Ich will blaue Lippen


Was will die Dame mit dem blauen Mund wohl? Nicht das, an was jetzt viele denken würden. Es ist ein Ausschnitt aus einer Anzeige, die für Ixoten, ein Krebsmedikament von Baxter werben soll und die beispielsweise in der aktuellen Ausgabe der Pharmazeutischen Zeitung erschienen ist.

Ziemlich geschmacklos, angesichts der Indikation "Therapie von Non-Hodgkin-Lymphomen nach Versagen von Standardtherapie". Eine Krebserkrankung von der hauptsächlich ältere Menschen betroffen sind. Ixoten® wird zur Palliativbehandlung eingesetzt, um die mit dem Krebs verbundenen Beschwerden zu lindern.

Das Produkt ist keine Innovation, sondern schmeichelnd ausgedrückt ein "Klassiker" und wird vom arznei-telegramm als umstrittenes Therapieprinzip bewertet. Durch die Kampagne soll mit einem alten Wirkstoff, der in der Therapie kaum noch Bedeutung hat, noch einmal Umsatz generiert werden. Um das rechtlich und preislich abzusichern ist im Juli 2007 von Baxter der das Herstellungsverfahren patentiert worden.

Die Werbeagentur Unterweger und Partner zeigt sich stolz angesichts ihrer Kreativität:
Ein solches Motiv ist im Bereich Onkologie vollkommen ungesehen - und damit ideal geeignet, um ein bereits Jahrzehnte altes Präparat bei der Zielgruppe wieder ins Gedächtnis zu rufen.

Eine Zielgruppe die relativ klein ist. Wenn man die Fachinformationen zu dem Medikament ernst nimmt, dann sollte Anwendung von Ixoten nur durch einen in der Onkologie erfahrenen Arzt erfolgen.

Das aggresive Marketing ist ein Trend, der aus dem USA kommt, wo für verschreibungspflichtige Medikamente auch ausserhalb der Fachkreise geworben werden darf. Am Dienstag hat das Forschungsunternehmen "IAG Research" eine Studie zu den Pharmakampagnen mit dem höchsten Wiedererkennungswert vorgelegt. Unter diesen sind ein Reihe von Spots und Anzeigen, die besonders negatives Aufsehen erregt haben.
 
[Pharmamarketing]
Autor: strappato   2007-10-26   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  



 

Sponsor-Bias bei Studien zu inhalativen Steroiden

Eine Studie, die kürzlich in Archives of Internal Medicine veröffentlicht wurde, zeigt wieder einmal den "Sponsor-Bias" bei klinischen Studien.

Diesmal bei der Wirkung von inhalativen Steroiden. Signifikante Unterschiede in der Häufigkeit von Nebenwirkungen im Vergleich zur Kontrollgruppe traten nur halb so häufig auf, wenn die Studie von den Herstellern gesponsert wurde. Grund war das unterschiedliche Design der Studien. Wenn Pharmakonzerne beteiligt waren, wurden niedrigere Dosierungen eingesetzt oder die Patienteneinteilung wurde über die gesamte Studienzeit beibehalten.
 
[Klinische Studien]
Autor: strappato   2007-10-26   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  



 

Off-label Marketing in den USA


PharmedOut, eine Gruppe unabhängiger Ärzte, die sich zum Ziel gesetzt haben, die unethische und irreführende Werbepraxis der Pharmaindustrie aufzudecken und darüber zu informieren hat ein neues Video veröffentlicht.

Adriane Fugh-Berman spricht mit Douglas Melnick, wie Pharmakonzerne die Einschränkungen für das off-label Marketing in den USA umgehen. Als Hintergrundinformation: Medical science liaisons (MSL's) sind Ärzte und Pharmazeuten, die in Pharmaunternehmen angestellt sind und legal Fragen zur nicht zugelassenen Anwendung (off-label) beantworten dürfen. Pharmaberater versuchen nun beim Arztbesuch das Gespräch auf den off-label-use zu bringen, um die Fragen an die MSLs weiterzugeben. Der MSL kontaktiert dann ganz legal den Arzt und kann ihn informieren.
 
[PharmedOut]
Autor: strappato   2007-10-26   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Win a free MRI

Der Traum eines jeden Hypochonders - der eigene Magnetresonanztomograph. Mein Tipp: Schnell ein Krankenhaus in den USA kaufen. Siemens verschenkt einen MAGNETOM Essenza, der den Markt der kleinen Kliniken erschliessen soll.

Der Wettbewerb Win a free MRI läuft ganz Web2.0-mässig ab. Kliniken müssen ein Video einreichen, mit dem sie begründen, warum sie das Gerät dringend brauchen. Da werden dann Beiträge erstellt, wie das Video vom Northwest Medical Center in Albany, MO. "Happyness is a free MRI" - eine gesungener Aufruf zur Melodie von "Rudolph, The Red-Nosed Reindeer". Die User entscheiden.

Wobei immer noch gilt: There's no such thing as a free lunch. Siemens übernimmt die Wartungskosten für ein Jahr.
 
