Unabhängige Expertengremien

Ein bislang nicht namentlich bekanntes Expertengremium soll Merck und Schering Plough den Rat erteilt haben, den primären klinischen Endpunkt der ENHANCE-Studie nach Abschluss der Studie zu ändern. Diese Entscheidung der beiden Konzerne hatte in der Fachwelt zu Empörung und Kritik geführt und zusammen mit anderen Merkwürdigkeiten rund um diese Studie eine Untersuchung des amerikanischen Kongresses ausgelöst.

Das Geheimnis um die Namen der Mitglieder des Expertengremiums ist mittlerweile gelüftet worden. Schering-Plough-Sprecher Lee Davis betont die Unabhängigkeit der beteiligten Experten:
I will confirm that this was an independent expert panel.

Das amerikanische Blog Health Care Renewal hat sich den naheliegenden Spaß erlaubt, die fünf "unabhängigen" Herrschaften mit einer simplen PubMed-Recherche auf bekannte Interessenkonflikte hin abzuklopfen:
- J. Robin Crouse - "Dr Crouse reported receiving grant or salary support from Merck, Merck-Schering Plough, Pfizer, AstraZeneca, and Kos Pharmaceuticals; and giving lectures for Merck, Merck-Schering Plough, Pfizer, AstraZeneca, Abbott, and Kos Pharmaceuticals." (1)

- Gregory W. Evans - "Mr Evans reported receiving grant support and honoraria from AstraZeneca, Organon, and Pfizer; and being a consultant to AstraZeneca and Pfizer."(1)

- David G. Orloff - "David G. Orloff, MD, serves as a consultant to Amylin, AstraZeneca Pharmaceuticals LP, Bristol-Myers Squibb, Glaxo-SmithKline, ISIS, Merck & Co., Inc., Novo Nordisk, Pfizer Inc, Roche, Takeda Pharmaceuticals, Vivus, and Wyeth; and owns stock in Abbott Laboratories Inc., Amgen, Genentech, Genzyme, Johnson & Johnson, Eli Lilly, Merck & Co., Inc., Pfizer Inc, and Wyeth."(2)

- Michiel L. Bots - "Dr Bots reported receiving study grants for studies on carotid intima-media thickness and/or honoraria for professional input on carotid intima-media thickness issues from AstraZeneca, Icelandic Heart Foundation, Organon, Pfizer, the Netherlands Heart Foundation, the Netherlands Organisation for Health Research and Development, Servier, and Unilever."(1)

- James H. Stein - " Dr Stein has received research or grant funding from AstraZeneca, Bristol-Myers Squibb, Kos, LipoScience, PreMD, and Sanofi-Aventis, in addition to serving as a consultant to or on the speakers’ bureau for Kos, LipoScience, Merck, Pfizer, Schering-Plough, and Takeda."(3)

Das kann niemanden überraschen, der die finanziellen Abhängigkeiten der Autoren der im Jahr 2004 verschärften amerikanischen "Cholesterol Guidelines" kennt, die in Ermangelung eines nachgewiesenen Patientennutzens die Grundlage für die mit dem Wirkstoff Ezetimb erzielten Milliardenumsätze bilden.
 
[Ezetrol]
Autor: hockeystick   2008-01-12   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  



 

„Qualitätsstandards sind gefragt“

Bei der gestrigen Diskussionsrunde in Berlin hat sich Hans-Ulrich Jörges vom Stern dafür stark gemacht, dass journalistische Onlineprodukte in Zukunft definierte Qualitätsstandards einhalten möchten.

Bei der Ausformulierung könnte ihm ein Fallbeispiel aus dem eigenen Hause behilflich sein. Dieses habe ich schon in den Kommentaren zur Sprache gebracht, möchte es aber auf besonderen Wunsch noch einmal in angemessener Weise würdigen.

