Medtronic stoppt Defibrillator-Elektrode

Am Montag musste der Medizingerätehersteller Medtronic einen bestimmten Typ von Sonden für implantierbare Kardioverter-Defibrillatoren (ICD oder "Defis") vom Markt nehmen. Grund war die Gefahr von Leitungsbrüchen, die zu Fehlfunktionen führen können. Auf Grundlage der Daten der weltweit 268.000 implantierten Elektroden hat Medtronic fünf Fälle identifiziert, bei denen nicht ausgeschlossen werden kann, dass Brüche in den betroffenen "Sprint Fidelis®" Elektroden eine Rolle beim Tod dieser Patienten gespielt haben.

Die Berichte der deutschen Print- und online-Medien zu der Sache offenbarten wieder einmal die Qualität der Medizin-Fachjournalisten. Da war von Herzschrittmachern die Rede (später klamm und heimlich korrigiert), die Meldungen sind Anfangs ohne Anzahl der betroffenen deutschen Patienten veröffentlicht worden (erst schiessen, dann recherchieren) und der Anteil der Defekte war nie ein Thema (immer die 5 Todesfälle). In einer Agenturmeldung hatte ich sogar gelesen, dass diese Herzimplantate bei Patienten als Ersatz für das eigene Herz eingesetzt werden, bis ein Spenderherz zur Verfügung steht. Vom Stil der Texte, die aus Pressemitteilungen und Agenturmeldungen zusammengestückelt waren, mal ganz abgesehen.

Weitergehende Analysen und Recherchen? Was bedeutet dies für die Patienten, welche Folgen hat es für den weltweit führenden Medizintechnik-Konzern? An sich Fragen, die sich ein engagierter Journalist stellen müsste.

Ein Blick auf die US-Seite von Medtronic hätte ergeben: 268.000 Elektroden, 665 Defekte sind bestätigt. Medtronic spricht von "97.7% [+1.3/-3.0] all-cause lead survival at 30 months. Klingt kompliziert, aber heisst nichts weiter als dass 2,3% der Teile nach 30 Monaten hinüber sind. Von dem Vorgängermodell waren es nur 0,9%. Bei 15.000 betroffenen Patienten in Deutschland sind dies immerhin rund 350, bei denen statistisch ein Defekt zu erwarten war oder noch ist. Wenn man das Konfidenzintervall mit einbezieht, könnten es auch fast 800 sein. Sollte einen Anruf bei einem Experten wert sein - bei Medtronic Deutschland sowieso. Dann wäre in Erfahrung zu bringen, dass Elektroden, die erst vor wenigen Monaten eingesetzt worden sind mit geringem Risiko ausgetauscht werden könnten. Es gibt Ärzte, die das Risiko, je nach individuellen Zustand des Patienten auch bis zu 2 Jahre nach dem Eingriff als relativ niedrig einschätzen. Fibrotisches Gewebe, das das Implantat nach einiger Zeit umschliesst, erschwert einen Austausch.

Jedoch sollen bei Medtronic die älteren nicht anfälligen Elektroden knapp sein. Und wird Medtronic dies bezahlen?

Medtronic? Könnte ja der ein oder andere deutsche Anleger im Portfolio haben.

Medtronic geht von $150 Millionen bis $250 Millionen Einbussen im laufenden Quartal aus - 7% der Umsatzerlöse. Der Aktienkurs ist um 11,2% gefallen. Erste Klagen von Patienten wurden eingereicht. Das Unternehmen hat an dem Markt der ICDs einen Anteil von 50%. Klingt dramatisch, jedoch musste Mitbewerber Guidant (jetzt Boston Scientific) vor zwei Jahren auch einen Rückruf starten. Die Analysten gehen davon aus, dass dies das Unternehmsergebnis stärker als zur Zeit eingeräumt belasten wird.

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Klingt jetzt nach Motzblog. Ich habe nichts gegen Journalisten. Doch der Fall hat mich mal wieder geärgert.
 
[Medizinprodukte]
Autor: strappato   2007-10-16   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Mehr zum sermo-Pfizer Deal



Wall Street Journal Health blog
 
[Internet]
Autor: strappato   2007-10-16   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Selbsthilfe bezieht Stellung

Wie wäre es mit einem Beispiel für die Zusammenarbeit von Selbsthilfe und Pharmaindustrie?

"Der Bundesverband Kleinwüchsige Menschen und ihre Familien e.V." (BKMF) hat im September eine pdf-DateiStellungnahme zu sog. "Biosimilars" veröffentlicht. Das ist ein heisses Thema, da die ersten gentechnisch hergestellten Biologicals ihren Patentschutz verloren haben und in den nächsten Jahren weitere folgen werden. Eines der ersten ist das Wachstumshormon Somatropin, das seit 2006 als Biosimilar mit dem Namen Omnitrope® von Sandoz im Handel ist. Daher ist Somatropin ein Kampfplatz, auf dem über zukünftige Umsätze mit anderen Biologicals entschieden wird.

Die Stellungnahme des BKMF ist inhaltlich identisch mit der Position des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (VFA), zuletzt geändert im August 2007.