[Medizinprodukte]
Autor: strappato   2007-10-25   Link   (2 KommentareIhr Kommentar  



 

Irland getting SiCKO


Den Patienten in Irland wird Michael Moores "SiCKO" ebenfalls ein Déjà-vu-Erlebnis bescheren, wenn der Film Freitag dort in die Kinos kommt. Und er wird die Diskussion um den Zustand der Gesundheitsversorgung weiter anheizen. Nicht einmal 1,5 Flugstunden von Deutschland entfernt, in einem EU-Land, das in den letzten 10 Jahren einen unglaublichen Wirtschaftsaufschwung erlebte und dessen Pro-Kopf-Einkommen innerhalb der EU nach Luxemburg auf Rang 2 liegt, und somit 30% höher als in Deutschland, herrschen im Gesundheitswesen katastrophale Zustände.

Der whistleblower "Doctor X" seziert in seinem kürzlich erschienen Buch "The Bitter Pill - An Insider's Shocking Exposé of the Irish Health System" schonungslos die Fehler der Versorgung. Das Buch fand ich atemberaubend, da alle negativen Aspekte, die einem so einfallen, sich in Irlands Krankenhäusern kummulieren. Von Vetternwirtschaft über mangelnde Hygiene, falsch verstandene kollegiale Solidarität, Gewinnsucht, Cream Skimming, fehlende klare Verantwortung, bis Rasissmus. Dass "Doctor X" mit dem Finger in der richtigen Wunde puhlt, sieht man an den Schlagzeilen, die es alleine im letzten halben Jahr bis ins Deutsche Ärzteblatt geschaftt haben:

Irland: Pädiatrische Versorgung mangelhaft
Die von der Weltgesundheitsorganisation gesetzten Impfquoten werden bei uns nicht erreicht.
Irische Patienten häufig zu lange in Psychiatrie
Zwischen November 2006 und Juni 2007 seien landesweit mehr als 500 Patienten gegen ihren Willen in psychiatrischen Kliniken festgehalten worden, ohne dass diese Patienten die Gelegenheit gehabt hätten, ihre Einweisungen von einer unabhängigen Schiedsstelle überprüfen zu lassen.
Zu wenig Laborkapazitäten in Irland
... kommen offenbar „monatlich dutzende“ Zervixabstriche mit einem falschen Ergebnis zurück. Das Cork University Hospital (CUH) schickt seit Jahresbeginn alle Zervixabstriche zu einem privaten Laborbetreiber in den US-Bundesstaat Texas.
Hausärztliche Versorgung irischer Migränepatienten unzureichend
Oftmals ist es einfacher für den schmerzgeplagten Patienten, in die Notaufnahme des nächsten Krankenhauses zu gehen anstatt zum Hausarzt.
Irische Patienten leiden unten langen Wartezeiten
... warten derzeit rund 15.000 Patienten auf eine Operation in einem staatlichen Krankenhaus. Rund 4.500 dieser Patienten warten bereits länger als zwölf Monate auf den Eingriff.
Nach Angaben des irischen Ärztebundes seien Wartelisten in der irischen Gesundheitspolitik inzwischen ein legitimes Mittel zur Rationierung von Gesundheitsleistungen.

Im Juni hatte die ehemalige Vorsitzende des irischen Ärztebundes, Christine O’Malley eine Breitseite gegen das Gesundheitsministerium abgefeuert.
Kliniken würden von Managern angewiesen, kompliziertere Krankheitsfälle beziehungsweise multimorbide Patienten abzulehnen, da deren Behandlung „zu zeitaufwendig und teuer“ sei.

Eine Medizinjournalistin sieht Irland, wenn es nicht zu durchgreifenden Reformen kommt, getting SiCKO.
'Sicko' shows that the American healthcare industry is one of the biggest and the most corrupt in the US and says we are importing a discredited and disreputable system.

Warum sollte dies in Deutschland verfolgt werden? Ausser von Touristen, die mit dem Billigflieger nach Dublin jetten und eine private Urlaubskrankenversicherung abschliessen müssen? bytheway: Wäre eine prima Idee für den Bordverkauf bei Ryan Air.

In Irland hat das Gesundheitssystem im Wesentlichen zwei Säulen: Es gibt eine staatlich finanzierte Grundversorgung, in deren vollen Genuss aber nur Geringverdienende kommen. Alle anderen müssen kräftig zuzahlen und sich über die Grundversorgung hinaus privat absichern. Wer das nicht kann, ist Patient zweiter Klasse. Ein System, das von Wettbewerb und Wahlfreiheit geprägt ist. Lösungen, die unser Gesundheitsystem flottmachen sollen.

Das Buch ist eine "Anleitung zum Unglücklichsein" für alle die sich um die weitere Privatisierung des Gesundheitswesen Gedanken machen. In so dichter Form habe ich die Folgen von falschen Anreizstrukturen niemals vorher gelesen.
 
[Ausland]
Autor: strappato   2007-10-24   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 



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