Dr. med. vet.

Auch mal eine Variante.

Ein Tierarzt wird Gesundheitsminister in Bayern.

Keulen statt Palliation.
 
[Politik]
Autor: strappato   2011-11-03   Link   (4 KommentareIhr Kommentar  



 

Pharmalobby Ahoi

Die Astroturfer von Weber Shandwick wollen die Berliner Gesundheitspolitik sich mal von der Spreeseite aus betrachten. Am 29. September geht es ab 18:30 Uhr auf die MS Berolina, wo "Experten aus Politik, Medien und Unternehmen" über "zeitgemässe Interessenvertretung, kommunikative Innovationen und erfolgversprechende Interaktionsformen für die Kommunikation in der Gesundheitspolitik" diskutieren.

Das Podium ist mit dem internationalen Chef von Weber Shandwick, Jack Leslie, Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Björn H.G. Moeller, "Director Health Care Relations" bei Johnson & Johnson und früherer Mitarbeiter des FDP-Gesundheitspolitikers Daniel Bahr, und der Kommunikationschefin von Sanofi Aventis Deutschland, Judith Kramer, auch stellvertretende Vorsitzende des Ausschuss Kommunikation beim vfa, hochkarätig besetzt.

Beim Pharmalobbying-Get Togehter kann die Branche auch schon ein wenig auf den Erfolg bei den Gesundheitreform anstossen. Wie heisst es so schön in der Einladung: "Für das leibliche Wohl während der Veranstaltung ist gesorgt." Na dann...
 
[Politik]
Autor: strappato   2010-09-21   Link   (3 KommentareIhr Kommentar  



 

vfa greift dem Gesundheitsministerium unter die Arme

Nach Medienbrichten sollen künftig die Bewertungkriterien für Medikamente auch von der Politik festgelegt werden. Formulierungen im Entwurf für eine entsprechende Verordnung hat die Regierung laut "Süddeutscher Zeitung" fast wortgleich von der Pharmalobby übernommen.

Wie wortgleich, zeigt ein Vergleich der Dokumente:

Der "vfa-Vorschlag für eine Rechtsverordnung zur
(frühen) Nutzenbewertung nach § 35a SGB V
(AMNOG): vfa_vorschlag rechtsverordnung (pdf, 68 KB)
"Das Nähere zur Nutzenbewertung regelt das Bundesministerium für Gesundheit in einer Rechtsverordnung. Darin wird insbesondere festgelegt, welche Grundsätze für die Bestimmung der Vergleichstherapie gelten, in welchen Fällen zusätzliche Nachweise notwendig sind, unter welchen Voraussetzungen Studien welcher Evidenzstufe zu verlangen sind sowie Übergangsregelungen für diejenigen Arzneimittel, mit denen bereits Studien begonnen oder abgeschlossen wurden; weitere Einzelheiten regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung."

Die Formulierungshilfe für den Änderungsantrag 2 der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherungen: 10-09-08_amnog neufassung ndantrag (pdf, 14 KB)
"Das Bundesministerium für Gesundheit regelt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrats das Nähere zur Nutzenbewertung. Darin ist insbesondere fest zulegen, welche Grundsätze für die Bestimmung der Vergleichstherapie gelten, in welchen Fällen zusätzliche Nachweise erforderlich sind, unter welchen Voraussetzungen Studien welcher Evidenzstufe zu verlangen sind, sowie Übergangsregelungen für diejenigen Arzneimittel, für die bereits Studien begonnen oder abgeschlossen wurden; der Gemeinsame Bundesausschuss regelt weitere Einzelheiten erst mals innerhalb eines Monats nach Inkrafttreten der Recht sverordnung in seiner Verfahrensordnung."

Das BMG verweist nun darauf, dass der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen auf der Grundlage des Referentenentwurfes entstanden sei, der vom Kabinett beschlossen und bereits im Juli in den Bundestag eingebracht worden ist. Wer hat nun bei wem abgeschrieben?

Interessant ist für die Beantwortung dieser Frage, dass der Absatz a) augenscheinlich nachträglich eingefügt worden ist. Das kann lässt sich an den Änderungsmarkierungen erkennen. Die weiteren Punkte, die im "Änderungsantrag 2" abgehandelt werden, betreffen die Freistellung von Orphan Drugs und Arzneimittel, für die den Krankenkassen nur geringfügige Ausgaben entstehen, von der Nutzenbewertung. Beides notwendige Präzisierungen des Gesetzentwurfs.

