Patientenverbände sollen als Fusstruppen gegen HTA-Bewertungen gewonnen werden

Der den regelmässigen Lesern der Stationären Aufnahme schon bekannte Beratungs- und Lobbyistendienstleister PatientView fischt derzeit nach Meinungen von Patientenverbänden zum Thema HTA (Health Technology Assessment). In einer englischsprachigen E-Mail werden auch deutsche Patientenvertreter zur Beantwortung eines Fragebogens eingeladen. Hier als pdf: patientview-hta (pdf, 510 KB)
Betreff: Invitation to your organisation to participate in a study about Health Technology Assessment (HTA)

Dear xxx

Health Technology Assessment (HTA) is a process by which governments (or the government-authorised insurers that pay for healthcare) try to assess the value of medicines, medical devices and other medical interventions in comparison with their costs.

This short survey represents a unique opportunity for patient groups across Europe to FIND OUT WHAT THEY COLLECTIVELY THINK ABOUT HTA TODAY, and to CLARIFY THEIR POTENTIAL CONTRIBUTION towards making HTA more equitable from the patients' perspective.

The survey results will be placed in the public domain, SO THAT YOUR GROUP CAN MAKE USE OF THE DATA COLLECTED. If you wish to be emailed a copy of the survey results upon publication (expected to be late 2009), please leave a contact email address at the end of the questionnaire.

The CLOSING DATE for the survey is Friday 30th October 2009.

The survey has been commissioned by Hill & Knowlton, and is being administered by PatientView.

To enter the survey just press your control button and click on the link below

MY GROUP's VIEWS ON HEALTH TECHNOLOGY ASSESSMENT
https:// www.surveymonkey.com/xxxxxx

If you have any questions regarding the survey, please do not hesitate to contact:
Louise Oatham, HTA survey, PatientView, Woodhouse Place, Upper Woodhouse, Knighton, Powys, LD7 1NG, UK.
Tel: 0044-(0)1547-520-965
Email: info @ patient-view.com
http:// www. patient-view.com

Die Fragen sind für Personen, die sich mit der Thematik nicht eingehender befasst haben, anspruchsvoll. So soll eingeschätzt werden, ob die "HTA activies" in Deutschland "accountable" sind, was wohl in diesem Zusammenhang "Transparenz" meint. "Accountability" ist ein Konzept der Ethik im staatlichen oder unternehmerischen Handeln. Eine andere Frage bezieht sich auf die Möglichkeiten, die Patienten oder Patientengruppen haben, sich gegen HTA-Einscheidungen zu wehren. Der Tenor wird klar: Ziel der Befragung ist, zu zeigen, dass die Bewertung von Medikamenten und Therapien nach Evidenzkritierien, wie sie in Deutschland vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) oder dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) angelegt werden, die Patienteninteressen nicht berücksichtigen.

Der eigentliche Auftraggeber der Studie versteckt sich hinter der PR-Firma Hill & Knowlton. Zu den Kunden der Kommunikationsagentur gehören Pharmaunternehmen, aber auch Regierungen wie die chinesische.

Die Pharmaindustrie will Patientenverbände als Verbündete im Kampf gegen Kosten-Nutzen-Bewertungen von neuen Therapien gewinnen. Dass dies erfolgreich sein kann, hat Roche vor zwei Jahren in England gezeigt.

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Update 6.11.2009

Scheint schwer zu sein, zu einem so komplexen Thema Teilnehmer zu finden:

Apologies if you have already received this email. We wish to inform you that the deadline for this survey has been extended to Thursday November 19, 2009.

We would be most grateful if you could continue to encourage your members to fill out the questionnaire to assure we get a truely representative group of patients.

 
[PatientView]
Autor: strappato   2009-10-16   Link   (3 KommentareIhr Kommentar  



 

Angstkampagne gegen Kaiserschnitte

Eine bemerkenswerte dpa-Meldung - gelegentlich auch mit dem Kürzel (dpa/tmn) bezeichnet [Edit: das steht für "dpa-themendienst"] - geistert seit einigen Stunden durch die Online-Angebote der Republik und wird wohl morgen in vielen Zeitungen zu lesen sein.

Anscheinend basiert die Meldung auf einer Pressemitteilung oder einer Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). Das Anliegen der DGGG ist es ganz offenbar, die Kaiserschnittquote zu reduzieren oder einen weiteren Anstieg zu verhindern.

Die Thematik der möglichen Vor- und Nachteile von Kaiserschnitt und natürlicher Geburt für Mutter und Kind ist hochkomplex, facettenreich und wird seit Jahren mit großer Leidenschaft debattiert. Das Anliegen der DGGG kann man deshalb für unterstützenswert halten oder nicht.

