Champix® als Zwangsbehandlung?

Pfizers Anstrengungen, die Nikotinentwöhnpille Champix® (in den USA Chantix®) an den Raucher zu bringen, haben eine neue Qualität erreicht. Unter dem Title "Kicking the Habit: How Pharmacists Can Contribute to Successful Smoking Cessation" findet am 24.-26. Oktober ein von Pfizer gesponserter Workshop am Rahmen der Fortbildungstagung "44th Annual Pharmacy Refresher" der Dalhousie University in Kanada
pdf-Dateistatt.
Der Referent, Gerry Brosky, hat ein eigenes Verständnis von Verhaltensänderung:
The people I’m looking for very specifically don’t want to quit," he said. "So I have to turn away a lot of people who tell me they are ready to quit right now."
So beschreibt in einer kanadischen Zeitung die Teilnehmer einer Studie, die er gerade durchführt. Champix® für Raucher, die gar nicht aufhören wollen. Zwangsbeglückung mit einem Medikament, das wegen seiner schweren Nebenwirkungen bei gleichzeitig bescheidener Wirkung öffentlich in die Kritik geraten ist.

Das geht in die gleiche Richtung, wie die Bemühungen, Raucher mit chronisch Erkrankten gleichzusetzen. Nicht nur, dass dann die Krankenkasse für die Therapie mit Champix® zahlen müsste, auch wäre der Druck, trotz mangelnder Einsicht eine Entwöhnungstherapie zu beginnen ungleich grösser. Und da gibt es nur Champix®, denn ein Suchttherapeut würde keine Raucher beraten, bei denen der Wille zum Aufhören fehlt.
 
[Champix]
Autor: strappato   2008-10-11   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  



 

Links am Samstag

Geadeltes Medikament - Der Nobelpreis an einen deutschen Krebsforscher ist eine gute Nachricht für die Pharmaindustrie. Eine bessere PR für die umsatzstärkste Arznei gibt es kaum.

Betriebsrat in Sorge um Jobs bei AstraZeneca.

Gute Gene – schlechte Gene. Wer will sein Schicksal kennen? - Reportage vom 8.10.2008 im Ersten.

Experts Conclude Pfizer Manipulated Studies.

Ärzte können nicht messen, was ein Leben wert ist - Streitgespräch zwischen dem Ökonomen Wolfgang Greiner und dem IQWiG-Leiter Peter Sawicki.

Medizinforschung: Vom Teufel bezahlt? - Geld von der Tabakindustrie: Streit um ein von der Morris-Stiftung gefördertes Projekt des Deutschen Herzzentrums Berlin.

Haut statt Brust - Mediziner haben mehr als 30 Jahre lang an vermeintlichen Brustkrebszellen geforscht. Viele wichtige Ergebnisse sind nun vermutlich wertlos.

Schmerz, lass nach - In einem Vergleich zahlt Merck & Co. Vioxx-Patienten in den USA fast 5 Mrd. $. Hierzulande Betroffene sind bislang leer ausgegangen - schuld ist das deutsche Arzneimittelgesetz.

Das Risiko trägt der Steuerzahler - Professor Jürgen Wasem über Gefahren, die dem Gesundheitsfonds aus der Finanzkrise erwachsen.

The future of pharma - GSK's research leaders answer Nature's questions about where their company — and their industry — is headed.

Modern Health Care for All Americans by Barack Obama.

‘Thanks, But No Thanks’; Pfizer Sues over Free Viagra Advertising - Das geht raketenmässig ab.

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Nachtrag:
Medica 2008: Medizin im Zeichen des Mitmach-Webs - Für ihn ist es ein gewaltiger Fortschritt, wenn sich etwa das US-amerikanische Center for Disease Control auf der Internetplattform Second Life engagiert und dort Fragen zur Übertragung von Sexualkrankheiten beantwortet.
 
[Links]
Autor: strappato   2008-10-11   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

J&J zahlt 68,7 Millionen Dollar an Evra-Opfer

Johnson & Johnson (J&J) hat sich zu Schadensersatzzahlungen von mindestens 68,7 Millionen Dollar an hunderte Frauen bzw. deren Angehörigen bereit erklärt, die durch die Verwendung der Verhütungspflasters "Ortho Evra®" venöse Thromboembolien, Herzinfarkte und Schlaganfälle erlitten hatten. Der sehr ausführliche Report bei Bloomberg nennt auch Zahlen. So sollen typischerweise Todesfälle mit mehr als 1 Million Dollar, Fälle von tiefer Venenthrombose mit 125.000 bis 175.000 Dollar und Lungenembolien mit 140.000 bis 300.000 Dollar abgefunden worden sein. Die Summen hängen von den Umständen des jeweiligen Falles ab.

Über 4000 Frauen und deren Familien hatten gegen J&J Klage eingereicht, weil J&J es versäumt haben soll, in der Werbung auf das erhöhte Risiko von Thrombosen gegenüber den üblichen oralen Kontrazeptiva hinzuweisen.