Es sieht so aus, als sei dieser für Kleinigkeiten gedachte Antragsentwurf genutzt worden um kurzfristig die Formulierungswünsche der Pharmaindustrie zu erfüllen. Nämlich das Bundesgesundheitsministerium per Rechtsverordnung zu befähigen, Kriterien festzuschreiben, nach denen der Nutzen eines neuen Medikaments bewertet wird. Mit der Unabhängigkeit der Selbstverwaltungsgemien und des IQWiG wäre es vorbei. Auch eine Art von Staatsmedizin, vor der der vfa sonst gerne warnt.

Die Rechtsverordung selber liefert der vfa auch mit. Auf diesen Vorschlag wird noch näher einzugehen sein.

--
Update:
Cornelia Yzer, Hauptgeschäftsführerin des vfa hat eine weitere Erklärung parat, wer von wem abgeschrieben hat: „Das geplante Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (AMNOG) enthält Formulierungen, die in der anschließenden Diskussion auch vom vfa aufgegriffen wurden. Wenn diese Formulierungen jetzt im weiteren parlamentarischen Verfahren wieder auftauchen, hat nicht die Politik bei der Industrie, sondern allenfalls das Parlament beim Bundesgesundheitsministerium abgeschrieben.“

Lügen haben kurze Beine: Den Vorwurf, man habe beim Lobbyverband abgeschrieben, wies das Ministerium zurück und erklärte seinerseits, der vfa habe aus dem bereits im Juni eingebrachten Gesetzentwurf abgeschrieben. Eine irreführende Behauptung: Dass die entscheidende Änderungspassage dort noch gar nicht enthalten ist, musste eine Ministeriumssprecherin auf Nachfrage bestätigen
 
[Politik]
Autor: strappato   2010-09-10   Link   (4 KommentareIhr Kommentar  



 

Homöopathie-Gedanken

Vorab: Ich war noch nie in homöopatischer Behandlung, habe keine Globuli geschluckt und stehe dem Therapiekonzept nicht sonderlich wohlwollend gegenüber.

Die Diskussion um die Homöopathie ist eine Stellvertreterdebatte. Bei Homöopathie kann jeder mitreden, alle kennen jemanden, den es geholfen hat oder sind erbitterte Gegner. Wissenschaftliche Studien gibt es auch keine, was das diskutieren erheblich vereinfacht. Im Grunde geht es um die Frage, was die gesetzliche Krankenversicherung angesichts der von den Medien dramatisierten Lage in Zukunft bezahlen soll. Wir sollten aufpassen. Das Fass, das derzeit geöffnet wird ist bodenlos und wird genauso schwer zu stoppen sein, wie das BP-Bohrloch im Golf von Mexiko. Am Ende kann die Solidargemeinschaft mit den Bach runter gehen.

Es gibt viele Therapien, die wissenschaftlich auf fragwürdigen Grund stehen. Alle streichen. Behandlungen, die vom Patienten nicht durchgeführt werden, z.B. wenn er die Medikamente zu früh absetzt oder unregelmässig nimmt. Bessere Kontrolle mit Hausbesuch. Therapien, die Wellness-Charakter haben, wie manche Physiotherapien, wo der Therapeut eine medizinische Massage abrechnet, aber eher ein Entspannungsmassage macht. Streichen. Kieferorthopädie ist bis auf Ausnahmefällen eher ästhetisch statt zahnmedizinisch indiziert, Studien zur besten Methode bei bestimmten Fehlstellungen gibt es nicht. Weg damit. Selbstverschuldete Erkrankungen, ob durch Übergewicht oder durch das Kurvenkratzen auf dem Motorrad können gesondert versichert werden. Familienversicherung kann der Staat tragen, aber zu mit verminderten Leistungen. Mir fiele da noch viel ein.

Natürlich muss sich die Gesellschaft und die Versichertengemeinschaft Gedanken machen, wie der medizinische Fortschritt und die demographischen Herausforderungen mit der Finanzierung in Einklang zu bringen sind. Jedoch diese Debatte, bei der jeder mit dem Finger auf was anderes zeigt, im Zweifel etwas, was ihn nicht belastet, bringt uns nicht weiter. Im Gegenteil. Willkür ist die schlechteste Option bei dieser politischen Entscheidung. Am Ende zählt der Konsenz. Obwohl es den Homöopathie-Kritikern (mir auch) nicht gefällt: Die Patienten haben ihre Entscheidung getroffen und trauen der Homöopathie und Naturheilkunde oftmals mehr als allen Lauterbachs auf dieser Welt.
 
