Ein Pieks tut nicht weh

Achtung hier kommt ein gut abgelagertes Stück Pharmamarketing. Von April dieses Jahres. Damit auch unser Nachbarland mal wieder im blog in Erscheinung tritt.

Österreichische Promis halten gerne den Arm zur Impfung hin. Wie sich die Bilder gleichen.

pressefotos.at/Niko Formanek

pressefotos.at/Niko Formanek

Oben Mr. Gesundheit, Hademar Bankhofer bei der Pneumokokken-Impfung im April 2007. Unten Dagmar Koller bei der Influenza-Impfung im Oktober 2006.

Bei dieser Kampagne wurde der Sponsor Novartis zumindest auf den Medien genannt. Besonders nett der Aufsteller.


Ob eine "Gibson Les Paul" spielender 67-jähriger "Musical Star" die richtige Motivation herstellt?

Aber zur Beruhigung von hockeystick: Hier war Prof. Kunze dabei. Als Experte in der Pressekonferenz.

Genau wie bei der Novartis-Kampagne 2007, die sich an Fachkreise richtete. Mit einem pdf-DateiSymposium im Juni, bei dem auf den Nutzen des adjuvierten Influenza-Impfstoffs des Konzerns aufmerksam gemacht worden ist.
--
P.S. Ich bin der typische Deutsche, der Österreich gerne mag und gerne dort ist. Alles so überschaubar. Dagmar Koller ist die Ehefrau des ehemaligen Wiener Bürgermeisters Zilk, der für die "Krone" als ArzneiOmbudsmann kämpft.

--
Update
Und wenn es einen doch erwischt gibt es in Österreich die Grippefresser-Kapseln.
 
[Oesterreich]
Autor: strappato   2007-11-25   Link   (2 KommentareIhr Kommentar  



 

Zwangsvorstellung beim Hausarzt

Relativ unbemerkt von der nicht-medizinischen Öffentlichkeit ist die Diskussion um den neuen Einheitlichen Bewertungsmassstab (EBM) für die niedergelassenen Vertragsärzte abgelaufen. In ihm ist festgelegt, wie ab 1.1.2008 die Leistungen abgrechnet werden dürfen. Immer noch geschieht es auf Basis von Punktwerten, die dann je nach Region, Fachgruppe und Quartal unterschiedlich viele Euro wert sind.

Der letzte EBM - EBM2000plus, jahrelang bitter umkämpft und am Ende als Jahrhundertwerk gefeiert, hat nicht einmal 3 Jahre durchgehalten. Das neue Werk wird auch nicht länger Bestand haben, da in der Gesundheitsreform ein Wechsel von den Punktwerten zu festen Preisen ("EURO-EBM") zum 1.1.2009 beschlossen worden ist. Dann sollen Morbidität der Versicherten, die Kostenentwicklung in den Praxen und die Leistungsverlagerung aus dem stationären in den ambulanten Bereich stärker berücksichtigt werden.

Einen Vorgeschmack, was Arzt und Versicherte erwartet bietet der EBM 2008. So ist eine neue Ziffer (03212) als Morbiditätszuschlag für chronisch kranke Patienten aufgenommen worden. 495 Punkte im Quartal erhalten Hausärzte damit extra. Was umgerechnet immerhin rund 25 Euro ausmachen wird. Hört sich gut an, hat aber einige Pferdefüsse.

Chronisch erkrankte Patienten sind nur diejenigen, die den Vorgaben der Chroniker-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) entsprechen. Im Zweifel entscheidet die Krankenkasse. Der Patient muss wegen der Krankheit ein Jahr lang mindestens einmal im Quartal behandelt worden sein. Zusätzlich muss diese Erkrankung zu Pflegebedürftigkeit oder zu Behinderung und Minderung der Erwerbsfähigkeit geführt haben, oder eine kontinuierliche medizinische Versorgung erfordern, ohne die der Zustand dauerhaft oder lebensbedrohlich schlimmer würde.

Obligater Leistungsinhalt sind mindestens zwei Kontakte zwischen Arzt und Patient im Quartal. Demnächst wird der Hausarzt diese Patienten in jedem Fall 2x im Quartal einbestellen und mit Recall-Methoden versuchen, die Besuche sicherzustellen. Denn wenn ein Quartal ausgelassen wird, ist die Pauschale für vier Quartale weg. Zwangsvorstellung wie bei Musterungsterminen.