Die enthaltenen Östrogenmengen der US-Variante und der des in Europa verkauften Pflasters unterscheiden sich geringfügig. Janssen-Cilag, die deutsche Tochterfirma der Pharmakonzerns Johnson & Johnson (J&J), steht auf dem Standpunkt, dass es sich bei Evra® um ein gänzliches anderes Produkt als das amerikanische handele. Doch die tägliche Hormonabgabe ist laut Herstellerangaben für beide Evras genau gleich. Bei beiden sollen 20 Mikrogramm Östrogen täglich direkt ins Blut gehen. Der WDR hatte im April 2006 einen aufschlussreichen Beitrag gesendet, in dem auch Wolfgang Becker-Brüser, der Herausgeber des Informationsdienstes Arznei-Telegramm, seine Bedenken zu dem Verhütungspflaster äusserte. Die Stiftung Warentest hatte im Juli 2008 die Konsumentinnen über eine neue Studie zum Risiko von Ortho Evra® informiert und zur Vorsicht geraten, insbesondere bei Frauen, die bereits ein erhöhtes Risiko für Thrombosen haben.
 
[Evra]
Autor: strappato   2008-10-10   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Berlin freut sich über Pfizer wie dumm

Pfizer hat heute seine Deutschlandzentrale in Berlin eröffnet und Berlin freut sich. Gibt ja sonst selten Positives aus der arm-aber-sexy-Hauptstadt zu berichten. Stolz wird in den Berliner Medien auf die 500 Arbeitsplätze verwiesen, die Pfizer in Berlin geschaffen hat. Im journalistischen Freudentaumel gehen einfache Grundrechenarten verloren.

500 Arbeitsplätze bzw. 60% der Mitarbeiter aus Karlsruhe. Danach müsste Pfizer in Baden über 830 Köpfe beschäftigt gehabt haben. Geschäftsführer Penk hatte in einem Interview die 60% klar auf die 645 Mitarbeiter bezogen, was für Berlin nur 380 neue Stellen bedeutet. Büroraum sollte es am Potsdamer Platz nur für 300 "permanente" Festangestellte und 100 "flexible" Mitarbeiter geben. Die 380 sind auch noch hoch gegriffen. Nach meinen Informationen pendelt ein Teil der Mitarbeiter von Karlsruhe nach Berlin für 1-2 Jahre bis zu ihrem Ausscheiden. Was den Arbeitsplatzzuwachs für Berlin weiter senkt.

Der Pfizer-Sprecher sagt auch vage, die 500 wären eine "Momentaufnahme". Kein Wort vom dauerhaften Umfang der Belegschaft in Berlin. Und der Rest der Mitarbeiter?
Der Rest wollte oder konnte nicht mit – trotz Schnupperreise und Hilfe bei der Wohnungs- und Kitaplatzsuche durch das Unternehmen.
Rührend. Als wenn es keine Stellenstreichungen beim angeschlagenen Pharmakonzern gegeben hätte, die alleine nach den Planungen vom Januar 2007 für Karlsruhe 320 Mitarbeiter den Job kosten sollten.

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Viel zu feiern hat Pfizer nicht: Die Pfizer Aktie erreichte heute den tiefsten Kursstand seit Juni 1997.
 
[Pharmaindustrie]
Autor: strappato   2008-10-09   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  



 

Gesundheitsfonds belohnt "kranke" Krankenkassen

Ich werde Ende der Woche noch etwas zum Gesundheitsfonds schreiben. Aber eine Anmerkung kann ich mir nicht verkneifen. Die erste Krankenkasse hat angekündigt, den Versicherten 2009 Prämien zurückzuzahlen. Was verwundern könnte: Es ist die Knappschaft. Eine Krankenkasse, die erst seit dem 1. April 2007 für alle gesetzlich Versicherten frei wählbar ist und die vorher jahrelang durch Bundeszuschüsse am Leben erhalten wurde. Eine Kasse, die 2006 noch einen Rentneranteil von 75% und ein Durchschnittsalter der Versicherten von 72 Jahren gehabt hat.

Besser kann man nicht verdeutlichen, dass der morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) tendenziell Kassen mit Versicherten belohnt, die an den vom Morbi-RSA berücksichtigten Erkrankungen leiden. Überspitzt: Prävention lohnt für die Krankenkassen sich nur, wenn es die Patienten mit dem Morbi-RSA-Krankheiten vom Arztbesuch oder Klinikaufenthalt abhält.

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Natürlich ist bei der Ankündigung ein gutes Stück Marketing dabei. Eine derart überalterte Kankenkasse ist auf neue Mitglieder angewiesen.
 
[GKV & PKV]
Autor: strappato   2008-10-09   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Grossbritannien setzt auf Schockbilder


Grossbritannien ist das zweite Land der EU, in dem Fotos auf den Zigarettenpackungen vor den Gefahren des Rauchens warnen. Rumänien hatte im im Juli die Hersteller dazu verpflichtet, Belgien schon 2007.

Damit brauchte es fünf Jahre, bis der Vorschlag der EU zumindest in drei Mitgliedsländern umgesetzt worden ist.

In Deutschland wird sich kein Politiker so schnell nach der Diskussion um die Rauchverbotsgesetzgebung, die sogar für die Niederlage der CSU bei den Landtagswahlen verantwortlich gemacht wird, an Schockbilder auf Zigarettenpackungen wagen.
 
[Public Health]
Autor: strappato   2008-10-09   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 



Stationäre Aufnahme












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