[Politik]
Autor: strappato   2010-07-14   Link   (11 KommentareIhr Kommentar  



 

Homöopathie-Fakten

Die Homöopathie-Diskussion brandet durch die Medien und Blogs. Da ist viel Emotion im Spiel, jedoch wenig Fakten. Daher erst einmal ein paar Daten zur Homöopathie in Deutschland.
  • 2008 hatten 15.000 Patienten der Techniker Krankenkasse sich für eine homöopatische Behandlung auf Kosten der Kasse entschieden. Bei angenommenen 90 Euro für die Erstanamnese, einer langen Folgeanamese für 45 Euro einer kurzen Folgeanamnese für 22,50 Euro und Repertorisation für 20 Euro wären das geschätzte Ausgaben von 2,6 Millionen Euro - bei Leistungsausgaben von 11,1 Milliarden Euro, davon 2,3 Milliarden an niedergelassene Ärzte. Damit machten homöopathische Leistungen 1,1 Promille der Honorare an niedergelassene Ärzte aus.
  • Laut der TK sind in Drittel der Patienten von homöopathisch tätigen Kassenärzten in Baden-Württemberg Kinder und Jugendliche.
  • Nicht verschreibungspflichtige homöopathische Arzneimittel können unter bestimmten Umständen, wie andere nicht-verschreibungspflichtige Medikamente auch, per Kassenrezept an versicherte Kinder bis zum vollendeten zwölften Lebensjahr und für versicherte Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr verschrieben werden.
  • Rund 3000 Apotheken nehmen an insgesamt fünf verschiedenen Einzel-, Beitritts- und Rahmenverträgen zur Homöopathie bei den Betriebs- und Innungskrankenkassen teil. In der Apotheke betrifft dies etwa die Beratung über die Anwendung der homöopathischen Präparate, die Versorgung mit Arzneimitteln seltener Potenzen und Darreichungsformen sowie die Kommunikation mit dem homöopathischen Arzt.
  • Der Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) hat rund 4000 Mitglieder.
  • Der GKV-Spitzenverband nennt rund 100 Kassen (von ca. 250), die Homöopathie-Verträge abgeschlossen haben, an denen die Versicherten freiwillig teilnehmen können. Lediglich 17 bieten demnach auch Wahltarife zur Erstattung homöopathischer Arzneimittel an. Teilweise mit Einschränkungen z.B. nur für Kinder unter 12 Jahren.
  • Nur niedergelassene Vertragsärzte, keine Heilpraktiker, sind zur Durchführung homöopathischer Behandlung auf Kassenkosten berechtigt. Voraussetzung ist die Führung der Zusatz-Bezeichnung und/oder Zusatzweiterbildung "Homöopathie" bzw. das Homöopathie-Diplom des DZVhÄ.
  • Die Ärzte sind verpflichtet an anerkannten homöopathischen Fortbildungen oder homöopathischen Qualitätszirkeln teilzunehmen. Z.B. mit einer Mindestgesamtpunktzahl (CME) von 20 pro Jahr, davon mindestens 5 Punkte Fortbildungen.
  • An dem Homöopathie-Vertrag der TK nehmen bundesweit ca. 1.100 Ärzte teil.
  • Typische Honorierung: Homöopathische Erstanamnese von mind. 60 Minuten Dauer 90 Euro. Repertorisation 20 Euro. Homöopathische Analyse 20 Euro. Homöopathische Folgeanamnese, Mindestdauer 30 Minuten, 45 Euro. Homöopathische Beratung von mind. 7 Minuten, 10 Euro.
  • Der Arzt ist nicht berechtigt, darüber hinaus für homöopathische Leistungen eine privat-ärztliche Vergütung von dem Patienten zu verlangen.
  • Der Anteil homöopathischer Mittel an rezeptfreien Arzneien lag 2008 bei rund 7%, dies entspricht einem Wert von etwa 399 Millionen Euro.
  • Echamp, der Verband der europäischen homöopathischen Arzneimittelhersteller gibt an, dass die Branche 2006 mit 8000 Mitarbeitern in Europa 963 Millionen Euro Umsatz gemacht hat.
  • Heel, einer der Marktführer, erwirtschaftete 2007 einen Umsatz von über 165 Millionen Euro, auch mit anderen Naturheilmitteln.
  • Die Deutsche Homöopathie Union (DHU) setzt mit 400 Mitarbeiter jährlich rund 50 Millionen Euro um.
  • Apotheken verkauften 2009 38,1 Millionen Packungen „over the counter“ (OTC, über die Ladentheke) - von insgesamt 48,5 Millionen Packungen.
  • von den gut 20% Packungen mit Rezept entfielen 2,5 Millionen Packungen in die Erstattung der gesetzlichen Krankenkassen, 7,8 Millionen in die private Krankenversicherung.
  • Nach einer Umfrage, die Heel in Auftrag gegeben hat, verwenden von 26 Mannschaftsärzten in der Ersten und Zweiten Fußballbundesliga 24 homöopathische Wirkstoffe.
  • In Frankreich wird Homöopathie in vielen Fällen von der Krankenversicherung erstattet. Dort beträgt der jährliche Umsatz der Branche 300 Millionen Euro. Platz eins der Homöopathie-Weltrangliste. Deutschland liegt weltweit mit einem Umsatz von 200 Millionen Euro auf Platz zwei.
  • Nach § 5 HWG darf für homöopathische Arzneimittel, obwohl nicht verschreibungspflichtig, nicht mit der Angabe von Anwendungsgebieten geworben werden. Derzeit läuft eine Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts Bielefeld, das diese Bestimmung auf Fachkreise nicht anwendbar gesehen hatte.
  • Samuel Hahnemann ist auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise begraben, auf dem auch Jim Morrison seine letzte Ruhe gefunden hat.

