Österreichische Klinik zahlte für illegale Studien

In Österreich braucht es immer etwas länger. So hat die Tiroler Landeskrankenanstalten (TILAK) jetzt erst bemerkt, dass sie für die illegalen Stammzell-Behandlungen an der Uniklinik Innsbruck 1,2 Millionen Euro gezahlt hat. Zwei Professoren versprachen Patienten, die an Harninkontinenz leiden, Heilung, und machten die Patienten zu Probanden in nicht angemeldeten und von der Ethikkommission geprüften Studien. Die TILAK, ein Unternehmen der öffentlichen Hand und Träger der Uniklinik Innsbruck, hatte über Jahre die Behandlung bezahlt, obwohl laut Gesetz öffentliche Gelder nur für etablierte Therapie-Methoden verwenden werden dürfen.

Der Skandal hatte auch international für Aufmerksamkeit gesorgt.

Eine Schadensersatzklage eines Ex-Patienten gegen die TILAK hatte den Fall ins Rollen gebracht. Schon beim Prozess im April 2008 wurde deutlich, dass die Studien nicht mit der entsprechenden Sorgfalt durchgeführt worden sind und es zu Unregelmässigkeiten gekommen war. Die TILAK hatte daher schon 2006 die Finanzierung der Zellherstellung für die Therapie eingestellt. Nun fühlt sich das Unternehmen selber getäuscht, dabei hatten sich die Verantwortlichen auf die Versprechungen der ehrenwerten Herren Professoren verlassen:
Auf die Frage, warum nicht bereits früher kontrolliert wurde, sagt [TILAK Vorstandsdirektor] Steiner: "Es gibt bei jeder Universitätsklinik einen leitenden Professor. Wenn ein leitender Professor sagt, dass alles in Ordnung ist, muss man im ersten Ansatz auch davon ausgehen."

Bereits in dem Anfang August 2008 vorgelegten Expertengutachten wurde klar, dass bei der TILAK nicht genau hingesehen hat, wie ihre Ärzte klinische Studien betrieben.
Die zuletzt vorgelegte Versicherungsbestätigung ist laut Aussage von Zürich Kosmos [der Versicherungsgesellschaft, Hubert Rehm] gefälscht. Die vorgelegte Versicherungsbestätigung der TILAK ist laut TILAK unplausibel und kann gemäß den Prozessen der TILAK in dieser Form nicht ausgestellt worden sein. Das Einreichformular bei der Ethikkommission weist eine Nummer auf, die gemäß den damals etablierten Prozessen nicht aufscheinen konnte ...

Übrigens wäre ein ähnlicher Fall in Deutschland so nicht denkbar und auch Krankenkassen hätten wohl nicht für die unerprobte Stammzelltherapie gezahlt. Nach dem Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG § 8 Abs. 1 Satz 2) können bei Patienten, die im Rahmen einer klinischen Studie behandelt werden, nur die Entgelte für allgemeine Krankenhausleistungen berechnet werden. Versicherte haben in klinischen Studien nur dann einen Leistungsanspruch
und die Krankenkassen eine Leistungspflicht, wenn eine medizinische Behandlung indiziert ist und eine Behandlung auf Grund wissenschaftlicher Erkenntnissen erfolgt. Die reinen Forschungskosten bzw. ein forschungsbedingter Mehraufwand in der Krankenversorgung können und dürfen nicht von der GKV entgolten werden.
 
[Oesterreich]
Autor: strappato   2008-10-05   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Interessenkonflikte Titelthema im Ärzteblatt

Der Regensburger Professor David Klemperer erläutert der staunenden deutschen Ärzteschaft in der aktuellen Ärzteblatt-Titelgeschichte, was Interessenkonflikte sind und warum sie problematisch sind.

Seine Forderungen am Ende des Artikels:
Der größte Teil der Interessenkonflikte in der Medizin ist mit wenigen Maßnahmen vermeidbar. Dazu wäre es erforderlich, dass Ärzte in Zukunft keinerlei Geschenke der Industrie mehr annehmen und auf jegliche Finanzierung ihrer Fortbildung durch die Industrie verzichten. Auch die Forschung sollte so gestaltet werden, dass das Streben nach Wahrheit nicht durch kommerzielle Interessen gefährdet wird – dies erfordert grundlegende, politisch zu beschließende Veränderungen der Forschungsfinanzierung.

Da Betroffene selbst in der Regel am wenigsten dazu in der Lage sind, das Vorliegen und die Auswirkungen von Interessenkonflikten und Beeinflussung zu beurteilen, sollte anderen eine Beurteilung ermöglicht werden. Dazu können öffentlich zugängliche Register dienen, in denen Personen und Organisationen alle Sachverhalte öffentlich machen, die einen Interessenkonflikt darstellen oder eine Beeinflussung bewirken könnten – bei Wissenschaftlern zum Beispiel die Tätigkeiten, materieller Gewinn, Auslage von Kosten, zeitlicher Aufwand, gefühlter Imagegewinn und gefühlte Beeinflussung (das so gestaltete Interessenregister des Autors ist im Internet abrufbar unter: pdf-Dateiwww.davidklemperer.de/interessenregister.pdf). Zu betonen ist, dass mit der Offenlegung das Problem von Interessenkonflikten keineswegs gelöst ist, weil sie weiterhin wirksam sein können.