Zusätzlich äussert der BMKF noch Bedenken gegen Omnitrope®, weil der Injektions-Pen ein "Gefährdungspotential" darstellt. Wenn dies stimmt, wäre das eigentlich ein Fall für die Aufsichtsbehörden.

Wo findet man die VFA-Mitglieder und Somatropin-Originalhersteller Pfizer (Pharmacia), Lilly und Novo Nordisk vereint mit dem BKMF? Im Forum Wachsen, einer Veranstaltung der Pharmakonzerne.

Über diesen Satz denken wir noch einmal in Ruhe nach:
Keineswegs kann und darf es uns bei unserem Anliegen um die Unterstützung von Interessen einzelner Biopharmazeutika-Hersteller gehen, zumal unser Verband sich dazu in seinen „Leitlinien zur Zusammenarbeit mit der pharmazeutischen Industrie“ selbst verpflichtet.

 
[Selbsthilfe]
Autor: strappato   2007-10-15   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  



 

Blogs richtig zitieren

Wie werden blogs zitiert? Die NLM gibt eine Antwort.

strappato: Stationäre Aufnahme [blog on the internet]. [place unknown]: strappato [2007 Oct] - [cited 2007 Oct 14]. Available from: http://gesundheit.blogger.de/. German.

Irgendwie fehlt mir da der Permalink. Permalinks waren mal das, was die blogs von Tagebüchern unterschied.
 
[Wissenschaft]
Autor: strappato   2007-10-15   Link   (3 KommentareIhr Kommentar  



 

Sanofi-Chef sieht Ende der Preisspirale

Sanofi-Aventis CEO Gérard Le Fur sieht ein Ende der Preisspirale bei neuen innovatien Medikamenten. In einem Interview mit der Financial Times sagt er voraus, dass die Menge wichtiger sein wird, als der Preis.
Referring to the high price of biological, protein-based drugs such as those for cancer, Mr Le Fur said that, with greater volumes, "the price of biotherapies will reduce towards that of more classic drugs".

Spannend, wie die Pharmakonzerne dann die milliardenschweren Übernahmen von Biotech-Unternehmen ihren Aktionären erklären.
 
[Pharmaindustrie]
Autor: strappato   2007-10-15   Link   (6 KommentareIhr Kommentar  



 

Pfizer goes Social Community


Pfizer hat eine Kooperationsvereinbarung mit "sermo" einer schnell wachsenden amerikanischen Social Community für Ärzte abgeschlossen.

Interessant ist, dass der Dienst im September 2006 als werbefreies Forum gestartet worden ist, um Ärzten die Diskussion über Nebenwirkungen, Einfluss der Pharmaindustrie und Pharmaberater zu ermöglichen. Nach der Meldung der Agentur AP waren es die Ärzte, die sich für eine Beteiligung der Pharmaindustrie ausgesprochen haben.

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Hier ein guter Kommentar mit Hintergründen auf dem blog xconomy.
So, to recap, tomorrow morning a bunch of drug-industry representatives—members of a group that’s probably tied with insurance bureaucrats for second-most appearances on doctors’ lounge dart boards (surely lawyers top the list)—are going to slap on their virtual Pfizer badges and step inside a close-knit, incredibly self-protective community of doctors. I would love to be a fly on that wall but, though Sermo has previously granted journalists limited-time observer accounts, the company decided against it this time. Still, I’m thinking this is an experiment that potentially affects all of us, in that it’s an opportunity, in some small way, for better or worse, to change the complicated relationship between money and medical knowledge.

 
[Internet]
Autor: strappato   2007-10-15   Link   (2 KommentareIhr Kommentar  



 

Ethisch unangreifbar

In der FTD. Ein schlecht recherchierter Artikel über die Finanzierung von Selbsthilfegruppen durch Spenden der Pharmaindustrie.

Das Problembewusstsein in der Pharmaindustrie wird durch dieses Zitat deutlich:
Freiwillige Selbstkontrolle der Arzneimittelindustrie" (FSA) arbeitet derzeit im Auftrag des VFA an einem Kodex, der verbindliche Standards für die Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen festlegen soll. Ziel sei es, so Knoll, den Firmen "ethische Unangreifbarkeit" zu verleihen.

Meine Vermutung. Am Ende wird der schwarze Peter bei den Selbsthilfeverbänden liegen. Professionelles Marketing gegen engagierte Betroffene und Laien.
 
[Selbsthilfe]
Autor: strappato   2007-10-14   Link   (7 KommentareIhr Kommentar  



 

Schöne Träume dank Pfizer



Der Werbespot der von Pfizer gesponserten Rauchstopp-Kampagne Serious Quitters in Grossbritannien hat was Psychedelisches.

Nicht zu unrecht. Von Pfizers Rauchentwöhnungs-Pille Champix® (in den USA Chantix®) wird berichtet, dass sie auch zu schöneren, intensiveren Träumen verhilft.
Wow, this is just too funny. I've been dreaming of George Clooney!! Before Chantix, I don't believe that I've every dreamed of him, but for the past week he visits me every night (;

 
[Champix]
Autor: strappato   2007-10-14   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 



Stationäre Aufnahme












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