 
[Politik]
Autor: strappato   2010-07-14   Link   (3 KommentareIhr Kommentar  



 

Gesundheitspolitik-Kasperei

Koalition lässt die Kassen kassieren. Alliteration galore.

Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass ich mir

Ulla Schmidt zurückwünsche.


--
Das Eckpunktepapier eckpunkte 2010 (pdf, 1,403 KB): "Für ein gerechtes, soziales, stabiles, wettbewerbliches und transparentes Gesundheitssystem".
 
[Politik]
Autor: strappato   2010-07-06   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  



 

Preiskontrolle im ethischen Konflikt

Arzneimittelpreise - an dem derzeit wichtigsten gesundheitspolitischem Thema kommt auch das ZDF-Magazin Friontal21 nicht vorbei und zeigte in der Sendung am Dienstag ein vermeintlich besonder schlimmen Fall für die Abzocke der Pharmakonzerne. Der alte Wirkstoff Thalidomid, bekannt als Contergan®, wird vom Pharmaunternehmen Celgene für einen horrenden Preis zur Therapie des multiplen Myeloms verkauft.

Ein Beispiel, dass unglücklich gewählt wurde und nur mit Gewohnheit zu erklären ist. Schon 2006 hatte Frontal21 Celgene und Thalidomid bzw. Revlimid® (Wirkstoff Lenalidomid) bei überhöhten Preisen ins Visier genommen.

Bei der Preistreiberei, die Gesundheitsminister Rösler eindämmen will, geht es um patentgeschützte Wirkstoffe. Das Patent für Thalidomid ist vor Jahrzehnten ausgelaufen. Wie kann Celegne damit ein Preismonopol begründen? Diese Erklärung bleibt der TV-Beitrag schuldig und wird hier nachgereicht, weil es die Komplexität des Themas zeigt.

Das Unternehmen Pharmion hatte bei der europäischen Arzneimittelbehörde EMEA eine Zulassung zur Behandlung des Multiplen Myeloms als Orphan Drug beantragt. Mit dem Status "Orphan Drug" zur Behandlung von seltenen Krankheiten, sind exklusive Vermarktungsrechte für das ausgewiesene therapeutische Anwendungsgebiet über einen Zeitraum von maximal zehn Jahren verbunden. Ausserdem wird das Unternehmen von Gebühren der EMEA, z.B. für die Beratung bei der Entwicklung und für die Bearbeitung von Zulassungs- und Änderungsanträgen, befreit

Der Pharmakonzern Celgene kaufte das Unternehmen Pharmion 2007 für 2,9 Milliarden Dollar und kam damit wieder in Besitz der Vermarktungsrechte, die vorher Celegne an Pharmunion weitergegeben hatte. Celgene vermarktet bereits Lenalidomid (Revlimid®), ein dem Thalidomid verwandten Wirkstoff, als Orphan Drug zur Behandlung des Multiplen Myeloms. Darüber hinaus hat Celgene mit Actimid™ ein weiteres Thalidomid-Analogpräparat in der Entwicklungs-Pipeline.

