Österreich: Exorzismus hoffähig

Österreich ist ja nicht nur für seine Totenkultur bekannt ("der Tod muss ein Wiener sein"), sondern hat auch ein spezielles Verhältnis zur Psychiatrie. Ein Drittel der Österreicher ist der Ansicht, dass Freud in Österreich nicht genug gewürdigt wird.

Ein erfolgreicher Kongress der amerikanischen Psychiatrischen Gesellschaft zum Thema "Religion und Psychiatrie" war Anlass auch im kleinen Österreich die Fachwelt zu dem Thema einzuladen. Leider ist dem hochkarätig besetzten Beirat entgangen, dass im Programm ein evangelikal geprägter Referent auftauchte, der unglückliche Homosexuelle von ihrer Orientierung heilen will. Weiterhin dabei: Ein Exorzist, dann ein katholischer Theologe, der mit Gebet und Meditation "geistlich heilen" will, und ein Homöopath und Impfgegner, der Mitglied des Opus Dei ist. Nebenbei gehört dem Orden auch der Hauptveranstalter an. Ein Artikel in der Presse deckt Details auf.

Es verwundert daher nicht, dass der Exorzist im Programm bleibt, ist doch das Teufelsaustreiben Bestandteil der katholischen Lehre und Liturgie und es werden auch unter Papst Papst Benedikt XVI., einem Förderer des Opus Dei, weiter Exorzisten ausgebildet und bestellt.

Von den über zwanzig Experten im Beirat trat bis jetzt nur ein Einziger (der Innsbrucker Wolfgang Fleischhacker) zurück. Die typisch östereichische Lösung: Zwar sagt der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, dass Exorzismus überhaupt nichts mit psychiatrischer Behandlung gemein habe und daher auch abzulehnen sei. Es sei eine Methode, die letztlich eine Ungeheuerlichkeit darstelle, wenn sie bei psychisch Kranken angewendet werde. Jedoch langt ihm, dass der Veranstalter zugesagt hat, in zwei Workshops das Pro und Kontra darzustellen. Das Kontra, von der Psychiatrie, und das Pro aus dem Bereich der katholischen Kirche.

Religionskritiker Siegmund Freud würde sich sich im Grabe umdrehen.
 
[Oesterreich]
Autor: strappato   2007-10-10   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Übernahmegerüchte bei Sanofi-Aventis

Wie wird heute der Chef von Sanofi-Aventis im Interview mit der FTD zitiert?
Aus Speks Sicht wurde "die Sanofi-Aktie traditionell immer wieder von Fusionsfantasien getragen". Dies sei nun vorbei. Es habe sich die Einsicht durchgesetzt, dass ein aus Sanofi und einem anderen Konzern fusioniertes Unternehmen kaum noch zu managen sei.

Vielleicht hätten die Journalisten der FTD mal aktuell nachfragen sollen, vor der Veröffentlichung. Gestern legte die Aktie 2,1% zu, Montag 1,8%. Analysten geben als Grund Gerüchte über eine Übernahme durch Pfizer an.
 
[Pharmaindustrie]
Autor: strappato   2007-10-10   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

SiCKO in den Feuilletons

Am nächsten Donnerstag läuft Michael Moores Film SiCKO über das US-amerikanische Gesundheitswesen in Deutschland an. In Österreich einen Tag später. Weiter geht es mit Reaktionen in den Medien.

Hier war der erste Schwung.
Hier war der zweite Teil.

Die FTD lässt einen Gesundheitsökonomen den Film vorstellen. Wolfgang Greiner relativiert die Situation in den USA und lenkt den Blick auf die Zukunft in Deutschland. Der Trend geht auch in Deutschland zu mehr Wettbewerb, was der Autor nicht bedauert.
Welche Bedeutung hat also "Sicko" für europäische Zuschauer? Es besteht leider die Gefahr, dass sich für die meisten der Genuss in wohligem Grusel erschöpfen wird. Wie bei einem typischen Hollywood-Film ist man letztlich froh, nicht Teil des Geschehens zu sein. Doch wir sollten es uns im Kinosessel nicht zu bequem machen: Die wettbewerbliche Umgestaltung des Gesundheitssystems ist unumgänglich - wegen der sonst steigenden Kosten, insbesondere in einer alternden Gesellschaft, aber auch wegen eines tendenziell teurer werdenden medizinischen Fortschrittes.