Zu befürchten ist, dass am Ende des Quartals schon mal die Termine knapp und die Wartezimmer voll werden, wenn der Hausarzt sich die Pauschalen sichern will. Der Weg in den Euro-EBM ist der Weg in die Pauschalen und Leistungskomplexe. Nicht, dass jemand 2010 ankommt und sagt: Das haben wir nicht gewusst.
 
[Ambulante Versorgung]
Autor: strappato   2007-11-25   Link   (5 KommentareIhr Kommentar  



 

Ein Ex-Mietmaul erzählt

Lesenswert. In der NY Times Magazine-Beilage erzählt ein Psychiater über seine Erfahrung mit dem Pharmamarketing als bezahlter Repräsentant für den Pharmakonzern Wyeth.
As the reps became comfortable with me, they began to see me more as a sales colleague. I received faxes before talks preparing me for particular doctors. One note informed me that the physician we’d be visiting that day was a “decile 6 doctor and is not prescribing any Effexor XR, so please tailor accordingly. There is also one more doc in the practice that we are not familiar with.” The term “decile 6” is drug-rep jargon for a doctor who prescribes a lot of medications. The higher the “decile” (in a range from 1 to 10), the higher the prescription volume, and the more potentially lucrative that doctor could be for the company.
...
At that moment, I decided my career as an industry-sponsored speaker was over. The manager’s message couldn’t be clearer: I was being paid to enthusiastically endorse their drug. Once I stopped doing that, I was of little value to them, no matter how much “medical education” I provided.

Daniel Carlat ist mittlerweile Herausgeber eines unabhängigen Newsletters, The Carlat Psychiatry Report, und schreibt ein Blog.
 
[Pharmamarketing]
Autor: strappato   2007-11-25   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Nur geringer Gewichtsverlust durch Diätpillen


Wellcome Images

Diätpillen sind unter wissenschaftlichem Beschuss. Zuletzt waren bei Acomplia® (Rimonabant) von Sanofi-Aventis neuerliche Bedenken wegen psychischen Nebenwirkungen aufgetaucht.

Wenn die Produkte der Pharmaindustrie wenigstens eine relevante Gewichtsreduktion bewirken würden. Dies stellt eine im BMJ veröffentlichte Meta-Analyse in Frage. Beim Vergleich der drei Medikamente - Acomplia® (Rimonabant), Xenical®/Alli® (Orlistat) von Roche bzw. GlaxoSmithKline (GSK) , Reductil®/Meridia® (Sibutramin) von Abbott - fanden die Autoren bei Langzeiteinnahme eine Verminderung von weniger als 5 kg oder 5% des Körpergewichts.

Für die Untersuchung haben die Wissenschaftler aus Kanada und Brasilien 30 randomisierte und plazebokontrollierte klinische Studien bewertet, in denen die Diätpillen über einen Zeitraum von einem Jahr und länger eingenommen wurden. Im Mittel brachten die Studienteilnehmer 100 kg auf die Waage und kämpften mit einem BMI von 35-36.

In den Studien mit Orlistat konnten die Patienten im Vergleich mit Plazebo sich nur über eine Reduktion im Mittel von 2,9 kg freuen. Bei Sibutramin waren es 4,2 kg und Rimonabant 4,7 kg.

Abgesehen von der begrenzten Wirkung auf das Körpergewicht, verbesserten die Medikamente die Cholesterin-Werte. Orlistat das Gesamtcholesterin und das LDL, Sibutramin erhöhte das das HDL und senkte die Triglyzeride, ähnlich wie Rimonabant. Interessant war der hohe Anteil der Studienabbrecher, der bei 30-40% lag. Was auch Rückschluss auf das Ausmass der Nebenwirkungen wie Pulsrasen, hoher Blutdruck, Stimmungsschwankungen oder Verdauungsstörungen zulässt.

Raj Padwal, Leiter der Studiengruppe, grenzt daher die Indikation für diese Medikamente ein.
So people have to understand the reason to prescribe these medications is to improve the obesity-related co-morbidities (illnesses) that they have. And if they stop the medication, they're going to see the weight back.

