Zulassungserweiterung vs. zulassungsübergreifende Einsatz

Das Ärzteblatt berichtet über den off-label-use von Avastin® und den Verkaufsstop durch Genentech an US-amerikanische Augenärzte.

Dabei wird auch der Bericht der Bundesregierung erwähnt. Anscheinend hat die Journalistin die Ausschussvorlage nicht selber in der Hand gehabt oder nicht richtig gelesen. Denn diese Aussage ist nicht ganz richtig:
Sollte sich Avastin® als gleichwertig herausstellen, dürfte Roche unter erheblichen Druck geraten, eine Zulassungserweiterung für sein Präparat zu beantragen – denn nur der Hersteller kann dies tun.

In dem Bericht wird auf die zulassungsüberschreitende Anwendung nach § 35b Absatz 3 des Sozialgesetzbuches (SGB V) hingewiesen und die Rechtsauffassung in der Anlage 4 präzisiert.

Im SGB V dazu:
(3) Für die Abgabe von Bewertungen zum Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis über die Anwendung von zugelassenen Arzneimitteln für Indikationen und Indikationsbereiche, für die sie nach dem Arzneimittelgesetz nicht zugelassen sind, beruft das Bundesministerium für Gesundheit Expertengruppen beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Eine entsprechende Bewertung soll nur mit Zustimmung des pharmazeutischen Unternehmens erstellt werden.

Es geht nicht nur um eine Zulassungserweiterung, an der Roche als Inhaber von Genentech, das sowohl Avastin® als auch Lucentis® herstellt, kein Interesse hat, sondern gleichfalls um einen zulassungübergreifenden Einsatz. Die Mitwirkung des Herstellers ist eine "Soll"-Bestimmung, kein Muss. Das lässt Raum für die Einbeziehung sonstiger Gesichtspunkte.

Mittlerweile habe ich die Vorlage, die im Gesundheitsausschuss am vorangegangenen Mittwoch erörtert worden ist, aus drei unabhängigen Quellen erhalten. boocomany.com gleichfalls: pdf-DateiBericht der Bundesregierung zur Anwendung des Arzneimittels Avastin für die Behandlung bestimmter Augenerkrankungen
 
[Avastin - Lucentis]
Autor: strappato   2007-10-13   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Big Brother Award an Novartis

Novartis kann sich mit dem deutschen Big Brother Award schmücken. Grund der Ehrung in der Kategorie Arbeitswelt: Der Pharmakonzern hat keine Hemmungen Betriebsratspost zu öffnen, gibt vertrauliche Selbstevaluationen der Mitarbeiter weiter und engagiert Detektive, um den Pharmaberatern im Aussendienst auf die Finger zu sehen.

Zumindest beim Letzteren nimmt Novartis den Preis möglicherweise stellvertretend für andere Pharmaunternehmen entgegen. Denn der Einsatz von Detektiven ist in der Pharmabranche soll nicht selten sein. Selbst arbeitnehmerfreundliche Arbeitsrichter sehen Verstösse gegen das Arzneimittelgesetz und Spesenbetrug nicht so gerne - was Abfindungen spart.

Novartis bleibt auch sonst nichts erspart. Laut indymedia haben 15 Personen am Donnerstag im Bildungszentrum der Stadt Nürnberg einen internen Kongress des Pharmakonzerns Novartis besucht, und dabei massiv gestört. Dabei wurden auch im Umfeld Flugblätter verteilt und Parolen gerufen, um auf die Rolle des Konzerns im Patentstreit um Medikamente aufmerksam zu machen.
 
[Pharmaindustrie]
Autor: strappato   2007-10-12   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Ghost management

Tipp: Ein Artikel im Open Access Journal "PLoS Medicine". Ghost Management: How Much of the Medical Literature Is Shaped Behind the Scenes by the Pharmaceutical Industry?

In extreme cases, drug companies pay for trials by contract research organizations (CROs), analyze the data in-house, have professionals write manuscripts, ask academics to serve as authors of those manuscripts, and pay communication companies to shepherd them through publication in the best journals.
Würde ich mittlerweile als Normalfall sehen, kann aber auch nur die eingeschränkte Perspektive aus meiner beruflichen Erfahrung sein.

Die Lösung, die Sergio Sismondo, der Autor, anbietet ist eher unrealistisch und verkennt die enormen finanziellen Mittel, die dafür von den Pharmakonzernen eingesetzt werden.
Universities should also take disciplinary action against investigators who serve as authors on ghost-managed articles. Meanwhile, investigators need to be aware of the mechanisms of ghost management of work that goes under their names, and to refuse to participate. Perhaps they need to be more modest about how many articles they can publish, and more realistic about the amount of effort, legwork, and/or creativity it takes to publish an article.

