Wenn Journalismus krank macht

Wenn man den Artikel in der ZEIT liest, dann wirft man glatt die Medikamente aus dem Fenster und geht nur noch zum Heilpraktiker. Ungeheuerlich. 40.000 Medikamente und keines ist anständig geprüft.

Das Arzneimittelverzeichnis Rote Liste, in dem wohl 98% der verordneten Medikamente enthalten sind, kennt nur 2387 Wirkstoffe und 8779 Präparate. 90% der Verordnungen entfallen auf 1850 Medikamente. 45% der in den Apotheken verkauften Packungen sind nicht-rezeptpflichtige Medikamente, die diesen Status wegen der langjährigen Erfahrung mit dem jeweiligen Wirkstoff und der relativen Unbedenklichkeit haben. Weitere 12% sind freiverkäufliche Medikamente und Mittel.

Die immer wieder genannten 40.000 sind die verschiedenen Wirkstärken, Darreichungsformen und Packungsgrössen, die in Deutschland jeweils eine eigene Pharmazentralnummer haben. Der im Artikel genannte Vioxx-Skandal, und viele andere wie Zyprexa auch, sind nicht auf fehlende Zulassungsstudien zurückzuführen, sondern darauf, dass die Hersteller Studien zurückgehalten oder positive Ergebnisse herausgekitzelt haben. Zudem ist gerade den letzten Jahren der Stellenwert der Post-Marketing Studies ("Phase IV-Studien), der klinischen Studien im Praxisalltag, gewachsen. Da gibt es einen echten Boom. Bei neuen Behandlungen mit hohem Risiko für Nebenwirkungen ist die Zulassung oder Erstattung oft an die Einrichtung von Patientenregistern gekoppelt. Pharmakoviliganz, die systematische Erkennung, Bewertung und Verhinderung von Nebenwirkungen ist ein ganz heisses Thema in der Pharmaindustrie. Nicht zuletzt durch die milliardenschweren Schadensersatzforderungen in den USA. Noch ein Punkt: Die Bezahlung durch die Regierungen und Krankenkassen hängt immer stärker von dem Nutzen ab. Nicht nur abstrakt, sondern für die Patienten.

Der grosse Bremser sind die Pharmakonzerne und die Bereitschaft, Transparenz und Verantwortung vor das Marketing zu stellen.
 
[Medien]
Autor: strappato   2007-11-04   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  



 

Pharmaindustrie-Lobby in den USA

Die FAZ beschäftigt sich mit dem Stellenwert der Gesundheitsversorgung als Thema im US-Vorwahlkampf. Der Bericht des Washingtoner Korrespondenten mündet in einem Kommentar, der Wettbewerb und Eigenverantwortung, die Grundpfeiler der USA in Gefahr sieht.
Statt nur am Symptom der hohen Zahl von Nichtversicherten herumzukurieren, muss die Ursache der hohen Kosten beseitigt werden. Nicht weniger, sondern mehr Wettbewerb im amerikanischen Gesundheitswesen ist hierzu notwendig. Das gilt mit Blick auf Ärzte und Krankenhäuser ebenso wie für die Pharmaindustrie und für Versicherungen. Ein schärferer Konkurrenzdruck und mündige, aufgeklärte Verbraucher bieten die besten Chancen, dass erstklassige Gesundheitsdienstleistungen und wirksame Medikamente zu bezahlbaren Preisen zu haben sind.

Da kann man anderer Meinung sein. Nur ist diese Einschätzung meilenweit entfernt von der Wahlkampfrealität. Pharmakonzerne, Versicherungen, Krankenhäuser, Ärzte - keiner will den Wettbewerb mit Konkurrenzdruck. Dafür wird im Wahlkampf einiges eingesetzt. In der Vergangenheit hat sich die Medizinindustrie als ergiebige Quelle für Wahlkampfspenden und Lobbyistenzuwendungen erwiesen.

Ein aktuelles Beispiel, wie Meinung gemacht wird: In der sonst seriös-liberalen NY Times durfte Peter Pitts, Vice-Präsident einer PR-Agentur, die Pharmakonzerne zu ihren Kunden zählt, die Meinung seiner Auftraggeber in der op-ed Kolumne verkünden. Aufgetreten ist er jedoch als Präsident des Center for Medicine in the Public Interest, a nonprofit organization that receives financing from the pharmaceutical industry. Einer Astroturfing-Organisation der Pharmaindustrie.