In seinem Schlussplädoyer versucht er, die an solchen Fragen bislang erfahrungsgemäß wenig interessierten Mediziner bei ihrer Berufsehre zu packen:
Der ärztliche Beruf wird aus berufssoziologischer Sicht als Profession, als ein gehobener Beruf bezeichnet. Grundlage dafür ist das Erfordernis einer besonderen Vertrauenswürdigkeit der Berufsausübung. Patienten erwarten, dass Ärzte, denen sie ihre Gesundheit und ihr Leben anvertrauen, das Gesundheitsproblem bestmöglich im Sinne des primären Interesses lösen und jegliche sekundären Interessen, wie zum Beispiel Eigeninteressen finanzieller Art, hintanstellen. Dies macht die „Seele“ von Professionalität aus. Die Gewährleistung einer in diesem Sinne sicheren Berufsausübung ist den Angehörigen der Berufsgruppe selbst übertragen und sollte in Deutschland durch die Selbstverwaltungsstrukturen (Ärztekammern und Kassenärztliche Vereinigungen) gewährleistet sein. Ein öffentlich nachvollziehbarer und Vertrauen schaffender Umgang mit Interessenkonflikten ist daher eine berufspolitisch unabdingbare Anforderung für den Erhalt des Ansehens und des gesellschaftlichen Status des Arztberufs.

 
[Ethik & Monetik]
Autor: hockeystick   2008-10-05   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  



 

OMG! You're such a good debater!

To hell with the Vice Presidency, she didn’t even understand the responsibilities and limitations of her job as mayor. Her attitude, at any given moment, is that she’s in charge and she’ll do whatever she damn well pleases until someone forces her to stop.
Ja, richtig geraten, es geht um Sarah Palin, die wenn es schlecht läuft nur einen Herzschlag von der Macht als US-Präsidentin entfernt ist. Das Zitat stammt von Aden Nak, der die Debatte der beiden Vize-Präsidentschaftskandidaten in seinem blog kommentiert.

Er packt die Rhetorik von Sarah Palin in eine geniale Flow Chart.

 
[heile Welt]
Autor: strappato   2008-10-04   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 


 

1000 Tage "Stationäre Aufnahme"

In eigener Sache: Heute ist das Blog 1000 Tage alt. Am 6. Januar 2006 erstellt, der erste Eintrag rund 2 Wochen später. In dieser Zeit sammelten sich 3717 Postings und Kommentare an. Das kann man ststistisch bei antville/blogger nicht trennen. Jedoch schätze ich, dass rund 2700 1900 davon Blogartikel sind.

Gelegenheit den Lesern zu danken und auch "hockeystick", der als Co-Autor seit November 2007 einen wichtigen Teil beiträgt. Und nicht zuletzt dem Bloghoster Dirk Olbertz.

Auf die nächsten 1000 Tage.
 
[heile Welt]
Autor: strappato   2008-10-02   Link   (5 KommentareIhr Kommentar  



 

Unabhängige Arzneimittelinformationen beabsichtigt

Aufgeschreckt durch die Pläne der EU, den Pharmaunternehmen direkte Informationsangebote über Arzneimittel an die Patienten zu erlauben, wollen wichtige Verbände und Selbstverwaltungsgremien im Gesundheitswesen gemeinsam eine "unabhängige, seriösen und konstruktive Arzneimittelinformation für Patienten" aufbauen. Die heute veröffentlichte Absichtserklärung wurde unterzeichnet von:
  • Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände
  • Arbeitsgemeinschaft Gesundheitswissenschaften Universität Hamburg
  • Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK)
  • Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ)
  • Bundesärztekammer (BÄK)
  • Deutsches Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI)
  • Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA)
  • Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)
  • Verband der privaten Krankenversicherung e.V.
  • Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (VZBV)
... und vom Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (äzq), das seine Erfahrung gemacht hat, wie schwer es ist, "unabhängige" Informationen bereitzustellen.

Meine persönliche Einschätzung: Bei den unterschiedlichen Interessen der beteiligten Verbände und Gremien, wird das nie was. Verbände, die nicht beteiligt sind, versuchen es auf eigene Faust und diskutieren das Thema auf einem Kongress.
 
[Arzneimittel]
Autor: strappato   2008-10-02   Link   (4 KommentareIhr Kommentar  



 

Risk-Sharing = Marketing

Das sind Marketing-Instrumente der Firmen, um teure und oft nur vermeintlich innovative Produkte im Markt zu platzieren.
Prof. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, zu Risk-Sharing-Verträgen in der Apotheken Umschau.
 