Auch Andrian Kreye weist in der Süddeutschen Zeitung auf die über die Situationsbeschreibung in den USA hinausgehende Bedeutung hin.
Nun gibt es bei uns keine amerikanischen Verhältnisse. Doch Moore hat sich mit "Sicko" eines globalen Problems angenommen. Es geht ihm ja nicht um die Millionen Unversicherten in Amerika, sondern um die Bürger mit Krankenversicherung. Und weil die Konzerne auch in den erodierenden sozialen Marktwirtschaften Europas nach Lücken forschen, wird Michael Moore mit "Sicko" erstmals nicht nur Vorurteile bestätigen, sondern als Kassandra auftreten.

Schon im Juli zum Start des Films in den USA hatte die taz die Hintergründe und die Reaktionen dort erklärt. Im aktuellen Kommentar hebt Bert Rebhandl auf die Polemik des Films ab, ohne zu registrieren, dass bei der Frage von Leben oder Tod durch die Verweigerung oder Übernahme der Behandlungskosten, aus der unsachlichen Kritik schnell Zynismus wird.
"Sicko" kümmert sich nicht um die Unterschiede zwischen Selbstironie und kalkulierter Naivität, zwischen "dumm sein" und "sich dumm stellen". Das liegt ganz einfach daran, dass der Kalauer das Genre dieses Films ist. Was an Dokumentarischem noch mitgeliefert wird, stellt den USA kein gutes Zeugnis aus, die Polemik drumherum verfestigt aber eher die ideologischen Fronten, auch wenn Michael Moore sicher das Gegenteil im Sinn hatte: eine paradoxe Intervention.

Selbst der grössten Zeitung Österreichs, der Krone ist SiCKO ein paar Zeilen wert. Christina Krisch schiebt es auf die bekannten Verhältnisse in den USA. Felix Austria.
Anfeindungen prallen an Moore wie immer ab. Es ist, als wollte man einen T-Rex mit einer Federboa verdreschen... Und so hält der provokante "Anwalt der kleinen Leute" bestehende Vorerkrankungen eines ganzen Polit-Systems akribisch in seiner filmischen Anamnese fest.

Im SWR sieht Kathrin Häußler in SiCKO einen von Michael Moores Kämpfen für eine bessere Welt.
Vieles ist heillos übertrieben, kitschig, oft auch absurd - unterhaltsam ist "Sicko" allemal. Denn wie in seinen bisherigen Filmen streut Moore jede Menge sarkastische Bemerkungen ein, die dem Ganzen einiges von seiner messianischen Ernsthaftigkeit nehmen. Dass Moore seine Kranken nach Guantánamo schleppt, mutet allerdings sehr seltsam an. Um seine Thesen zu untermauern, ist dem Provokateur wohl jedes Mittel recht - je drastischer desto besser. Fragt sich nur, ob das deutsche Publikum sich genauso brennend für das US-Gesundheitssystem interessiert wie Herr Moore.

Stefan Benz besinnt sich im Darmstädter Echo auf die einfachste Moral, die der Zuschauer aus dem Film ziehen kann.
Man kann sich „Sicko“ also anschauen und die armen, kranken Amerikaner bedauern. Man mag sich angesichts dieses Films aber auch daran erinnern, was so ein Sozialstaat wert ist und was droht, wenn man die Medizin zu einer Ware wie jede andere macht. Nicht zuletzt deshalb ist „Sicko“ sehenswert.