Bewertung des Nutzens von Arzneimitteln in direktem Vergleich, wie es IQWiG, NICE und Institutionen in anderen Ländern machen und deren Ergebnisse als Entscheidungsgrundlage für die Erstattung dienen, ist für Pitts Teufelszeug. Was nun nicht verwundert.

Neben Pitts im Center for Medicine in the Public Interest: Robert Goldberg, ehemaliger Direktor des Manhattan Institutes, das auch den republikanischen Kandidaten und Pharmalobbyisten Rudy Giuliani mit fragwürdigen Argumenten versorgt.

Ein Problem der Amerikaner? Nicht alleine. Mit dabei ist auch Jacob Arfwedson. Ein Schwede, mit besten Beziehungen zu neoliberalen, von der Pharmaindustrie finanzierten europäischen Thinktanks, wie das Centre for the New Europe, Stockholm Network, Timbro, Institut Euro 92.

Die in der FAZ beschworene ausgezeichnete Qualität des amerikanischen Gesundheitswesens offenbart sich besonders bei der Einflussnahme auf die Politik. Weltklasse. Doch Europa holt auf.
 
[Politik]
Autor: strappato   2007-11-04   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  



 

Anästhesisten Song



Für Pepa.
 
[heile Welt]
Autor: strappato   2007-11-02   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  



 

Drug song


 
[Arzneimittel]
Autor: strappato   2007-11-02   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Geschenke erhalten die Freundschaft

Einen Überblick über die Debatte in den USA zur Beziehung von Ärzten und Pharmakonzernen gibt Eric Campbell, Professor am Institut für Gesundheitspolitik der Harvard Medical School, in einem Artikel, der im New England Journal of Medicine erschienen ist. Der Hintergrund: Zwei US-Senatoren haben im September einen Gesetzentwurf eingebracht - Physician Payments Sunshine Act -, der alle Pharma- und Medizinprodukteunternehmen mit über $100 Millionen Jahresumsatz verpflichten soll, Zahlungen an Ärzte offenzulegen. Unabhängig von der Form, ob Vortragshonorare, Einladungen zu Tagungen oder der in den USA übliche Lunch, den der Pharmaaussendienst in die Praxis liefert.

Campbell schliesst mit einer Empfehlung, die man auch deutschen Ärzten ans Herz legen würde:
Individual physicians can take some steps to maximize the benefits for patients and minimize the risks associated with their own industry relationships. They can start by recognizing that such relationships are designed to influence prescribing behavior and by carefully considering the potential effects that their own associations may have on their patients. They can familiarize themselves with and adhere to the guidelines established by the institutions in which they practice and the professional associations to which they belong. And they can bear in mind that the costs of industry dinners, trips, and other incentives are passed along to their patients in the form of higher drug prices.

 
[Ethik & Monetik]
Autor: strappato   2007-11-02   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

An Prothesen gut verdienen

In den USA hatten Hersteller von Hüft- und Knieimplantaten grosszügig Ärzte geschmiert. Dies kostete die betroffenen 5 Unternehmen Zimmer, DePuy (J&J), Smith & Nephew, Biomet und Stryker $311 Millionen Strafe und die Auflage, Zahlungen an Ärzte mit Namen der Empfänger zu veröffentlichen.

Nun sind die Listen draussen und verschaffen einen Einblick in das florierende Geschäft mit den Knie- und Hüftgelenkprothesen. Alleine 40 Empfänger erhielten dieses Jahr jeweils mehr als $1.000.000. Die Links zu den Listen hat das Wall Street Journal Health Blog.
 
[Ausland]
Autor: strappato   2007-11-02   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Heumann macht Aussendienst dicht

Das Pharmaunternehmen Heumann Pharma hat seinen kompletten Aussendienst gestrichen. Wie auch schon zuvor bei Stada soll der Grossteil der gekündigten Mitarbeiter zum 1. November oder spätestens zum 1. Dezember für zwölf Monate in eine Transfergesellschaft wechseln. Der Rest erhält Abfindungen, die mit 500 € pro Jahr Betriebszugehörigkeit alles andere als üppig sind.