Die Ergebnisse sind besonderer Brisanz, da GSK beantragt hat, Orlistat in Europa als nicht-verschreibungspflichtiges Medikament auf den Markt zu bringen. In den USA ist Orlistat unter dem Handelsnamen Alli® seit Juni frei erhältlich. In einem Editorial des BMJ äussert Gareth Williams, Medizinprofessor an der Universität Bristol, Bedenken gegen eine Therapie, die nicht durch Ärzte überwacht wird und die nicht auf eine Änderung des Lebensstils abzielt.
Possibly, few users will even finish their first pack of Alli, let alone buy a second, and the drug may cause only a small and transient downward blip in the otherwise inexorable climb in weight and cardiometabolic risk.
...
Selling anti-obesity drugs over the counter will perpetuate the myth that obesity can be fixed simply by popping a pill. The only real beneficiary will be GSK.

Rucker D, Padwal R, Li SK, Curioni C, Lau DCW. Long term pharmacotherapy for obesity and overweight: updated meta-analysis. BMJ 2007:393854131, doi:10.1136/bmj.39385.413113.25.
 
[Orlistat]
Autor: strappato   2007-11-25   Link   (2 KommentareIhr Kommentar  



 

Urteil im Bremer Klinikskandal

Der Bremer Klinikskandal hat ein vorläufiges Ende gefunden.

Der Ex-Geschäftsführer des Klinikums Ost ist wegen Untreue und Bestechung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt worden.

Eind dürre Meldung in wenigen Zeitungen für einen Fall, der nie die notwendige Aufmerksamkeit in den Medien bekommen hat. Das online-Tagebuch von Theo Schlüter aus dem Untersuchungsausschuss der Bremer Bürgerschaft ist ein Highlight im politischen Journalismus. Es deckt schonungslos die Findigkeit von Beratern und Geschäftemachern im Gesundheitswesen auf, aber auch die Überforderung der politisch Verantwortlichen angesichts der Komplexität des Medizinbetriebs.

Die Gesundheitssenatorin Karin Röpke konnte sich elegant durch einen Rücktritt wegen des Todes eines von der Sozialbehörde betreuten Kindes aus der Affäre ziehen, bevor die Enthüllungen aus dem Untersuchungsausschuss und damit ihr unmittelbares Fehlverhalten im Klinikskandal medial die volle Wirkung zeigen konnten.
 
[Bremer Klinikskandal]
Autor: strappato   2007-11-24   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Deutsche Pharmablogscharts (DPC) 11/2007

Rankings sind Mist.
 
[heile Welt]
Autor: strappato   2007-11-23   Link   (4 KommentareIhr Kommentar  



 

Depressive Fadenwürmer leben länger

Anti-Aging-Medizin ist ein Sektor, der nicht über Budgetrestriktionen und Kostendämpfung klagt. Die gut verdienenden Baby-Boomer geben gerne ihr Geld für alles aus, was längeres Leben, Wellness und Fitness verspricht. Das Zentralorgan der Bewegung ist das Magazin Focus, immer bereit, die Entdeckungen der Medizin zukunftsfroh unter die Leute zu bringen.

Als neueste Hoffnung wird das Antidepressivum Mianserin vorgestellt. Bisher haben Studien eine Lebensverlängerung durch Einschränkungen in der Kalorienzufuhr festgestellt. Hungern ist jedoch mit Wellness inkompatibel. Da kommt die Entdeckung, dass Mianserin das Leben von Fadenwürmern verlängert, nicht ungelegen. Dass das Medikament wegen der schwerwiegenden Nebenwirkungen nicht erste Wahl bei der Behandlung von Depressionen und der Jungbrunnen des Fadenwurms womöglich ein anderer als der des "Best-Agers" ist, wird für den Focus unbedeutend angesichts der Relevanz des Problems: "In the long run we are all dead".
 
[Medien]
Autor: strappato   2007-11-23   Link   (2 KommentareIhr Kommentar  



 

Das zweite Leben des Thalidomids


Thalidomid, das als Contergan® traurige Geschichte geschrieben hat, lebt weiter. In Deutschland ist der Wirkstoff alleine zur Behandlung von Lepra zugelassen. Die Abgabe wird streng kontroliert. Bei anderen Indikationen wird es als off-label-use im Rahmen von Therapieversuchen eingesetzt. Grünenthal hat die Bereitstellung von dem kommerziellen Geschäft getrennt. Es besteht ein Unternehmensbeschluss, Thalidomid nicht kommerziell zu nutzen. Auf begründete Nachfrage wird es kostenlos zur Verfügung gestellt.