Der Artikel im Züricher Tagesanzeiger lässt die Hilflosigkeit angesichts der Szenen erkennen.
Die polemischen Prioritäten waren da ganz klar, auf Differenzierung kam es nicht an. Aber der gesundheitlich spürbare Erfolg heiligte die Mittel. Man darf «Sicko» einen Film nennen, mit dem einer bei der Wahrheit bleibt im Bewusstsein, dass Propaganda, auch wo sie Recht hat, halt immer ein wenig lügt.

Geradezu eine Lobeshymne für den Film kommt im Focus von Robert Thielicke.
Nach Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geben die Vereinigten Staaten 15,4 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für die medizinische Versorgung aus, fünf Prozent mehr als Deutschland. Dennoch schaffen sie es nur auf Platz 37 der WHO-Rangliste weltweiter Gesundheitssysteme, zwölf Plätze hinter Deutschland. Pharmakonzerne freuen sich über saftige Gewinnspannen, gleichzeitig ist die Säuglingssterblichkeit eine der höchsten der Industrieländer. Und so ist der Film für Zuschauer hierzulande Trost und Mahnung zugleich. Denn so viel am deutschen Gesundheitssystem zu bemängeln ist – eine nahezu vollständige Privatisierung macht es kaum besser.

Else Buschheuer erinnert sich in westropolis an ihren eigenen Aufenhalt in den USA, wo sie wegen der Kosten auch meist gewartet habe, bis sie ich ziemlich krank war.
moore ist wie zahnschmerzen, aber zahnschmerzen sind, wie wir wissen, ein wichtiges signal dafür, dass irgendwo was modert. ob der typ nun ein weltverbesserer ist oder ein routinierter schmock, eins steht fest: seine filme haben wucht.

 
[SiCKO]
Autor: strappato   2007-10-10   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Verschwörungspathologie

Das ist eine Verschwörungspathologie, die Sie da haben.

Der Historiker Wolfgang Wippermann zu Eva Herman in der denkwürdigen Kerner-Sendung.
 
[Quotes]
Autor: strappato   2007-10-10   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Keine Sicherheitsbedenken gegen Avastin

Die Ärzte-Zeitung zitiert heute aus einem Bericht der Bundesregierung zum Off-Label-Use von Bevacizumab (Avastin®) bei altersbedingter feuchter Makuladegeneration (AMD). Fazit: Bleibt höchst unsicher. Für wen? Für die Ärzte, für die Patienten, für Novartis? Das klärt die Ärzte Zeitung nicht auf.

So wie es aussieht ist der Ärzte Zeitung die "Stellungnahme der Bundesregierung" als Teil einer Vorlage für die morgige Sitzung im Bundestags-Gesundheitsauschuss zugespielt worden, die mir auch vorliegt. Darin wird auf mehrere Anlagen verwiesen, unter anderem die pdf-DateiStellungnahme der wissenschaftlichen Fachverbände, eine Beurteilung des Bundesgesundheitsministeriums vom 16. August und eine Stellungnahme vom Mai 2007, in der Ulla Schmidts Ministerium mögliche Sicherheitsbedenken formuliert.

So negativ wie von der Ärzte Zeitung wiedergegeben und von Novartis, dem Hersteller von Lucentis®, erhofft, fällt die Stellungnahme nicht aus. Der Sachverhalt wird geschildert, darunter die Eigentumsverhältnisse von Novartis, Roche und Genentech. Es wird aus dem Dokument der Fachverbände zitiert:
Wegen des identischen Wirkprinzips von Bevacizumab stellt, trotz des Status einer ‚off label’ Anwendung und dem Fehlen von Phase-III-Studienergebnissen zur Wirksamkeit und Sicherheit, die intravitreale Injektion von Bevacizumab eine rationale und inzwischen durch zahlreiche Berichte untermauerte Behandlungsalternative dar.
Weitere Punkte: Eine zulassungsüberschreitende Anwendung von Arzneimitteln sei grundsätzlich nicht unzulässig, es muss unter dem Gesichtspunkt der Arzneimittelsicherheit vertretbar sein. In den USA hätte Avastin® bei AMD den Status "widely used".

Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind schwierig: Entweder kann es im Rahmen von klinischen Studien eingesetzt werden, oder als zulassungsüberschreitende Anwendung im Rahmen von Arzneimittelrichtlinien. Für das letztere muss eine Expertengruppe feststellen, ob eine bestimmte Anwendung dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis entspricht - unabhängig, ob ein anderes für die entsprechende Anwendung zugelassenes Arzneimittel auf dem Markt ist. Was angesichts der in der Stellungnahme genannten mindestens sechs nicht-kommerziellen Studien, deren Ergebnisse in den nächsten 6 Monaten vorliegen könnten, von besonderer Bedeutung ist.

Auch von Brisanz: In der Stellungnahme der Bundesregierung wird zur Zeit kein Anlass für Massnahmen gegen die Anwendung von Avastin® zu Behandlung von AMD genannt, die sich auf Bedenken bei der Erfasung und Abwehr von unerwünschten Arzneimittelnebenwirkungen stützen. Nach der Musterberufsordnung sind Ärzte verpflichtet grundsätzlich alle unerwünschten Ereignisse zu melden. Zudem sind die Pharmaunternehmen zur Dokumentation und Meldung verpflichtet. Dem zuständigen Zulassungsbehörde lägen keine Mitteilungen vor.

Sieht aus, als wäre die Unterstützung für Novartis eher schwach und alle Panikmeldungen der letzten Wochen, wie "Kassen drängen zur Billigtherapie" hätten ihr PR-Ziel verfehlt.

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Mehr zum Thema hier.
 
[Avastin - Lucentis]
Autor: strappato   2007-10-10   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

SiCKO in den Feuilletons

Am nächsten Donnerstag läuft Michael Moores Film SiCKO über das US-amerikanische Gesundheitswesen in Deutschland an. In Österreich einen Tag später. Weiter geht es mit Reaktionen aus deutschsprachigen Fäuletons, die sich schwer mit dem Streifen tun.

Hier war der erste Schwung.

Im Tagesspiegel geht Christiane Peitz nur in einem Absatz am Ende auf den Film ein. Die restlichen 90% widmen sich der Person Michael Moore und der Kritik an ihn.
"Sicko" kommt weit weniger egomanisch daher als „Fahrenheit 9/11“. Moore wirbt für die schlichte Wahrheit, dass ein staatliches Gesundheitssystem besser ist als ein privates, nennt marode Verhältnisse beim Namen und setzt auf das Staunen als erste Bürgerpflicht. Und auf Einmischung als Konsequenz dieses Staunens.

Ähnlich auch Birgit Glombitza in Spiegel Online. Der Filmemacher nimmt viel Raum ein, einzelne Szenen des Films werden geschildert, aber zu einer Wertung mag sich die Autorin nicht durchringen. Am ehesten entspricht noch der Guantanamos-Coup der Erwartungshaltung.
Das ist unfassbar, empörend, berührend - aber polarisierend ist es diesmal nicht. Anders als sonst begleitet keine Kontroverse den Film, kein Verleih bekommt hier kalte Füße. Und der Wind, der Moore ins Gesicht bläst, ist nur jener vor der Küste Guantanamos, wo er mit einem Trupp Kranker um kostenlose Behandlung bittet.

Der Journalistin der Sächsischen Zeitung ist SiCKO dagegen zu sehr polarisiernd. Valeria Heintges sieht in dem Kuba-Trip mit 9/11-Veteranen eine reine PR-Aktion.
Nach viel diskutiertem Start in den USA und einem Gastauftritt in Cannes, kommt „Sicko“ jetzt in die deutschen Kinos. Der Streifen ist handwerklich ordentlich gemacht. Aber die allzu deutliche Schwarz-Weiss-Zeichnung fällt auch wohlmeinenden Zuschauern bald arg auf den Geduldsnerv.