Von den vormals 137 Mitarbeitern bei Heumann bleiben gerade einmal 34 übrig. Geschäftsführer Jürgensen spricht aus, was die Einsicht der Generikabranche zur Zeit ist:
Für einen Hersteller sogenannter Nachahmerpräparate sei ein Aussendienst schon immer "Luxus" gewesen. Die Ärzte verschreiben Präparate, die sie schon seit 20 bis 30 Jahren kennen. Da braucht es keinen Pharmareferenten mehr.

Die Zukunft von Heumann bleibt trotzdem ungewiss. Heumann Pharma ist eine reine Vertriebsgesellschaft. Die Heumann PCS Arzneimittelherstellung ist 2005 abgespalten worden und gehört noch zu Pfizer, soll jedoch auch verkauft werden.

Die Geschichte von Heumann ist exemplarisch für die Pharmabranche in den letzten 10 Jahren. 1913 gegründet, 1989 in das Generikageschäft eingestiegen. 1999 von Monsanto (G.D. Searle) übernommen. Durch Fusion von Monsanto mit Pharmacia & Upjohn zu Pharmacia. Durch Übernahme von Pharmacia durch Pfizer 2003 dann zu Pfizer. 2005 Aufspaltung in Vertrieb und Herstellung mit Verkauf des Vertriebs an die indische Torrent Pharmaceuticals. Ich würde nicht darauf wetten, dass Heumann sein hundertjähriges Jubiläum feiern kann.
 
[Pharmaaussendienst]
Autor: strappato   2007-11-02   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Chinas unkontrollierte Chemieindustrie

Nicht nur die Aufsicht über die Zulassung und Vermarktung von Medikamenten wird in den Schwellenländern lax gehandhabt, sondern auch die Kontrolle von chemischen Grundstoffen und Vorprodukten. Die NY Times zeigt, wie diese aus China auch auf den amerikanischen Markt gelangen. Man könnte statt FDA und USA sicherlich meist ebenso Europa einsetzen. Dass die erwähnte Messe in Mailand stattfand, kann man als ein Seitenhieb gegen die EU verstehen.

Hier der Beitrag als Video.
 
[Pharmaindustrie]
Autor: strappato   2007-11-01   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Emerging drug markets

In den Industrieländern wachsen die Ausgaben für Arzneimittel nur moderat und Massnahmen zur Eindämmung der ausufernden Kosten für die Gesundheitsversorgung lassen wenig Spielraum für Gewinnsprünge. Einen Ausweg sehen die Pharmakonzerne in den Entwicklungs- und Schwellenländern, in denen die Mittel- und Oberschicht vom Wirtschaftwachstum profitiert.

Die internationale Verbraucherorganisation "Consumers International" hat in einem pdf-DateiReport - "Doctors, drugs and dinners" - das Marketing der Pharmakonzerne in den "Ermerging markets" wie beispielsweise Indien, Thailand, Brasilien, Mexiko oder China dokumentiert. Geschenke, wie Klimaanlagen, Notebooks, Clubmitgliedschaften, Reisen zu Tagungen ins Ausland, Neuwagen und Übernahme von Schulgebühren gehören danach zu den üblichen Methoden, um Ärzte vom Produkt zu überzeugen. Ein nur wenig geregelter Werbemarkt lässt Raum für DTC Kampagnen der Pharmakonzerne.

Dabei wird wenig Rücksicht auf die Patienten genommen. Oftmals unterbleiben Hinweise auf Nebenwirkungen und Gegenanzeigen. Die Aufsichtsbehörden tun sich schwer, die Bevölkerung vor Medikamenten zu schützen, die in den Industrieländern vom Markt genommen worden sind.

Dem Guardian sagte der Sprecher der International Federation of Pharmaceutical Manufacturers Associations (IFPMA), es koste Zeit, Verhaltensrichtlinien überall zu etablieren.

Der Report ist Teil einer Kampagne von Consumers International gegen irreführende Medikamentenwerbung.
 
[Pharmamarketing]
Autor: strappato   2007-11-01   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 



Stationäre Aufnahme












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