaunternehmen Patienten in armen Ländern den Zugang zu Medikamenten erschwert. Im Übrigen ist Vasella abgesetzt worden - nicht bei Novartis, sondern von einer höheren Macht. Der Novartis-Chef hätte im päpstlichen Radio an vier Samstagen über Ethik reden sollen. Dazu kam es nicht, da der Vatikan erfahren hatte, dass Novartis auch Verhütungsmittel herstellt. Jedoch: Novartis vertreibt selber keine Kontrazeptiva. Hexal, die deutsche Tochterfirma von Sandoz, der Novartis-Generikadivision, hat Vasella den Auftritt vermasselt. Mit "Bella", "Lamuna" und "Leona" hat Hexal sogar drei der vom Papst geächteten Pillen im Angebot. Schade, so wird die Öffentlichkeit nicht erfahren, wie sich die Unternehmensethik von Novartis mit den neuerlich gestiegenen Bonuszahlungen verträgt. Während sich die Novartis-Aktie einem neuen Tiefststand nähert, stiegen Vasellas bereits sehr ordentliche Bezüge von 34 Millionen Franken im Jahr 2007 im vergangenen Jahr auf 40 Millionen Franken (umgerechnet 27 Millionen Euro). [Pharmaindustrie]
|
br> |
Letzte Beiträge und Kommentare / Frohe Weihnachten
(strappato) / OH!!!
(kelef) / Frohe Weihnachten
(strappato) / Subjektive Wahrnehmung
(casadelmar) / Sehr interessante Sichtweise,...
(akademischer ghostwriter)
Zum Kommentieren bitte einloggen. |