Im Ö1 Inforadio hebt Arnold Schnötzinger auf das Gesamtwerk Michael Moores ab.
Michael Moores Dokumentationen sind polemische, unterhaltsame, berührende aber vor allem kompromisslose Standpunktpredigten, die Objektivität gar nicht anstreben. Die Gegenseite wurde diesmal also erst gar nicht befragt. Der Zweck ist, die Menschen aufzurütteln, und dann, so Moore, sei alles einfach: nämlich die besten Ideen stehlen und die schlechten vermeiden.

Bisher die für mich beste Besprechung kommt von Nona Schulte-Röme in n-tv. Deutlich wird, dass es um echte Schicksale geht und im Vergleich selbst das viel kritisierte deutsche Gesundheitswesen paradiesisch wirken würde.
"Sicko" ist Dokutainment vom Feinsten und hat das Potenzial, auch ein deutsches Publikum zum Lachen und zum Weinen zu bringen. Gezeigt wird echtes US-amerikanisches Leid, Polemik und Schwarz-Weiss-Malerei à la Michael Moore. Nebenbei erklärt "Sicko" im Rundumschlag die Welt. Moore scheint zwischen all den Leidensgeschichten absichtlich den Clown zu spielen.

 
[SiCKO]
Autor: strappato   2007-10-09   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

USA news (II)

Dass der US-Gesundheitsmarkt in Bewegung ist, zeigen die Anträge zur Zulassung von Generika. 2006 hat die FDA 800 Anträge bekommen, 1999-2003 waren es im Schnitt nur 300 jährlich. 1300 Anträge warten noch auf Bearbeitung. Statt der gesetzlich vorgesehenen Zeit von 6 Monaten, dauert es mittlerweile bis zur Zulassung 16 Monate. Nun sollen neue Mitarbeiter die Bearbeitung beschleunigen. Der Erfolg ist trotzdem zweifelhaft. Das Prescription Access Litigation (PAL) Project beschreibt die Methoden, wie die Pharmakonzerne es verhindern oder verzögern, dass preiswerte Generika auf den US-Pharmamarkt kommen. Da werden Bürgerpetitionen initiiert, Patentklagen schon vor Marktzulassung eingereicht und 30 Monate Aufschub erwirkt, Tarn-Unternehmen gegründet oder Generika-Unternehmen für ihr Fortbleiben vom Markt bezahlt. Alles mit Unterstützung der Politik, die mit Spenden und Zuwendungen der Pharmaindustrie entsprechende Gesetze macht. Am Ende bezahlt es der Patient, der auf Generika verzichten muss und auf die Original-Präparate der Konzerne angewiesen ist.

Das nennen die Befürworter des derzeitigen Gesundheitsystems dann "freier Markt". Als Gegenmodell beschwören Pharmaindustrie, Ärzte, Krankenversicherer und alle anderen, die von dem teuren ineffizienten Gesundheitsystem profitieren, gerne das Schreckensbild der "Socialized Medicine" und versuchen so Vorschläge für eine bessere Versorgung und preiswertere Medikamente zu diskreditieren. Michael Moore hat dies in seinem Film SiCKO mit Zwischensequenzen aus kommunistischen Propaganda-Streifen persifliert. Der Onkologe und Autor Ezekiel J. Emanuel entlarvt dies in einem Beitrag in der Washington Post als "Quacksalberei". Schon jetzt zahlen in den USA staatliche Kassen 45% aller Gesundheitsausgaben.

Stoff für Intriegen und Dramen. Dies hat auch Hollywood entdeckt. Der Kabelsender Showtime will eine Pilotfolge eines Dramas mit dem Titel "Possible Side Effects" produzieren. Es geht um eine Familie, die ein Pharmaunternehmen führt. Dabei soll das politische, bürokratische und wisssenschaftliche System, mit dem die Pharmaindustrie virtuos spielt, gezeigt werden. Drehbuchautor und Regisseur ist der als Schauspieler mit Oscar, Golden Globe und Cannes-Palme ausgezeichnete Tim Robbins.
 