1. Der Marktführer für Schönheitsoperationen in Deutschland ist die Klinikkette Mang Medical One AG, durch Fusion aus der Klinikkette Medical One AG und der "Bodenseeklinik" des selbst weniger schönen Schönheitschirurgen und dennoch im Fernsehen omnipräsenten HNO-Arztes Werner Mang hervorgegangen. Die Kette gibt laut einem Spiegel-Bericht 28/2007 enorme Summen für Marketing und PR aus und sei nicht zuletzt deshalb hochdefizitär.

2. Die Medical One AG findet sich in den Referenzen der MCG Medical Consulting Group, einer "Unternehmensberatung für Kommunikation mit Sitz in Düsseldorf, deren Kunden aus dem Medizin- und Pharmamarkt stammen" (wer behauptet, die MCG sei eine Düsseldorfer Marketingagentur für Medizinprodukte, muss mit anwaltlichem Widerspruch rechnen). Die MCG war oder ist daneben auch über personelle Verflechtungen mit der Klinikkette verbunden; MCG-Geschäftsführer Guido M. wurde vom Handelsregister als einer der Hauptaktionäre der Medical One AG ausgewiesen. Teil des Leistungsumfangs:
In Kooperation mit einem unserer Netzwerk-Partner haben wir ergänzend eine Vermarktungsstrategie entwickelt, die den Kontakt mit den Usern im Internet genau dort herstellt, wo nach Informationen rund um die Leistungsspektren der Medical One AG gesucht wird. Eine Vier-Flanken-Strategie bestehend aus Key-Word-Targeting, Pop-Up-Kampagne, Online-Kooperationen und einer cross-medialen-Verkoppelung stellt sicher, dass sich ein Interessent und damit ein potentieller Patient zwangsläufig irgendwann auf der Internetplattform der Medical One AG wiederfindet.

3. Der "Informationsanbieter für Medizin, Gesundheit und Wellness" BertelsmannSpringer Medizin Online (BSMO) [Edit: firmiert mittlerweile als BSMO Business Solutions Medicine Online] zählt neben unzähligen Pharmafirmen auch die Medical Consulting Group zu seinen Kunden. Die Mission von BSMO ist klar:
Gemeinsam entwickeln wir mit Ihnen Konzepte und die dahinter stehenden Lösungen, die Ihre Produkte erfolgreich bei Ihrer Zielgruppe positionieren.

4. Stern.de wird von BSMO mit "medizinischen Inhalten" versorgt:.
Wir freuen uns, die User von stern.de ab sofort mit weiteren aufschlussreichen Beiträgen und nützlichen Ratschlägen rund um Ernährung, Wellness und Medizin zu versorgen.

5. Bei stern.de (und auch im gedruckten Stern) gibt es immer wieder wohlwollende Berichte und Serien über Schönheitsoperationen. Unter der Überschrift "Dünner, hübscher, jugendlicher" ist beispielsweise zu lesen:
Jürgen Tacke, Plastischer Chirurg an der Hamburger Medical-One-Klinik, hat kurz vor dem Eingriff die Problemzonen an Manuela Ehlers Bauch mit einem Spezialstift markiert. Jetzt schneidet er an den blauen Linien mit einem Skalpell in die Haut.
Tenor des Artikels: Schönheitsoperationen liegen voll im Trend, sollten aber von qualifizierten Kräften durchgeführt werden:
Dass keineswegs nur seriöse Körper-Künstler am Werk sind, zeigt auch der Fall eines Chirurgen, der im vergangenen Jahr vom Hamburger Landgericht wegen 15 verpfuschter Operationen verurteilt wurde. Er hatte beim Fettabsaugen in seiner Privatpraxis "Face Aesthetik" Dellen und Krater an Beinen, Bauch und Gesicht fabriziert und unterschiedlich große Brüste modelliert.
Das passt ganz hervorragend zum zentralen Claim der Medical One AG:
Nach dem Grundsatz "Sicher zum gewünschten Ziel" arbeiten die Kliniken der Medical One AG bundesweit nach den gleichen Standards: die Leitung der Häuser liegt ausschließlich in den Händen von plastischen Chirurgen mit Spezialisierung auf den Ästhetischen Bereich, alle Kliniken sind staatlich konzessioniert, Produkte und Materialien sind zertifiziert und die Behandlungsqualität wird intern durch eine Qualitätskommission und extern durch ein unabhängiges Gremium kontrolliert.