 
[Wissenschaft]
Autor: strappato   2007-10-12   Link   (4 KommentareIhr Kommentar  



 

Avastin: Genentech schliesst Apotheken aus

Auch in den USA greifen Augenärzte zum preiswerteren Avastin®, um Patienten mit altersbedingter feuchter Makuladegeneration (AMD) zu behandeln. Dies ist für viele Patienten die einzige Möglichkeit ihr Augenlicht zu erhalten, da sie die Kosten für das erheblich teurere Lucentis® nicht aufbringen können. Der Hersteller Genentech will dieser Praxis einen Riegel vorschieben, wie die NY Times berichtet. Avastin® soll von den Grosshändlern nicht länger an Apotheken verkauft werden, die den Wirkstoff in kleinere Einheiten für den Einsatz bei AMD teilen.

Um die Reaktionen bei Ärzten und Patienten zu mildern, kündigt Genentech in einem Brief an die Ärzte ein Programm an, das finanziell klamme Patienten unterstützt. Klassische PR-Methode - Zuckerbrot und Peitsche.
We recognize this change may require some adjustment on your part and are acknowledging this by notifying you seven weeks prior to the change taking effect. In addition, I would like to reiterate Genentech's commitment to patient access to our approved products. We have always believed that no eligible patient should go without one of our approved medicines due to financial barriers alone. As such, we have invested in a dedicated support services organization to assist with providing patients access to our medicines. Specific to Lucentis, we offer The LUCENTIS Commitment™, a comprehensive support program dedicated to facilitating timely reimbursement.

In der letzten Quartalskonferenz mit Analysten musste Genentech einräumen, dass nur die Hälfte der AMD-Patienten in den USA Lucentis® erhält. Beim Preisunterschied von $ 2000 für die Dosis Lucentis® gegenüber $ 50 für Avastin® ist dies ein erheblicher potentieller Umsatzverlust. In den ersten 6 Monaten brachte Lucentis $ 420 Millionen Umsatz in den USA. Eine Milliarde geht da Genentech locker verloren. Da kann man dann auch ein paar Millionen für das Programm zur Unterstützung mittelloser Patienten ausgeben.
 
[Avastin - Lucentis]
Autor: strappato   2007-10-12   Link   (3 KommentareIhr Kommentar  



 

Can I Have A Prescription



Ein 80er Jahre Aufklärungs-Spot aus Irland.
 
[heile Welt]
Autor: strappato   2007-10-11   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

SiCKO in den Feuilletons

Morgen läuft Michael Moores Film SiCKO über das US-amerikanische Gesundheitswesen in Deutschland an. In Österreich am Freitag. Weiter geht es mit Reaktionen in den Medien.

Hier war der erste Schwung.
Hier war der zweite Teil.
Hier war der dritte Teil.


Für Joachim Hentschel in der FAZ hält SiCKO für einen absolut haarsträubenden, ärgerlichen Film.
Nein, nur weil er tendenziell auf der humanistisch und politisch guten Seite steht, muss man Michael Moores Populismus nicht verteidigen. Ob er die kubanischen Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben korrekt zitiert, ob er die Nöte europäischer Kassenpatienten verschweigt und sich - übrigens ein ziemlich hirnrissiger Vorwurf an einen Dokumentarfilmer - nur die Fälle herauspickt, die ihm in den Kram passen, das ist nicht der Punkt. „Sicko“ zeigt doch vor allem, wie irrsinnig viel Platz im Vorwahlkampf-Amerika selbst noch rechts der Mitte sein muss, wenn ein prominent Liberaler wie Moore schon reiche Ärzte als Gewährsleute auftreten lässt und am Ende sogar das Mitleid mit den erkrankten Helfern nach den Terroranschlägen für seinen Argumentationsgang nutzt.

Susanne Ostwald verweist in der NZZ gleichfalls darauf, dass Moore sich einem Missstand widmet, der hinlänglich bekannt ist. In dem Film sieht die Jourmalistin lediglich die bekannte penetrante Selbstbeweihräucherung.
Vollends lächerlich wird Moores Feldzug, wenn er mit «Helden» des 11. September, die seit ihrer Mithilfe bei den Bergungsarbeiten unter Gesundheitsproblemen leiden und keine Unterstützung erhalten, nach Guantánamo segelt, weil die Gefangenen dort angeblich bestens medizinisch versorgt werden. Als er erwartungsgemäss abgewiesen wird, begibt er sich mit seinen Mitreisenden in die Hände des kubanischen Gesundheitswesens, die ihm freilich freudig entgegengestreckt werden. Denn nur Fidel Castro versteht sich besser auf antiamerikanische Propaganda als Michael Moore.