[Ausland]
Autor: strappato   2007-10-09   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Trittbrett-Attac(k)e

Attac hängt sich an SiCKO und begleitet Vorführungen mit Aktionen und Info-Veranstaltungen. In der pdf-DateiErklärung heisst es:
Wir fordern zudem ein grösseres finanzielles Engagement und eine stärke politische Einflussnahme Deutschlands auf die Vereinten Nationen und die Weltgesundheitsorganisation WHO, um arme Länder beim Aufbau einer angemessen Gesundheitsvorsorge für ihre Bevölkerung zu unterstützen.

Deutsche Entwicklungshelfer in die USA? Sollte Angela mal beim nächsten Gipfel ihrem Kumpel George Bush vorschlagen und auf SiCKO verweisen.
 
[SiCKO]
Autor: strappato   2007-10-08   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Marketing-Impact


 
[Pharmamarketing]
Autor: strappato   2007-10-08   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  



 

SiCKO in den Feuilletons

Am nächsten Donnerstag läuft Michael Moores Film SiCKO über das US-amerikanische Gesundheitswesen in Deutschland an. In Österreich einen Tag später. Die deutschsprachigen Fäuletons tun sich schwer mit dem Streifen.

Thomas Assheuer stellt in der Zeit fest, dass er Anklage gegen unterlassene Hilfeleistung, gegen all die pathologischen Schändlichkeiten, die entstehen, wenn öffentliche Güter für ein Geschäft auf Leben und Tod schamlos privatisiert werden ist - das geht natürlich nicht ohne auf die Lage der armen Hartz IV-Empfänger in Deutschland hinzuweisen.
Irgendjemand muss ihm davon abgeraten haben, das Vermächtnis rot-grüner Politik in Augenschein zu nehmen, jene landestypische Hartz-IV-Familie, die ihr Kind mit 2,90 Euro am Tag durchbringen muss. Doch so oder so – der amerikanische Zuschauer muss den Eindruck gewinnen, er selbst friste sein Dasein in einem bis unter die Zähne bewaffneten Entwicklungsland, während Europäer wie die Made im Speck des Sozialstaats leben, unbehelligt von Konzernen, Pharmariesen und anderen Plagegeistern.

Bei der Autorin im Gesundheitsblog der Zeit fühlt man Distanz.
Der Streifen ist eine typische Entblösung à la Moore, die ziemlich unverblümt schwarz-weiß malt und im letzten Drittel furchtbar nervt - aber doch irgendwie genial bleibt.

Jungle World versucht Hintergründe zu erklären, aber weist auf die Schlechtigkeiten in anderen Ländern hin, die als vermeintliches Vorbild dienten.
So stellt sich am Ende die Frage: Was will Moore eigentlich bezwecken? Er prangert Umstände an, deren Skandalträchtigkeit niemand bestreitet. Er legt Alternativen nahe, die bei genauerer Betrachtung recht zweifelhaft erscheinen. Schlüssig wird der Film deshalb erst gegen Ende. Der Regisseur hebt zur finalen Mahnung an: "In anderen Ländern übernimmt man Verantwortung füreinander, über alle Unterschiede hinweg. Die Menschen dort leben in einer Welt des ›Wir‹ und nicht des ›Ich‹." Die abschließenden Worte, und nicht nur sie, verströmen den Mief der autoritären Sozialdemokratie: Der Gemeinschaftssinn soll den krank machenden Individualismus im Zaum halten.