Ansonsten ist Thalidomid ein Generikum. Das Unternehmen Pharmion hat bei der europäischen Arzneimittelbehörde EMEA eine Zulassung zur Behandlung des Multiplen Myeloms als Orphan Drug beantragt. Mit dem Status "Orphan Drug" zur Behandlung von seltenen Krankheiten, sind exklusive Vermarktungsrechte für das ausgewiesene therapeutische Anwendungsgebiet über einen Zeitraum von maximal zehn Jahren verbunden. Ausserdem wird das Unternehmen von Gebühren der EMEA, z.B. für die Beratung bei der Entwicklung und für die Bearbeitung von Zulassungs- und Änderungsanträgen, befreit.

Die EMEA prüft den Antrag zur Zeit. In Australien ist Thalidomid zugelassen. Für den Off-label-use kann es von Apotheken über Pharmion bezogen werden. Die Apotheken müssen sich an ein Risiko-Minimierungs-Programm beteiligen (besonderes Rezept mit Authorisations-Nummer - ähnlich wie bei Software, Abgabe max. für 28 Tage, usw). Das hat Pharmion auch für die europäische Zulassung vorgesehen.

Nun ist der Einsatz von Thalidomid in Europa ein Stück realistischer geworden. Der Pharmakonzern Celgene hat das Unternehmen Pharmion für $2,9 Milliarden übernommen, dem Celgene die Vermarktungsrechte in Europa überlassen hatte. Celgene vermarktet bereits Lenalidomid (Revlimid®), ein dem Thalidomid verwandten Wirkstoff, als Orphan Drug zur Behandlung des Multiplen Myeloms. Darüber hinaus hat Celgene mit Actimid™ ein weiteres Thalidomid-Analogpräparat in der Pipeline.

Im Oktober war eine Studie publiziert worden, in der der Nutzen von Thalidomid gegenüber der Standardtherapie eindrucksvoll gezeigt werden konnte. Die Zulassung durch die EMEA erscheint sicher. Bei bisher unbehandelten Patienten konnte eine Überlebenszeit im Median von 52 Monaten beobachtet werden, ein Zuwachs von fast 20 Monaten. Eine diese Woche veröffentlichte Studie zur Therapie mit Lenalidomid bei Patienten, bei denen eine frühere Chemotherapie gescheitert war, brachte einen Antieg der Gesamtüberlebenszeit von 20,2 auf 29,6 Monate.

Rechtzeitig vor Ablauf der 5-jährigen Überprüfungsfrist für Lenalidomid hat sich Celgene durch die Übernahme von Pharmion einen neuen Umsatzbringer gesichert. Bei Orphan drugs ist am Ende des fünften Jahres eine Überprüfung der Fördervoraussetzungen vorgesehen. Das Exklusivrecht erlischt, wenn ein anderer Anbieter innerhalb der 10-Jahres-Frist nachweisen kann, dass sein Präparat "sicherer, wirksamer oder unter anderen Aspekten klinisch überlegen ist".

Es braucht nicht erwähnt zu werden, dass Orphan Drugs üblicherweise besonders teuer sind. Der Apothekenverkaufspreis für Revlimid® liegt bei 6856,40 Euro für 21 Tabletten mit 10 mg Wirkstoff. Die Geschäfte mit Thalidomid gehen also 50 Jahre nach der ersten Markteinführung weiter. Allein das Portal des Wissenschaftverlags Elsevier weist im letzten halben Jahr 36 Artikel zum Stichwort "Thalidomide" aus. Darunter Studien zum kleinzelligen Lungenkarzinom, zur juvenilen rheumatoiden Arthritis oder zum Prostatakarzinom.
 
[Arzneimittel]
Autor: strappato   2007-11-23   Link   (6 KommentareIhr Kommentar  



 



Stationäre Aufnahme












Letzte Beiträge und Kommentare /  Frohe Weihnachten  (strappato)  /  OH!!!  (kelef)  /  Frohe Weihnachten  (strappato)  /  Subjektive Wahrnehmung  (casadelmar)  /  Sehr interessante Sichtweise,...  (akademischer ghostwriter)  
Zum Kommentieren bitte einloggen

Metainfos über das blog. Kontakt: strappato.

search noeszett Add to Technorati Favorites rss