Was die DGGG allerdings reitet, im Verbund miit der dpa mit unwahren und unbelegten Behauptungen die Angst der Frauen vor einem Kaiserschnitt zu schüren, steht auf einem anderen Blatt. Schon der Beginn der Meldung erstaunt:
Ein Kaiserschnitt bei der ersten Geburt wirkt sich deutlich auf weitere Schwangerschaften aus. Vielfach haben betroffene Frauen zum einen größere Probleme, danach wieder schwanger zu werden.
Moment. Ein möglicher Zusammenhang zwischen einer Kaiserschnittgeburt und einer abnehmenden Fruchtbarkeit der Frau ist zwar immer wieder diskutiert und in zahlreichen Studien untersucht worden, ohne jedoch überzeugende Belege für einen kausalen Zusammenhang zu finden. Dazu aus einer neueren pdf-DateiVeröffentlichung zu der Fragestellung:
Nach unseren Ergebnissen gibt es keinen Unterschied in der Fertilität nach Sectio und nach vaginaler Entbindung, dieser müßte in allen Altersgruppen nachweisbar sein. Unsere Resultate sind in Übereinkunft mit den Ergebnissen einer Studie von Tower et al. [11], in der ebenso keine Beeinflussung der Fertilität durch den Geburtsmodus festgestellt werden konnte. Eine Annäherung an eine Beantwortung dieser Frage kann definitiv nur mit Hilfe von randomisierten Studien beantwortet werden. Diese sind jedoch aufgrund ethischer Limitierungen praktisch nicht durchführbar.

Wir schlußfolgern aus unseren Ergebnissen, daß eine Entbindung per Sectio die zukünftige Fertilität nicht beeinflußt.
Auch eine aktuelle Übersichtsarbeit dazu (Current Opinion in Obstetrics and Gynecology, 2007 Jun;19(3):238-243) kommt zu dem Schluss, dass ein solcher Zusammenhang jedenfalls im Fall von Wunschkaiserschnitten nicht besteht:
Cesarean section has been reported to be associated with decreased subsequent fertility. Recent studies, which have tried to explain this association, suggest that this is most probably voluntary or due to some other biases, or possible confounding factors, which are due to organic or psychosocial effects of an emergency cesarean section or labor preceding the cesarean delivery. Elective cesarean section does not appear to cause infertility.
Noch steiler die These, die die DGGG gleich im nächsten Satz nachlegt:
Zum anderen ändern Frauen nach dem Kaiserschnitt oft ihre Meinung und wollen aufgrund des Erlebnisses doch keine weiteren Kinder, obwohl sie das ursprünglich vorhatten.
Jetzt wird das Eis richtig dünn. Nach "vielfach" und "deutlich" muss jetzt wie in einem Schulaufsatz das Wörtchen "oft" als Beleg herhalten. Gibt es wirklich so viel mehr traumatisch verlaufende (Wunsch-)Kaiserschnitte als traumatisch verlaufende natürliche Geburten?

Und heiligt der Zweck, die Kaiserschnittquote zu senken, jedes Mittel? Auch eine derart krude Kampagne, in der es im Kern darum zu gehen scheint, werdende Mütter mit falschen Behauptungen zu verunsichern?
 
[Medien]
Autor: hockeystick   2009-10-16   Link   (12 KommentareIhr Kommentar  



 

Liebe ARD, bitte tut mir das nicht an!



Vom Regionalfernsehen des Hessischen Rundfunks war zum Glück nicht die Rede. Aber ich fange an, mir Sorgen zu machen.


 
[heile Welt]
Autor: hockeystick   2009-10-15   Link   (5 KommentareIhr Kommentar  



 

Qlappe zu

Bayer hat sich die Kritik an der illegalen Internet-Werbung für die Antibaby-Pille Qlaira® zu Herzen genommen. Oder ist doch ein Mitbewerber aktiv geworden? Beim Aufruf der im Stern-Artikel kritisierten Internetseite Pille-mit-dem-Q, erhält die Nutzerin seit Anfang dieser Woche die Mitteilung:
Die Webseite wird momentan überarbeitet.
Wir danken für Ihr Verständnis.


Qlasse: Abgeschaltet.

In Österreich hatte Bayer auf traditionelle und massive Print-Kampagnen gesetzt. Vorteil: Da kann man keinen Stecker ziehen.

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Mehr zu der Internetkampagne: Hier und hier.

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Update 16.10.2009
Ist wieder da. Wenn es Veränderungen gab, dann nur marginal. Die Kritik an der Kampagne ist weiter aktuell.

Update 1.1.2009
Die Formulierung "Pille mit dem natürlichen Östrogen" ist nicht mehr zu finden. Stattdessen wird das Präparat als "Mikropille mit Wirkung des natürlichen Östrogens" beschrieben.
 
[Klaera]
Autor: strappato   2009-10-15   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  



 



Stationäre Aufnahme












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