Bei Orphan drugs ist am Ende des fünften Jahres eine Überprüfung der Fördervoraussetzungen vorgesehen. Das Exklusivrecht erlischt, wenn ein anderer Anbieter innerhalb der 10-Jahres-Frist nachweisen kann, dass sein Präparat "sicherer, wirksamer oder unter anderen Aspekten klinisch überlegen ist". Rechtzeitig vor Ablauf der 5-jährigen Überprüfungsfrist für Lenalidomid hatte sich Celgene durch die Übernahme von Pharmion einen neuen Umsatzbringer gesichert.

Wenn Frontal21 damit die Notwendigkeit von Preisverhandlungen zeigen wollte, ging das gründlich schief.

In diesem Fall kommen mehrere Dinge zusammen. Zum einen die Förderung der Entwicklung von Medikamenten für seltene Erkrankungen. Mit der Exklusivität soll Pharmauunternehmen ein wirtschaftlicher Anreiz gegeben werden, die auch für eine kleine Zahl von betroffenen Patienten neue Medikamente zu entwickeln. In Deutschland sind durch die bisher freie Preissetzung und generellen Erstattung mit dem Orphan Drug Status keine besonderen Vorteile verbunden. Andere Länder, in denen Kosten-Nutzen-Bewertungen, Verhandlungen oder Festsetzungen den Preis und die Erstattung bestimmen, sehen Ausnahmen für Oprhan Drug Medikamente vor. Falls die Pläne der Bundesregierung umgesetzt werden, müssten sich Politik und Krankenkassen in Deutschland Gedanken machen, wie sie mit Orphan Drugs umgehen. Es ist widersinnig, den Zulassungsprozess für Orphan drugs zu erleichtern, wenn in einem zweiten Schritt die Erstattung an dem zu hohen geforderten Preis scheitert.

Methodisch ist eine Bewertung von Orphan Drugs schwierig. Daher sind Arzneimittel, für die eine Kosten-Nutzen-Bewertung nur im Vergleich zur Nichtbehandlung erstellt werden kann, derzeit von einer Bewertung durch das IQWiG ausgenommen. Um es noch eine Schraube weiter zu drehen. Mit Revlimid® gab es vor der Zulassung von Thalidomid schon ein Medikament zur Therapie des multiplen Myeloms. Wenn Thalidomid bessere Ergebnisse bringt, würde eine Kosten-Nutzen-Bewertung sogar theoretisch einen höheren Preis rechtfertigen.

Zum anderen ist es ein Krebsmedikament. Hier wirft eine Nutzenbewertung generell Fragen auf. Von Experten wird eingewandt, dass sich die Bestimmung der Standardtherapie in der Onkologie häufig schwierig gestaltet. Die Therapie muss dem Krankheitsverlauf angepasst und individuell ausgerichtet werden. Bei der Therapie der letzten Wahl werden oft für die Indikation nicht zugelassene Medikamente off-label verwendet.

In der Krebstherapie treffen bei der Bewertung des Nutzens von Arzneimitteln ethische Aspekte auf finanzielle Grenzen. Ein Randthema? Bei der GEK hatten 2008 gentechnisch hergestellter Arzneien, die etwa bei Krebs eingesetzt werden, bereits einen Anteil von 13% der Arzneimittelausgaben - mit steigender Tendenz.

Ein kleiner Vorgeschmack auf die Diskussionen über die Vorschläge zur Reduzierung der Arzneimittelausgaben über Verhandlungen mit Krankenkassen, Nutzendossiers und Schiedskommissionen, wie es Gesundheitsminister Rösler vorgeschlagen hat. Die Gefahr ist gross, dass es bei der Frage endet, was ein Lebensmonat wert ist. Eine Diskussion, die Rösler auf jeden Fall vermeiden wollte.
 
[Politik]
Autor: strappato   2010-04-01   Link   (17 KommentareIhr Kommentar  



 

Arzneimittelpreise: "Siehe Antwort auf Frage 2"

Die Bundestagsfraktion der Linken wollte von der Bundesregierung wissen, was diese über die Arzneimittelpreise im Ausland im Vergleich zu Deutschland weiss. Ziemlich wenig, wie der Antwort auf die pdf-DateiKleine Anfrage zu "Nationalen und internationalen Regelungen zur Arzneimittelpreisbildung" zeigt.