[Arzneimittel]
Autor: strappato   2008-10-02   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Patientenverbände nicht transparent

Die englische Zeitung "The Independend" berichtet über die Beziehungen von Patientenverbänden und Pharmaunternehmen. In Grossbritannien waren einige Patientenverbände in den letzten Jahren gesundheitspolitisch sehr engagiert und hatten öffentlichen Druck gegen Entscheidungen des National Institute for Clinical Excellence (NICE) gemacht und Patienten mobilisiert. Das NICE ist vergleichbar mit dem deutschen IQWiG und legt auf Basis von evidenzbasierten Kriterien die Erstattung für neue Therapien fest. In Deutschland war ähnliches zu beobachten, beispielsweise hatte bei der Bewertung der Insulin-Analoga durch das IQWiG der Deutsche Diabetiker Bund massiv Lobbyismus betrieben.

Die Zeitung hat sich die Finanzierung der beteiligten Verbände angesehen und teils extreme Abhängigkeiten von den Pharmakonzernen gefunden. So organisierte die Arthritis and Musculoskeletal Alliance (Arma) ein Protestschreiben von 10 Professoren gegen die Beschränkung bei der Bezahlung von teuren gentechnisch hergstellten Arthritis-Medikamenten. Der Geschäftsführer musste einräumen, dass mehr als die Hälfte des Etats seines Verbandes von Pharmaunternehmen stammt.

Die im Artikel angesprochenen Probleme gibt es auch hierzulande. Zwar gibt es Verhaltensrichtlinien, sowohl auf Seiten der Pharmaunternehmen, als auch bei der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe (BAG Selbsthilfe), jedoch besonders kleinere Verbände lassen Transparenz bei der Finanzierung ihrer Aktivitäten vermissen. Nur selten kommunizieren die Patientenverbände detaillierte Summen und für welche Projekte und Aktivitäten die Gelder der Pharmaindustrie geflossen sind.

Während Pharmaunternehmen Zahlungen an Ärzte und Verbände vermehrt offenlegen, stösst diese Transparenz bei den Patientenvertretern oft auf Unverständnis. Wie bei Wyeth, wo von 16 Patientenorganisationen keine schriftliche Genehmigung vorlag, Informationen über Art und Umfang von Kooperationen zu veröffentlichen.
 
[Selbsthilfe]
Autor: strappato   2008-10-02   Link   (0 Kommentare)  Ihr Kommentar  



 

Pfizer verabschiedet sich

Pfizer verabschiedet sich von der Weltmarktführerschaft. Der Pharmakonzern hat angekündigt, die Forschung und Entwicklung im bisherigen Kerngeschäft stark einzuschränken. In Anbetracht der auslaufenden Patente für wichtige Blockbuster in den nächsten Jahren, wie Lipitor®/Sortis®, dem mit über 12 Milliarden Dollar umsatzstärksten Medikament, war dies ein Spitzenplatz auf Zeit. Jedoch trauten Experten Pfizer zu, mit Fusionen und Übernahmen um den Verbleib in der Spitzengruppe zu kämpfen. Zuletzt gab es anhaltende Gerüchte über eine Übernahme von Bayer/Schering.

Nun hat das Pharmaunternehmen aktiv sich eine Schrumpfungskur verordnet. Pfizer will die Erforschung von Herz-Kreislauf-Krankheiten, Übergewicht, Knochenerkrankungen, Anemien, Magen/Darm, Leberfibrose, Muskelerkrankungen, sowie junge Entwicklungsprojekte einstellen. Alzheimer, Diabetes, Immunologie/Entzündungen, Krebserkrankungen, Schmerz und Psychosen (inkl. Schizophrenie) sind als prioritäre Felder identifizert worden. Pfizer geht den Weg zu Spezialtherapeutika, die ein niedrigeres Marketing-Budget und einfachere klinische Studien erfordern.

Schlechte Nachrichten für die Mitarbeiter, die schon von den Sparprogrammen mit Einsparungen von 2 Milliarden Dollar gegenüber 2006 und Entlassungen gebeutelt werden. Zudem wird die nächste US-Regierung gezwungen sein, die Medikamentenausgaben herunterzudrücken, was auf dem grössten Pharmamarkt der Welt besonders Pfizer treffen wird.

Besonders zynisch sind in dieser Lage die Verlautbarungen der Manager. Forbes hat das E-Mail-Memo dokumentiert.
The new plan is entirely consistent with our growth strategies, including Our Path Forward and the Five Point Plan. It represents cross-divisional agreement on strategy for each DA [disease area], including long-term targets and metrics. We are confident that prioritizing our portfolio is the way to deliver value and provides clarity and direction for all managers and their teams.
"Growth strategy" ist da nicht zu erkennen. Nicht nur bei den betroffenen Forschern wird die Unsicherheit über die Zukunft bei Pfizer weiter wachsen.

Die Konkurrenz wird es interessiert zur Kenntnis nehmen. Pfizer war immer ein Trendsetter in der Branche. In den Konzernzentralen werden sicher neue Strategiediskussionen aufkommen.
 
[Pharmaindustrie]
Autor: strappato   2008-10-02   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  



 



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