Der Standard aus Wien hat einen Gesundheitsökonomen geholt, der die von Moore gezeigten Missstände bestätigt und sich für die gezeigte Lösung durch ein steuerfinanziertes System erwärmen kann. Der Vergleich mit dem eigenen Gesundheitswesen bleibt nicht aus. So gut geht es also Österreich auch wieder nicht.
Dass Jahr für Jahr zwei Milliarden Dollar in das US-Gesundheitssystem fließen und damit auch die politischen Kassen der Profiteure prall gefüllt sind, ist für Köck das größte Reformhindernis. In diesem Punkt sieht er eine Parallele zum österreichischen Gesundheitssystem, das er mittlerweile als "unreformierbar" ansieht: "Wir haben die gleichen Probleme wie vor zwanzig Jahren, sie werden nur größer"

Das ARD-Kulturmagazin titel, thesen, temperamente erkennt, dass der Film für Amerikaner gemacht ist. Erst wenn der Regiseur mit den 9/11-Veteranen nach Kuba zur Behandlung fährt, kommt das aberwitzige, so sehr erwartete Moore-Feeling auf. Enttäuscht klingt das Fazit: Es gibt Schlimmeres als 10 Euro Praxisgebühr.

Die Welt hatte beim Start in den USA noch wohlwollend über den Film berichtet. In Europa angekommen, erweist er sich als eine dreiste Manipulation für den Kritiker der Welt. Autor Sven von Reden bleibt der erste Teil des Films unverständlich und erst die Kuba-Reise bestätigt die Vorurteile.
Moore ist wie immer ein Meister darin, sein Anliegen mit viel Populismus und Humor unterhaltsam zu verkaufen, aber letztlich behandelt er seine Zuschauer nicht viel anders als die amerikanischen Krankenversicherungen ihre Kunden. Wo bei Versicherungsgesellschaften wie Kaiser Permanente der Profit alle Mittel heiligt, ist es bei Moore der gute Zweck - den er ganz nach seinen Vorstellungen definiert.

Die Ambivalenz, die in dem Film steckt, sieht Christoph Huber in der Presse aus Österreich. Moores bester und schlechtester Film.
Moore hat prinzipiell recht, setzt ein paar gute Pointen, aber übertreibt hemmungslos. Immerhin wirft Sicko endlich für ein nichtamerikanisches Publikum mehr ab, als nur US-Dummheit vorzuführen: Trotz Unglaubwürdigkeit („Wie lange mussten Sie warten?“ – „10 Minuten!“) wird unmissverständlich klar, was bei Einsparungen im Gesundheitssystem auf dem Spiel steht, und wo es im Extremfall enden könnte: auf der Strasse.

Der Journalist der Nachrichtenagentur ap weist auf die nach seiner Meinung fragwürdigen Methoden des Filmemachers hin, hat gleichwohl die Botschaft verstanden.
Als Fazit bleibt, dass Moore sich hier als formal ausgereifter Filmemacher präsentiert, der mit einfallsreicher Montage, Musik, und einem perfekten Gefühl für Timing aus 500-stündigem Material zwei satirische und äußerst unterhaltsame Stunden destilliert - deren Wahrheitsgehalt indes zweifelhaft ist. In der hiesigen Privatisierungsdebatte jedoch und angesichts der sich vertiefenden Kluft zwischen Erster- und Zweiter-Klasse-Krankenversicherten ist allein die Fehleranalyse dieses "Dokutainments" eine Kinokarte wert - und die Diskussion um Moores Schlussfolgerungen sowieso.

Und aus meiner Besprechung hier im blog Ende Juni.
Klar, der Film polarisiert. Auf der einen Seite die menschenverachtende US-Versicherungsmafia und im Gegensatz dazu paradiesische Zustände in anderen Ländern. Ohne Wartezeiten und Zuzahlungen, mit Hausbesuchen und engagierten Personal. In Europa wissen wir, dass alle Gesundheitssysteme, ob steuerfinanziert oder auf einer solidarischen Krankenversicherung basierend, mit ausufernden Kosten zu kämpfen haben. Dass dies möglichst nicht zu Lasten der Patienten geht, ist die eigentliche Leistung in diesen Ländern, was nach dem Film deutlich wird.

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Als Hintergrundinformation noch ein link zu einer Sendung des Deutschlandfunks.
 
[SiCKO]
Autor: strappato   2007-10-08   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 



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