Da die deutschen Arzneimittelpreise zum Teil eine Grundlage für Preisgestaltungen in anderen Staaten darstellen, sei es auch von internationaler Bedeutung, ob die Vielzahl an Regelungen zur Begrenzung der Arzneimittelausgaben Einfluss auf die offiziellen deutschen Herstellerabgabepreise hätten, so die Begründung für die Initiative.

Gleich auf die zweite Frage nach Positivlisten in anderen Ländern muss das Bundesgesundheitsministerium passen:
Die Bundesregierung führt kein Register über Preisregulierungen und Erstattungsregelungen in anderen Ländern und verweist auf entsprechende Fachveröffentlichungen.

Die folgenden 13 Fragen hätte sich die Linksfraktion schenken können. Sieben Mal wird lapidar verwiesen
Siehe Antwort auf Frage 2.
Die restlichen Antworten zeugen auch nicht von Durchblick, sondern signalisieren: Arzneimittelpreise im Ausland? Interessiert uns nicht.
 
[Politik]
Autor: strappato   2010-03-07   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Reformbegeisterung bei der Bevölkerung

In unserem Nachbarland Österreich fordern laut einer repräsentativen Umfrage des Instituts "Oekonsult" 91% der Bürger eine Gesundheitsreform. Angesicht der deutschen Erfahrungen mit je nach Zählweise ein Dutzend und mehr Reformen im Gesundheitswesen, mag das recht naiv klingen. Man könnte daher meinen, die Deutschen hätten von Reformen, die in weiteren Kosten für die Patienten und Einschränkung der Versorgung enden, die Nase voll.

Dem ist nicht so. Wenn man der gestern vom Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (vfa) vorgestellten Emnid-Befragung Glauben schenken darf, sprechen sich 62% der Bundesbürger weiterhin hartnäckig für Reformen im Gesundheitswesen aus. 70% gehen sogar davon aus, dass es ihnen persönlich nützt, obwohl die Zufriedenheit gross ist und das gegenwärtige medizinische Versorgungsniveau für gut empfunden wird.

Sieht nach dem Beweis aus, dass die tägliche PR der Interessensgruppen Wirkung zeigt, die jeweils für ihre Gruppe ein Horrorszenario entwerfen und den Versicherten klar machen, dass sie mit ihnen im Boot sässen. Gemeinsam ist den Pharmaunternehmen, Ärzten, Kliniken, und anderen der Ruf nach mehr Geld. Ohne Anstieg der Ausgaben sei der Forschritt nicht finanzierbar und das gegewärtige Versorgungsniveau nicht zu halten. Das Ergebnis überzeugt:
  • 58% der Befragten sehen die Interessen der Patienten nicht in ausreichendem Masse im deutschen Gesundheitssystem berücksichtig
  • 46% der Bevölkerung hält eine Leistungsbeschränkung der GKV für richtig
  • 46% der Bundesbürger hält den Anspruch, allen Patienten die notwendige Behandlung zukommen zu lassen, für richtig, aber nicht bezahlbar
  • 63% der Bevölkerung fordert mehr Wettbewerb
Der Boden für einen marktradikalen Umbau des Gesundheitssystems scheint bereitet zu sein.

--
Update

In Österreich rätselt Ernest G. Pichlbauer über Umfragen und Zufriedenheit mit der Gesundheitsversorgung.

Noch mehr Umfragen: 30 Prozent der Deutschen sehen Gesundheitssystem vor Kollaps. Fast 60 Prozent der Bürger sehen „größere Probleme“ im Gesundheitswesen.
 
[Politik]
Autor: strappato   2010-01-27   Link   (5 KommentareIhr Kommentar  



 

Lobbyisten an die Front

Wenn der Vizepräsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) als Moderator der "beliebtesten Gesundheitssendung" im öffentlich-rechtlichen Fernsehen fungieren darf, ist es eigentlich nur konsequent, den stellvertretenden Direktor des Verbandes der Privaten Krankenversicherung (PKV) zum neuen Leiter der Grundsatzabteilung im Bundesgesundheitsministerium zu machen. Entgegen anders lautender Gerüchte ist jedoch in diesem Jahr nicht mehr mit der Berufung der Hauptgeschäftsführerin des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) auf den Posten des Bundesgesundheitsministers zu rechnen.
 
[Politik]
Autor: hockeystick   2010-01-14   Link   (6 KommentareIhr Kommentar  



 



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