Win-Win-Win-Win-Journalismus.

_

Dass die BSMO an der Seite der MCG in Sachen Schönheitsoperationen unterwegs war, kann man übrigens auch hier nachlesen.
 
[Journalismus]
Autor: hockeystick   2008-01-11   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  



 

Von Medizinjournalisten aufbereitet

Zusätzlich haben Pharmaindustrie und Medizintechnik-Hersteller die Möglichkeit, aktuelle Forschungsergebnisse, Firmenportraits oder Produktbesprechungen zu publizieren. Alle eingehenden Texte werden dabei von Medizinjournalisten der Thieme Verlagsgruppe auf ihre wissenschaftliche Qualität hin geprüft und mediengerecht aufbereitet.
Aus einer Pressemitteilung des einschlägig bekannten Thieme Verlags.
 
[Journalismus]
Autor: hockeystick   2008-01-10   Link   (2 KommentareIhr Kommentar  



 

Journalisten nicht häufiger Stalking-Opfer

Rechtzeitig zur grossen Blogger vs. Journalisten Diskussion heute abend in Berlin: Journalisten sind beruflich keinem erhöhten Risiko, Stalking-Opfer zu werden, ausgesetzt. Journalismus ist also kein risikoträchtiger Beruf, was man von bloggen nicht immer sagen kann.

Die Autoren einer Studie, die kürzlich in der Zeitschrift "Das Gesundheitswesen" (Thieme Verlag...) veröffentlicht wurde, gingen von der Hypothese aus, dass aufgrund der spezifischen beruflichen Tätigkeit, beispielsweise durch Meinungsäusserung in der Öffentlichkeit oder die Recherche in besonders gefährdeten Arbeitsbereichen, Journalisten einem erhöhtem Risiko ausgesetzt sein könnten, in das Visier von Stalkern zu geraten.

Ergebnis: 15,7% aller Stalkingfälle bei den befragten 493 Journalisten waren ausschliesslich auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen. Die Lebenszeitprävalenz - der Anteil derer, die irgendwann im Leben Stalking-Opfer wird - ist in der Gruppe der Journalisten mit 14,2% nur geringfügig höher als in einer repräsentativen Bevölkerungsstichprobe. Die Autoren geben an, dass sich auch bezüglich anderer Aspekte, wie Dauer, Methoden, gesundheitliche Folgen oder Aggressivitätspotential, keine Unterschiede zwischen beruflich bedingten und anderen Stalking-Fällen finden liess. Auffallend war lediglich, dass die Mehrheit der gestalkten Journalisten männlichen Geschlechts war, währenddessen sonst hauptsächlich Frauen Stalking-Opfer werden. Auch reagierten die Journalisten abgeklärter auf aggressive Übergriffe und Drohungen. Was die Wissenschaftler auf das männliche Rollenverhalten zurückführen.

Wir sähe das bei Bloggern aus, die stärker als Journalisten in der Internet-Öffentlichkeit stehen und durch pointierte Meinungsäusserung polarisieren? Ausserdem sind sie durch Impressumspflicht eher von Stalkern identifizierbar. Auch könnten sich Blogger bei Stalking-Fällen eher alleine fühlen, da sie schwieriger mit Kollegen oder Vorgesetzten darüber sprechen können, wie es 72,7% der befragten Journalisten angaben.

Internet-Stalking wurde in der Studie nicht erwähnt. Aber Journalisten und Internet ist ja sowieso ein kompliziertes Thema, was heute abend sicher offenkundig wird.

--
Es gibt von der Veranstaltung "Regeln oder Anarchie? – Journalismus im www" einen Live-Stream ab 19:00 Uhr:
http://www.djv.de/livestream
 
[Journalismus]
Autor: strappato   2008-01-10   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 



Stationäre Aufnahme












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