In der Netzeitung wird SiCKO von Sophie Albers als "Film der Woche" vorgestellt.
Versprechungen an den Realitäten zu messen und unbedingt beim Wort zu nehmen ist eine Kunst, die Moore virtuos beherrscht. Dass es zuweilen zum cheap shot verkommt, sollte man nicht den Bösen zu Gute halten, die Moore immer wieder mit Namen und Adresse nennt. Er nutzt die gleichen Mechanismen wie die, die er angreift. Aber er deckt dabei eben tatsächlich auch auf. Und dieses Ad-absurdum-Führen der Werbebildchen der egozentrisch-kapitalistischen Gesellschaft ist immer wieder sehr befreiend. Man darf diesen Propaganda-Elefanten nur nicht zu ernst nehmen.

Besonders die emotionalen Momente beeindrucken Jana Blanck, die für die Märkische Allgemeine eine Besprechung verfasst hat.
Dennoch sollte man froh sein, dass es die Nervensäge Michael Moore und Filme wie "Sicko" gibt, denn er reicht trotz allem wichtige Themen an ein breites Publikum weiter und deckt katastrophale Missstände in den USA auf. Auch wenn diese Dokumentation alles andere als objektiv ist, ist sie dennoch empfehlenswert.

Dass SiCKO in Europa nicht die thematische Brisanz der vorigen Filme Michael Moores hat, bemerkt Karin Zintz in der Wormser Zeitung.
"Sicko" funktioniert in Ländern mit einem besser funktionierenden Gesundheitssystem eher anders herum: Der deutsche Zuschauer freut sich darüber, dass er trotz Praxisgebühr und Arzneimittelkosten überhaupt noch so gut und günstig versorgt wird.

Jessica Düster im Kölner Stadt-Anzeiger scheinen besonders die tragikkomischen Szenen zu gefallen.
Bei Moores Bildungsreise durch die vermeintlichen Versicherungsparadiese Frankreich und Großbritannien können einem auch als deutschem Kassenpatienten die (Lach-)Tränen kommen. Insgesamt ist diese Sendung mit der dicken, frechen Maus eher darauf ausgerichtet, ein amerikanisches Publikum aufzuklären. Dem Unterhaltungswert ist das dennoch kaum abträglich - besonders im gekonnt zwischen Irrwitz und Tragik pendelnden Finale, in dem der Typ mit der Baseball-Mütze ganz lässig allen Kritikern seiner Methoden vorführt, warum er so einflussreich ist.

Der Zweck heiligt die Mittel, so der Tenor von frida in opinio, dem Leserportal der Rheinischen Post.
Natürlich geht es bei einer solchen Aktion für Michael Moore auch um propagandistische Zwecke. Aber er ist nunmal ein bekennender Polemiker und scheut sich auch nicht, auf dem Emotionsklavier die Noten rauf und runter zu spielen. Was auch nicht zu verurteilen ist, denn mit nackten Daten und Fakten allein erreicht man tatsächlich niemanden. Da wir alle gerne vernunftgesteuert wären, tatsächlich aber emotionsgesteuert sind, brauchen wir halt die krebskranke Frau, die nach Kanada fährt mit dortigem „Schein“-Lebensgefährten zwecks kostenloser Behandlung, um unser Interesse wecken zu lassen.

Dem Autor des Jugendmagazins chilli.cc aus Österreich fehlen die Überraschungsmomente.
Zum einen beweist Moore, auch abseits wütender politischer Propaganda sehenswerte und nachdenkliche Dokumentationen produzieren zu können, zum anderen allerdings versinkt er hierbei zu oft in schamloser Emotionalisierung, die kaum etwas zur Argumentation beiträgt aber zumindest aufwühlt. So ist „Sicko“ kein Meisterwerk á la „Roger & Me“ oder „Bowling for Columbine“, aber auf jeden Fall eine sehenswerte Dokumentation mit genügend Denkanstößen, um auch nachhaltig im Gedächtnis des Zusehers zu verweilen.

Markus Grill nutz SiCKO im Stern zu einer Generalabrechung mit der Pharmaindustrie und dem Trend zur Privatisierung im Gesundheitswesen.
In Deutschland sorgt die Gier der Pharmamultis nur dafür, dass Kassenbeiträge steigen und weniger Geld für Ärzte und anderes zur Verfügung steht. Noch kann Europa stolz auf sein staatliches Gesundheitssystem sein. Doch je mehr wir den Phrasen der Privatisierungs-Ideologen erliegen, je weniger wir uns für Gesundheitspolitik interessieren, desto schneller werden wir am eigenen Leib erleben, was wir jetzt noch mit Schaudern im Kino sehen.

--
Ein Tipp für die Leser aus Österreich: Als Mitglied der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten kommt man zum Sonderpreis von 5 Euro in den Film. Wie ich unser Nachbarland liebe.
 
[SiCKO]
Autor: strappato   2007-10-11   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Kopfschmerzen bei Bayer

Wegen des Verdachts verbotener Preisabsprachen bei rezeptfreien Arzneimitteln wie Aspirin hat das Bundeskartellamt am Donnerstag Büros des Pharma-Konzerns Bayer durchsucht.

Wenn man sich die Preise für rezeptfreie Arzneimittel ansieht, könnte man auf die Idee kommen, dass auch andere Unternehmen bei den Preisgestaltung nachhelfen.
 
[Pharmaindustrie]
Autor: strappato   2007-10-11   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Lilly hält Studiendaten von Cialis zurück

Ein schönes Beispiel, das deutlich macht, warum die Öffentlichkeit der Pharmaindustrie nicht glaubt, hat Ed Silverman im blog "Pharmalot" ausgegraben.

Eli Lilly ist sehr stolz darauf, dass das Unternehmen alle Studiendaten veröffentlicht. Nach dem immer noch anhaltenden Zyprexa-Desaster sollte dies das Vertrauen in das Unternehmen wieder herstellen. Alle? Nicht ganz. Das gilt nicht für die Potenzpille Cialis®. Die Resultate von 7 klinischen Studien bleiben unveröffentlicht - ohne Begründung.

Vertrauenwürdiges und transparentes Handeln sieht anders aus.
 
[Ethik & Monetik]
Autor: strappato   2007-10-11   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Pharmaindustrie: Moody's sieht Zukunft düster

Die Rating-Agentur Moody's setzt die Aussichten der Pharmabranche von "stable" auf "negative".
 
[Pharmaindustrie]
Autor: strappato   2007-10-11   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Anklagen im Betrugsskandal um Fördergelder

Gestern wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Bochum im Betrugsskandal um das Inkubator-Zentrum an der Fachhochschule Gelsenkirchen erste Anklagen erhoben hat. Focus online sieht FH-Prof. Werner N. und den Radiologen Rainer S. , einen früherer Praxiskompagnon von Prof. Dietrich Grönemeyer, auf der Anklagebank.

Hingegen stützt sich die Westdeutsche Zeitung auf Angaben des Sprechers der Staatsanwaltschaft, nach denen Anklage gegen den FH-Professor N. sowie den früheren Leiter eines Werksärztezentrums, Roland Sch. erhoben werden soll.

Bei soviel Beschuldigten, die sogar in U-Haft sassen, können auch Fakten-Fakten-Fakten Journalisten mal durcheinander kommen.

--
Update
Im Deutschlandfunk wird die Version vom Focus bestätigt.
 
[FH Gelsenkirchen]
Autor: strappato   2007-10-11   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Echte Innovation

Lucentis® zur Behandlung der feuchten altersbedingten Makuladegeneration (AMD) wurde kürzlich von Ophtalmologen im Rahmen einer Umfrage der Fachzeitschrift PharmaBarometer zum innovativsten Produkt des Jahres gekürt.

Innovativer finde ich Avastin®, ein für Darmkrebs zugelassenes Medikament, zur Behandlung der AMD einzusetzen.

Wenn man sarkastisch wäre, könnte man Lucentis® als "me-too"-Präparat bezeichnen.
 
[Avastin - Lucentis]
Autor: strappato   2007-10-11   Link   (3 KommentareIhr Kommentar  



 



Stationäre Aufnahme












Letzte Beiträge und Kommentare /  Frohe Weihnachten  (strappato)  /  OH!!!  (kelef)  /  Frohe Weihnachten  (strappato)  /  Subjektive Wahrnehmung  (casadelmar)  /  Sehr interessante Sichtweise,...  (akademischer ghostwriter)  
Zum Kommentieren bitte einloggen

Metainfos über das blog. Kontakt: strappato.

search noeszett Add to Technorati Favorites rss